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Mit großer Selbstverständlichkeit wurden die Einsprüche gegen eine dritte Kandidatur von Staatspräsident Erdoğan abgelehnt. Eine inhaltliche Begründung gab der Hohe Wahlrat, gegen dessen Entscheidung keine Widerspruchsinstanz besteht, nicht ab. Nun wird die Präsidentschaftswahl also mit vier Bewerbern stattfinden. Die Zulassung der beiden unabhängigen Kandidaten Muharrem Ince und Sinan Oğan macht es Umfragen zufolge wahrscheinlicher, dass es zu einem zweiten Wahlgang kommt. Die Stichwahl wird erforderlich, wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der Stimmen bekommt. Sollten Ince und Oğan mehr als fünf Prozent erhalten, ist dies wahrscheinlich.
İbrahim Kiras warf in seiner Kolumne in der Tageszeitung Karar die Frage auf, was die Lage des heutigen Staatspräsidenten vom damaligen Ministerpräsidenten Ecevit unterscheidet. Dieser musste mit ansehen, wie seine Partei bei der Parlamentswahl auf ein Prozent abfiel. Zuvor hatte es das Marmara Erdbeben gegeben und die Wirtschaftskrise von 2001. Auch heute hat die Regierung ein katastrophales Erdbeben und gleich mehrere Wirtschaftskrisen hinter sich. Gleichwohl wird keine erdrutschartige Wählerbewegung bei den Wahlen am 14. Mai erwartet.
Kiras weist zunächst darauf hin, dass die DSP über eine geringe Stammwählerschaft verfügte. Sie hatte bei den Wahlen von1999 einen enormen Stimmenanstieg erzielt, doch war es ihr nicht gelungen, diese Wählerinnen und Wähler dauerhaft an sich zu binden. Ganz anders die AKP, die 20 Jahre hindurch die Zeit genutzt hat, um diese Bindung zu vertiefen. Hinzu kommt, dass in der Schlussphase der Ecevit Regierung sich dessen Gesundheitszustand verschlechterte und die Frage aufkam, ob er dieser Aufgabe überhaupt noch gewachsen sei. Ähnliche Einwände gibt es beim jetzigen Amtsinhaber nicht.
Es gibt vermutlich noch weit mehr Faktoren, die zur Treue der AKP-Anhängerschaft beitragen. Ein Aspekt ist beispielsweise die Kompetenzerwartung. In einigen Umfragen liegt die Erwartung, dass nur Staatspräsident Erdoğan und die AKP die Probleme des Landes lösen könnten, vor der gegenüber der Opposition. Hinzu kommt die Medienkontrolle, nachdem die größten Zeitungen und Sender von regierungsnahen Holdings übernommen wurden. Und trotz seines Alters stellt sich Erdoğan als starker Mann dar. Es ist darum wohl nicht nur Eitelkeit, die ihn auf Plakaten deutlich jünger wirken lassen, als er tatsächlich aussieht. Und dann gibt es noch das Wählerprofil. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Bildungs- und Einkommensniveau zur Wahrnehmung der aktuellen Lage des Landes und zur Zufriedenheit mit der Regierung. Geringes Einkommens- und Bildungsniveau sind überdurchschnittlich mit Unterstützung von Staatspräsident Erdoğan verbunden. Dieser wiederum hat sein Möglichstes getan, um durch Erhöhung des Mindestlohns und der Mindestrente sowie die Verabschiedung des Vorruhestandsgesetzes die Krisenwahrnehmung der Bevölkerung zu entschärfen.
Die irakische Zentralregierung hatte die internationale Schiedsstelle angerufen, als die Türkei begann ohne ihre Zustimmung Erdöl über eine Pipeline vom nordirakischen kurdischen Autonomiegebiet zum türkischen Hafen Ceyhan zu transportieren. Die internationale Schiedsstelle kam zu dem Schluss, dass damit gegen den Vertrag über die Pipeline verstoßen wurde. Für den Zeitraum 2014-2018 wurde darum ein Bußgeld in Höhe von 1,5 Mrd. Dollar zuzüglich Zinsen verhängt. Ein weiteres Verfahren über den Folgezeitraum ist noch nicht entschieden.
