Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen
Zwei Tage vor der Wahl befinden sich die Parteien im Endspurt. Das der Wahlkampf dadurch an Niveau gewönne, wäre jedoch ein Irrtum. Es dominieren Versuche, den politischen Konkurrenten ins schlechte Licht zu stellen. Und obgleich die Wahl noch bevorsteht, häufen sich die Kommentare, die die politische und wirtschaftliche Auswirkung analysieren.
Im vergangenen Jahr wurde zur Beschleunigung der Stadtsanierung im Hinblick auf den Katastrophenschutz eine Gesetzesänderung vorgenommen. Eine Bestimmung sieht vor, dass alle Gebäude, die in einer als Sanierungsgebiet ausgerufenen Fläche liegen, abgerissen werden können, selbst wenn sie nicht beschädigt sind. Nach dem Erdbeben vom 6. Februar 2023 waren die stehen gebliebenen Gebäude begutachtet worden und wurden in die Kategorien „leicht“, „mittel“ und „stark“ beschädigt eingestuft. Stark beschädigte Gebäude werden unverzüglich abgerissen. Für Gebäude mit mittleren Schäden muss binnen eines Jahres ein Antrag auf Behebung der Baumängel gestellt werden. Die Frist dazu läuft am 5. April 2024 ab.
Für Hausbesitzer ergibt sich nun ein Dilemma. Die Deklaration von Grundstücken zum Sanierungsgebiet ist nicht abgeschlossen. Entscheidet sich heute ein Hausbesitzer zu einer Sanierung seines im mittleren Grad beschädigten Gebäudes, so kann es morgen einem Sanierungsgebiet zugeschlagen und trotzdem abgerissen werden. Wie diese Rechtsunsicherheit behoben werden kann, bleibt offen.
Einem Bericht der Wirtschaftsplattform ekonomim zufolge ist die Zahl von Zurückweisungen von Visumsanträgen für den Schengen Raum stark angestiegen. Lag die Zurückweisungsquote 2014-2016 bei vier Prozent, so stieg diese 2022 auf 17,6 Prozent. Es wird davon ausgegangen, dass diese im vergangenen Jahr weiter gestiegen ist. Zugleich ist die Wartezeit auf einen Termin für die Visumsbeantragung kontinuierlich gestiegen. Auf der anderen Seite ist die Türkei das Land mit den meisten Anträgen auf Schengen Visa.
Zwar betrifft diese Entwicklung alle Antragstellenden, doch beginnt sich in Wirtschaftskreisen der Protest zu organisieren. Die zunehmende Zurückweisung von Visa für LKW-Fahrer führt beispielsweise zu Problemen und Wettbewerbsnachteilen für türkische Logistik- und Speditionsunternehmen. Auch für Geschäftsleute ist die Visums-Hürde ein Hindernis, mit dem sich ihre europäischen Konkurrenten nicht herumschlagen müssen.
Der Vorstandsvorsitzende der Erdemoğlu Holding İbrahim Erdemoğlu hatte angeregt, durch eine Besteuerung des Vermögens von einem Prozent die Finanzierung der Erdbebenschäden des vergangenen Jahres zu finanzieren. Er geht davon aus, dass auf diese Weise 150 Mrd. Dollar aufgebracht werden könnten. Bleibt anzumerken, dass in vielen Ländern führende Geschäftsleute anregen, die Steuerlast für „Reiche“ zu erhöhen und so zur Steuergerechtigkeit beizutragen.
Der Ökonom Mahfi Eğilmez hat sich mit diesem Vorschlag auseinandergesetzt. Zunächst weist er darauf hin, dass in der Regel eine Besteuerung des Vermögens eine vorübergehende Ausnahmesteuer ist, um die Folgen von Krieg, Krise oder Naturkatastrophen zu bewältigen. Weltweit gibt es nur wenige Länder, in denen Varianten dieser Steuer angewendet werden. Es handelt sich durchweg um europäische Industrienationen. Der Grund dafür ist naheliegend. In Entwicklungs- und Schwellenländern mit meist einer ausgedehnten Schattenwirtschaft ist die Feststellung des Vermögens weitgehend unmöglich. Ohnehin würde die Eindämmung der Schattenwirtschaft in der Türkei bereits für sich genommen einen bedeutenden Teil der Finanzprobleme lösen. Ein zweites Standbein zur Überwindung des Haushaltsdefizits sollte zudem der Verzicht auf unnötige Ausgaben sein. Letzteres wiederum ist nicht nur ein wirtschaftliches Gebot, sondern würde die Akzeptanz für das Steuerwesen beträchtlich erhöhen.
Die Sache hat natürlich einen Haken. Die Schattenwirtschaft ist nicht nur ein Weg, sich zu bereichern. Für zahlreiche Gewerbe und Industrien ist sie eine Nische, die Unternehmen das Überleben sichert, da sie mit ihrem Geschäftsmodell, ihrer Ausstattung und ihren Einkaufskosten sonst nicht wettbewerbsfähig wären. Eine wirksame Politik zur Eindämmung der Schattenwirtschaft müsste mit Programmen ergänzt werden, die zumindest die rettbaren Unternehmen soweit entlastet, dass sie sich weiter entwickeln können.
