| ||||
Jetzt kostenlos! | ||||
Türkische KriminalromaneVielen gelten Kriminalromane nach wie vor als "banale" Literatur und trotzdem erfreut sich das Genre nach wie vor großer Beliebtheit bei Autoren und Lesern. Dabei ist der Kriminialroman im Grunde eine äußerst formale Angelegenheit. In der Regel geht es - meist aus der Sicht eines Ermittlers - um die Aufdeckung eines Mordes, des Täters und der Begleitumstände. Dabei hat sich ein bestimmter Erzählstil herausgebildet, der sich wie ein roter Faden durch die meisten Krimis zieht, die ich bisher gelesen habe und den ich am besten mit "nüchtern" umschreiben kann. Das Dedektive in der Regel Außenseiter und Einzelgänger sidn, gehört mit zum Genre und hat zu mancherlei psychologischen Spekulationen geführt. Ein durch die Gattung "Krimi" gesetzter Handlungsrahmen, eine typische Erzählweise und typische Figuren - welche Art von Überraschung kann da schon die Neugierde bzw. das Leseinteresse wecken? In manchen Krimis wird sogar die Möglichkeit angezweifelt, angesichts sovieler bereits erzählter Mordgeschichten, noch neue zu erfinden. Dennoch hat die Gattung nichts von ihrer Faszination eingebüßt und erfreut sich - auch bei mir - nach wie vor großer Beliebtheit. Für mich kann ich sagen, daß zumindest ein Reiz in der nüchternen Erzählweise liegt. Doch neben der Erzählweise - was "nüchtern" eigentlich auch nahelegt - ist es vor allem was erzählt wird. Nicht so sehr die Mordgeschichte. Es gehört zu den Gewißheiten, daß es eine Lösung gibt. Es sind vielmehr die Handlungsorte, die Milieuschilderungen und die daraus folgende Handlungslogik. Und mit Logik hat der Kriminalroman in der Regel viel zu tun. Um nun aber zum eigentlichen Thema zu kommen: türkische Kriminalromane. Das sind zunächst die Romane von Arjouni (z.B. "Happy Birthday Türke") und Pirincci ("Felidae"), die beide auf deutsch vorliegen bzw. auf deutsch geschrieben sind. Türkische Kriminalromane? Wohl nur mit Hinweis auf die Abstammung der Autoren. Andererseits sind gerade in den letzten Jahren wieder eine Reihe neuer Krimiautoren in der Türkei aufgetaucht. Autoren wie Ahmet Ümit, Celil Oker und Birol Oguz, um nur einige zu nennen. Bei den beiden letztgenannten ist die Nähe zum amerikanischen Krimi nicht zu leugnen. Aber so sehr hier auch die Regeln des Genres beachtet wurden - die Romane haben ihre Schauplätze in der Türkei, spiegeln türkischen Alltag und beinhalten lebendige Milieuschilderungen. Die Romane von Ahmet Ümit sind demgegenüber vielschichtiger. Insbesondere sein "Patasana"-Roman hat eine historische, eine zeitgeschichtliche und eine dedektivische Dimension und sperrt sich streckenweise gegen den strikten Krimiverlauf.
Ahmet Ümit (OM-Verlag) Die Geschichte eines Geheimdienstmitarbeiters, der angeschossen wurde. Ein Familienvater auf der Suche nach seiner Geliebten. Eine zum Teil abstoßend realistische Schilderung von Polizeimethoden. Ein tragisches Ende. Interessant fand ich an diesem Roman zunächst, daß hier versucht wird, den Alltag türkischer (Geheim-)Polizei zu schildern. Über den Realismusgehalt kann ich mir kein Urteil erlauben - doch wirkt das Milieu stimmig. Tritt bei den meisten Kriminalromanen eine Identifikation mit dem Ermittler auf, so ist es Ahmet Ümit gelungen, eine Figur zu schaffen, in die man sich zwar hineindenken kann, die aber soviele Ecken und Kanten hat, daß eine einfache Identifikation ausbleibt. Da sind zunächst zwei Geschichten, die parallel erzählt werden und schließlich zusammenlaufen. Die eine Geschichte ist die des Patasana, Hofschreiber in einem hethitischen Stadtstaat, der durch die Sumerer vernichtet wird. Die Geschichte wird auf Tontafeln erzählt, die von einem Archäologenteam ausgegraben wird. Und dann ist da die Geschichte des Archäologenteams irgendwo im Südosten der Türkei, das mit einer ganzen Reihe von Morden konfrontiert wird, die im Zusammenhang mit der Ausgrabung zu stehen scheinen. Eine weitere Hauptfigur ist der Jandarma-Offizier Esref, der nach wie vor unter seinen Kriegserfahrungen leidet. Die Erzählstränge verbinden sich am Buch zu einer Gesamthandlung, ohne daß ich den Eindruck hatte, daß hier versucht wurde, ein Lehrwerk zu schaffen. Im Gegenteil - die Diskussion beim Abendessen der Archäologen über die Deportation der Armenier oder auch die Schilderung des Jandarma-Offiziers Esref werfen Schlaglichter auf die aktuelle Türkei, die zu weiterem Nachdenken anregen, ohne platt eine bestimmte Position nahezulegen.
Celil Oker (Dogan Verlag) Ciplak Ceset / Bin Lotluk Ceset / Rol Calan Ceset Der Dedektiv trägt den Namen Remzi Ünal, ist ehemaliger Pilot, heutiger Privatdedektiv mit einer Leidenschaft für Aikido und den Microsoft Flugsimulator. Er verkörpert die Figur des einsamen Wolfs in der Großstadt und hat mich immer wieder an Chandlers Marlowe erinnert. Aber eine gelungene Umsetzung, denn die Handlung entfaltet sich in den großstädtischsten Quartieren Istanbuls und dies bringt es mit sich, daß Remzi Ünal eine türkische Version westlichen Lebens mit seinen vielfältigen Facetten verkörpert. Die drei von 1999 bis 2001 erschienen Romane halten sich sehr strikt an die Regeln des Kriminalromans und haben einen recht ähnlichen Aufbau. Der Sprachstil ist bewußt lässig, von großer Distanz zu sich selbst und der Handlung geprägt. Die Konstruktion einer Lebensweise in Romanform.
Birol Oguz (Dogan Verlag) Der Roman hat eine Dediktivin zur Heldin. Der Handlungsrahmen greift Elemente des Geheimdienstromans auf, ist aber im Zentrum auf den Schmuggel von Antiquitäten konzentriert. Auch hier gibt es wieder eine Menge von Schlaglichtern auf die aktuelle Türkei zu entdecken. Ein spannend erzählter Roman zwischen Istanbul und Fethiye - ideal für einen Sommerurlaub.
|
Ahmet Ümit (OM-Verlag) Celil Oker (Dogan Verlag) Ciplak Ceset / Bin Lotluk Ceset / Rol Calan Ceset Birol Oguz (Dogan Verlag)
|