Mehmet Y. Yılmaz schätzt in seiner Kolumne bei der Nachrichtenplattform T24 die Höhe des Bußgeldes auf 3,5 Mrd. Dollar, wenn man Zinsen und ein mögliches Bußgeld für den Folgezeitraum berücksichtigt. Außerdem verweist er auf die politischen Hintergründe. Die Entscheidung für das Öl-Geschäft mit dem kurdischen Autonomiegebiet fällt in die Zeit, in der Berak Albayrak Energieminister war. Er verweist auf das Buch des Journalisten Tolga Tanış „Potus ve Beyefendi“, in dem dieser ausführt, dass der Transport von nordirakischem Öl zuvor von dem türkischen Unternehmen Powertrans durchgeführt wurde. Berat Albayrak wiederum erscheint als einer der Teilhaber des Unternehmens. Später wurde ein Cousin Generalkoordinator des Unternehmens. Zudem gibt es Behauptungen, dass die Menge transportierten Erdöls zu niedrig registriert werde. Die Differenz würde zwischen Firmen in der Türkei und im Nord-Irak geteilt.
Doch auch ohne diese kriminelle Dimension stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung für das hohe Bußgeld, das nun gezahlt werden muss. Das türkische Energieministerium dagegen sieht keinen Grund, nach Verantwortlichen zu suchen. Vier der fünf Anträge der irakischen Zentralregierung seien zurückgewiesen worden. Auch müsse der Irak ebenfalls ein Bußgeld an die Türkei zahlen. In welcher Höhe wurde in der Stellungnahme nicht genannt.
Eine andere Dimension ist das politische Gleichgewicht zwischen der kurdischen Autonomieregierung und der irakischen Zentralregierung. Der Direktexport von Erdöl dürfte einen nicht unbedeutenden Teil des Haushalts des irakischen Autonomiegebietes darstellen. Neue Konflikte sind dementsprechend vorprogrammiert.
Greenpeace hat sich mit den Abriss- und Aufräumarbeiten nach den Erdbeben vom 6. Februar 2023 beschäftigt. Die Organisation geht davon aus, dass bis zu 110 Mio. Tonnen Bauschutt anfallen. Schon bald nach Beginn der Arbeiten teilte der Minister für Umwelt und Stadt mit, dass natürlich alle Vorschriften eingehalten und der anfallende Bauschutt regulär entsorgt würde. Auch würde man einen bedeutenden Teil recyceln. Doch wie leicht nachvollziehbar, war dem nicht unbedingt so. Zunächst mussten Straßen geräumt und Gefahren beseitigt werden und die Kapazität der bestehenden Deponien reichte nicht aus. Mancherorts traf es ein Naturschutzgebiet, andernorts wurde Bauschutt in Bachbetten geschüttet. Dann musste dies nach Beschwerden wieder beseitigt werden.
Die größte Gefahr geht dabei von der Staubbelastung aus. Das bekannteste Problem ist Asbest, der in vielen Gebäuden verwendet wird. Es gibt aber auch noch andere giftige Baustoffe. Asbest wurde 2010 als Baustoff verboten, doch bis dahin nicht nur auf Dächern, sondern auch in Rohren oder Stromleitungen als Isolator verwendet. Es wird davon ausgegangen, dass rund die Hälfte der Gebäude im Erdbebengebiet ein Asbestrisiko trug.
Ein anderes Problem ist, dass Bauschutt ohnehin aus einer Vielzahl von Materialien besteht, was die Wiederverwendung bedeutend erschwert. Weil ein Großteil der Gebäude entweder bereits zusammengebrochen ist oder nicht mehr betreten werden kann, ist eine Trennung von Materialien nicht mehr möglich. Angesichts der enormen Mengen anfallenden Schutts müssen neue Deponien geschaffen werden und diese müssen auch den Anforderungen des Grundwasserschutzes genügen. Wie viel davon verwirklicht wird, werden wir vermutlich erst in den nächsten Jahren erfahren.
