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Der Türke – vom „Problembürger“ zum Meister von Morgen?Claus Stille Eben galt DieTürken den deutschen Mainstream-Medien fast durch die Bank noch als die Integrationsverweigerer schlechthin (nach der Studie des Berlin-Instituts). Plötzlich, potzblitz – man reibt sich verwundert die Augen: wird auf einmal die größte Hoffnung in denselben Türken gesetzt! Wie ist das möglich? Die „Bild“-Zeitung hatte nämlich die folgende Überschrift fett über einen ihrer Beiträge geknallt: „Der Meister der Zukunft ist ein Türke“ Auf eigenem Mist ist diese Schlagzeile zwar nicht gewachsen – „Bild“ zitierte aus dem neuen Integrationsatlas des Deutschen Handwerks (ZDH) – aber ganz offenbar durchaus ernst gemeint. Hintergrund des Ganzen: Das deutsche Handwerk hat schon jetzt mit einem eklatanten Fachkräftemangel zu kämpfen, welcher sich auf Grund der negativen demographischen Entwicklung in Zukunft noch verschärften dürfte. Heißt: Es wird auch immer schwieriger werden, ausreichend Jugendliche für eine Lehrausbildung zu gewinnen. Dieser bedenklichen Entwicklung will man augenscheinlich nun massiv entgegenwirken. Ihr gegensteuern will das deutsche Handwerk, indem man intensiv und entschlossen auf Migranten zugeht. Otto Kentzler, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), sagte gegenüber „Bild“: „Wir wollen das Potential unserer jungen Migranten stärker nutzen“, denn „seine Branche habe bereits „sehr gute Erfahrungen mit ausländischen Mitarbeitern“ gemacht. Dem Integrationsatlas bildet das deutsche Handwerk schon heute prozentual mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund aus als alle anderen Branchen. Demnach liegt die Ausländerquote unter den Lehrlingen bei 4,8 Prozent, bei Handel und Industrie bei 3,7 Prozent und im Öffentlichen Dienst gar nur bei mickrigen 1,7 Prozent. „Bild“ unterrichtete seine Leser darüber, dass zirka 40 Prozent aller jungen Ausländer in Deutschland – in der Hauptsache wegen fehlendem bzw. schlechtem Schulabschluss – ohne Ausbildung blieben. Präsident Otto Kentzler wagt aber trotzdem einen optimistischen Ausblick in die Zukunft. Und zwar, mit einem erhellenden Blick zurück. In seinem Vorwort zum Integrationsatlas des Handwerks schrieb Kentzler: „Aus seiner langen Tradition der „Wanderschaft“ heraus hat das Handwerk die Zusammenarbeit mit Menschen unterschiedlichster Herkunft stets als Bereicherung verstanden. Im engen persönlichen Miteinander der kleinen Betriebe hat das Handwerk zu allen Zeiten maßgeblich dazu beigetragen, dass aus Migration Integration in Arbeit und Gesellschaft wird.“ Also bitteschön: Gar keine so schlechten Aussichten für Jugendliche mit dem Stempel „Migrationshintergrund“! Aus der Not kann also eine Tugend werden. Und aus „Ungenutze(n) Potentiale(n)“ (so der Titel der Studie des Berlin-Institutes) könnten die Handwerksmeisterinnen und Meister der Zukunft werden. Ein Kroate als Bäckermeister, die Italienerin eine Klempnermeisterin, der Serbe ein Tischlermeister, die Afghanin eine Kfz-Meisterin und... Fast hätte ich es vergessen: Eine Türkin als Elektromeisterin. Ein kurzes Abschweifen sie mir erlaubt: Hatun Sürücü hätte womöglich das Zeug dazu gehabt (auch Istanbul Post informierte). Am 7. Februar 2005 starb sie durch einen sogenannten „Ehrenmord“ auf offener Straße in Berlin. Niedergestreckt von ihrem Mörder durch mehrere Kopfschüsse... Bis allerdings die aus der Not heraus geborenen Hoffnungen des deutschen Handwerks, die durchaus wahr werden könn(t)en, in der Praxis umgesetzt sind und gefeiert werden, bleibt noch einiges zu tun in Deutschland. Vor allen Dingen in Sachen Bildung. Gerade da wird es Migranten bislang nicht einfach gemacht. Oft stammen diese bekanntlich aus bildungsfernen Schichten. Die haben so gut wie keine Lobby in der Gesellschaft. Deshalb werden sie nicht selten allein schon durch das ungerechte dreigliedrige Schulsystem in Richtung Hauptschule aussortiert und fallen so von vornherein durch den Rost. Aber: Vielleicht ist die Handwerker- und Handwerksmeisternot schon bald so groß, dass daraus ein Druck entsteht, welcher diesen unbefriedigenden Zustand den Garaus macht. Und wer weiß? Auch die Türken, heute noch immer wieder gern als Problembürger herhalten müssend, haben öfters einmal die Chance ihren Usta (Meister) zu machen. Und keiner wundert sich mehr 'drüber. Nichtmal die „Bild“-Zeitung... |
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