Der Beschuss von Frachtschiffen entlang der jemenitischen Küste hat eine der wichtigsten Transportrouten zwischen Asien und Europa weitgehend lahmgelegt. Dies hat nicht nur zu einer zeitlichen Verlängerung der Transporte geführt, sondern auch die Frachtkosten spürbar erhöht. Zwei türkische Reedereien haben Alternativrouten entwickelt, die beide Faktoren auffangen. Das Ergebnis ist, dass in einigen türkischen Häfen sich das Frachtaufkommen verdoppelt hat. Die beiden Reedereien verfügen nun über eine Nachfrage, die sie in die Lage versetzt, sich nach neuen Schiffen umzuschauen. Flexibilität wird als eine der Stärken der türkischen Geschäftswelt herausgestellt. Sie ist angesichts der beständigen Ungewissheit des türkischen Marktes zugleich auch eine Voraussetzung für das Überleben…
Ümit Akçay bewertet für die Nachrichtenplattform Gazete Duvar die Zinserhöhung der Zentralbank in der vergangenen Woche als ein Eingeständnis eines Misserfolgs der bisherigen Politik zur Inflationsbekämpfung. Auch Alaattin Aktaş vom Wirtschaftsportal ekonomim kommt in etwa zum selben Schluss, wenn er erläutert, dass der in der zweiten Jahreshälfte erwartete Rückgang der Inflation nicht auf einem tatsächlich erwartbaren Nachlassen der Preissteigerungen beruht. Es sind vielmehr die hohen Anstiegsraten des Vorjahres, die die Jahresinflation senken. Wiederum bei ekonomim setzt sich Fatih Özatay mit dem verfolgten Programm auseinander. Er legt dar, dass die Kontrolle der Devisenkurse von zentraler Bedeutung für die Inflationsbekämpfung ist. Ist es also sinnvoll, Zentralbankreserven einzusetzen, um die Türkische Lira stabil zu halten? Betrachtet man die Ursache für den Druck auf die Landeswährung, so sind auf der einen Seite die Deviseneinnahmen unzureichend, auf der anderen Seite die Nachfrage nach Devisen zu hoch. Dies wird verstärkt durch die Nachfrage aufgrund der Erwartung, dass – wie im vergangenen Jahr – die Türkische Lira nach den Wahlen stark an Wert verlieren wird.
Özatay verweist darauf, dass es nicht ausreicht, die Zinsen zu erhöhen. Es müssten breitere Reformen vorgesehen werden. Er führt dazu fünf Punkte an, die sich seiner Ansicht nach auch ergänzen ließen. Er zählt auf: Eine schnelle und gerechte Justiz. Unabhängigkeit von Zentralbank, Bankenaufsicht und Statistikinstitut. Ein neues Gesetz für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Transparenz. Berufungen nach Eignung und nicht politischem Kalkül.
Trützschler ist eine bekannte Marke für Textilmaschinen. Sie ist für die Entwicklung einer Technologie für das Recycling von Textilabfällen, die bei der Konfektion anfallen, mit dem türkischen Hersteller von Textilmaschinen Balkan Inc. eingegangen. Zusammen haben sie ein fertigungsbereites System entwickelt, mit dem Schnittabfälle in Fasern zurückverwandelt werden, die wieder zu neuen Garnen versponnen werden können. Der Nutzen ist immens: der Bedarf an Fasern wird gesenkt, der Abfall verringert, Kosten werden gesenkt und die Umweltbelastung reduziert. In der Pressemitteilung von Trützschler wird auf eine indische Textilfabrik hingewiesen, die das System einsetzt. Es liegt auf der Hand, dass es auch für die Türkei von hohem Nutzen sein kann, weil es nicht zuletzt die Importabhängigkeit von Rohstoffen verringern kann.
Der Krieg in der Ukraine und die westliche Unterstützung haben zu einem enormen Munitionsbedarf geführt. Einem Bericht von Bloomberg zufolge scheint dies auch der türkischen Rüstungsindustrie zu Gute zu kommen. In diesem Jahr könnte die Türkei zum wichtigsten Lieferland für 155mm Artilleriegranaten für die USA werden. Neben fertiger Munition ist auch der Bedarf an Explosivstoffen gestiegen, die ebenfalls in der Türkei hergestellt werden.
Aufgrund verschiedener Embargos hat die türkische Regierung seit Jahrzehnten auf den Ausbau der Rüstungsindustrie gesetzt, um von internationalen Zulieferungen unabhängiger zu werden. Ein weiterer Faktor ist, dass mit der Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens sowie der Freigabe des Verkaufs von F16-Kampfflugzeugen an die Türkei zwei Themen erledigt sind, die die bilateralen Beziehungen belastet haben.
Die Lebensmittelpreise galoppieren weiter vor sich hin. Einige Gemüsesorten wie z.B. Paprika werden für 90 TL/kg verkauft, eine Avocado für 56 TL. Handel und Gastronomie haben darum neue Verkaufsstrategien entwickelt. Nach den Baklava ohne Füllung und dem Tost ohne Käse wurde nun ein 10er Pack 10ml Flaschen mit kaltgepresstem Olivenöl auf den Markt gebracht. Der Verkaufspreis beträgt knapp 90 TL, d.h. der Liter liegt bei 900 TL.