Ab April soll die Mindestrente 7.500 TL betragen. Dass nur drei Monate nach der letzten Erhöhung der Mindestrente eine neue erfolgt, hängt vermutlich auch mit den Wahlen zusammen. Doch eine technische Einzelheit zeigt, dass dies dazu führen könnte, dass der gesetzlich vorgeschriebene Inflationsausgleich im Juli für viele Rentnerinnen und Rentner mit geringem Einkommen wohl zu einer Enttäuschung führt. Der Inflationsausgleich wird auf die eigentliche Rente gezahlt. Die aktuelle Aufstockung erhöht nicht die eigentliche Rente, sondern ist eine Zusatzzahlung des Schatzamtes. Wer also eigentlich eine Rente von 4.000 TL beziehen müsste, erhält einen Zuschuss von 3.500 TL. Würde nun im Juli ein Inflationsausgleich um 40 Prozent vorgenommen, so läge die Rente nach wie vor unter der Mindestrente. Es verringerte sich nur der Zuschuss durch das Schatzamt und die Anspruchsberechtigten erhielten weiter 7.500 TL. Natürlich kann im Juli politisch auch anders entschieden werden. Doch da sind die Wahlen vom 14. Mai längst vorbei.
In sechs Wochen wird gewählt und in den meisten Umfragen liegt die Opposition vorn. Käme es zu einem Regierungswechsel, so wären damit bedeutende Veränderungen verbunden – selbst wenn die Opposition keine verfassungsändernde Mehrheit erhielte. Interessant ist aber auch die wirtschaftliche Dimension. Ein Beispiel ist die Aussage der staatlichen Ziraat Bank im Parlamentsausschuss für öffentliche Unternehmen.
2018 hatte die Demirören Gruppe einen Kredit in Höhe von 800 Mio. Dollar für den Erwerb der Doğan Medienholding erhalten. Durch einen Bericht des Rechnungshofes war bekannt geworden, dass die Demirören Gruppe mit ihrer Rückzahlungspflicht in Verzug geraten ist. Darum wurde der Kredit umgeschuldet. Nun teilt der Geschäftsführer der Ziraat Bank dem Ausschuss für öffentliche Unternehmen mit, dass die Demirören Gruppe bis zur Refinanzierung des Kredites insgesamt 586 Mio. TL zurückgezahlt habe. Legt man den heutigen Dollar-Kurs zugrunde, beläuft sich die Schuldsumme jedoch auf 17 Mrd. TL. Es gibt wenig Grund zum Zweifel, dass sowohl die Kreditvergabe als auch die spätere Toleranz gegen den Zahlungsverzug politisch motiviert war. Sollte die Regierung wechseln, sind Unternehmen wie die Demirören Gruppe äußerst anfällig.
Vielleicht liegt es an der bevorstehenden Wahl, vielleicht hat man es sich auch nur anders überlegt. Das Handelsministerium hatte am 28. Februar angekündigt, dass der Mindestwert für importierte Handys auf 350 Dollar angehoben werde. Die Erhöhung um 100 Dollar hätte im Niedrigpreissegment zusammen mit den anderen Steuern dazu geführt, dass eine Preissteigerung von mehr als 1.000 TL erwartet wurde, die am 30 März in Kraft treten sollte. Am 29. März veröffentlichte das Handelsministerium im Staatsanzeiger, dass diese Erhöhung gestrichen wurde. Nur dass bis dahin viele vermutlich den Kauf ihres Handys vorgezogen haben, um der Preiserhöhung zu entgehen…
Das Türkische Statistikinstitut hat die Außenhandelsdaten für Februar bekannt gegeben. Demnach ist der türkische Export im Februar 2023 um 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken, während der Import um 10,1 Prozent anstieg. Das Erdbeben hatte in zweifacher Weise Auswirkungen auf den Außenhandel. Zum einen wurde die Produktion in den elf betroffenen Provinzen verhindert, doch wichtiger noch war, dass tausende LKW, die sonst im Export eingesetzt wurden, für den Transport von Hilfsgütern benötigt wurden. Auch wenn diese Wirkungen in den folgenden Monaten nachlassen werden, so führt das ambitionierte Wiederaufbauprogramm der Regierung zu neuem Importbedarf.