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6. Todestag von Aziz NesinAm 6. Juli jährte sich der Todestag von Aziz Nesin - Satiriker, Autor und eine Instanz des öffentlichen Gewissens - zum sechsten Mal. Sein Werk, seine Streitbarkeit, aber auch seine Kinderstiftung sind nach wie vor unvergessen.
Aziz Nesin hat zu Lebzeiten mehr als 100 Bücher veröffentlicht. Zu seinen bekanntesten Aktivitäten im sozialen Bereich zählen seine Mitwirkung in der inzwischen leider geschlossenen Erwachsenenbildungseinrichtung BILAR sowie die Aziz-Nesin-Kinderstiftung in Catalca. Die Kinderstiftung, in der zur Zeit 24 Kinder leben, wurden 1972 mit dem Ziel gegründet, Kindern ohne Eltern oder solchen aus armen Familien die Chance zu geben, die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu haben, wie solche aus reichen Familien. Es fällt schwer, einen Einblick in das vielfältige Werk Nesins zu geben. Der Versuch, Vollständigkeit zu erlangen, entfällt angesichts der Zahl der Werke. So möchte ich - um zumindest einen Eindruck zu ermöglichen - nur einige Auszüge aus dem Buch Der einzige Weg (veröffentlicht 1981, in deutscher Übersetzung 1995 im Unionsverlag erschienen) vorstellen. Den Helden dieses Romans lernte ich 1951 im Paschakapi-Gefängnis von Istanbul kennen. Er war ein notorischer Betrüger und hatte ein eindrückliches Vorstrafenregister. Wie viele Häftlinge war auch er ein meisterhafter Erzähler. Wenn die ausgedachten Erlebnisse bei seinen Zuhörern gut ankamen, verbesserte er sie, ließ etwas weg, fügte anderes hinzu, und gab dem Ganzen schließlich die bestmöglichste Form, so wie ein Schriftsteller mehrere Konzepte macht, die er dann bearbeitet. Seine wirkungsvollsten Schöpfungen erzählte er so oft, daß er zum Schluß selbst daran glaubte. Keine seiner Betrügereien stellte er in Abrede. Er bauschte sie sogar noch auf. Er sagte bloß immer: Mir blieb nur ein einziger Weg: Betrug ... So beginnt die Geschichte von Paschazade - dem Sohn eines Paschas - wie der Held des Romans von den Mitgefangenen genannt wurde. In den 380 Seiten starken Roman wird in Episoden das Leben des Paschazade vorgestellt: Eine Homage an die Fabulierkunst und den Sieg der Phantasie über eine widrige Wirklichkeit. Einer meiner Freunde hatte in Pendik am Ufer des Marmara-Meeres
ein Lokal eröffnet. Als ich eines Abends hinging, sah ich Paschazade
dort als Oberkellner arbeiten. In seinem schwarzen Anzug mit dem gestärkten
weißen Oberhemd und der schwarzen Fliege ähnelte er mehr einem
Diplomaten als einem Oberkellner. Als er mich sah bekam er große
Angst und flehte mich an, seinem Chef nichts zu verraten. Wo immer er
eine Arbeit aufnahm, kam irgendwann heraus, wer er war, oder Polizisten
erkannten ihn, und dann wurde er stets sofort entlassen. Er ahbe das elende
Leben satt, sagte er mir, er wolle in diesem Alter nicht noch einmal ins
Gefängnis. Angesichts der weiter steigenden Zahl türkischer Literatur in deutscher Übersetzung bleibt zu hoffen, daß weitere Werke Nesins dem deutschen Lesepublikum zugänglich werden.
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