Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen
Während der Ramadan Feiertage hatte der CHP-Vorsitzende Özel ein Gespräch mit Staatspräsident Erdoğan angeregt. Angesichts der tiefen Fronten und einer meist polemischen Auseinandersetzung war es eine Neuerung, dass dieser auf das Gesprächsangebot einging. Noch steht der Termin nicht fest, doch beide Seiten versichern, dass es genügend Gesprächsbedarf gäbe. Die Erwartungen über die direkten Ergebnisse eines solchen Gesprächs sollten bescheiden sein. Doch wenn es ein Einstieg in eine konstruktivere Kommunikation wäre, bedeutete es einen wichtigen Fortschritt.
Am 17. April 2024 war das Urteil im Kobane Prozess erwartet wurden. Angeklagt sind der frühere Vorstand der HDP sowie des Parteirates wegen der Unruhen beim Opferfest 2014, weil sie zu Demonstrationen gegen die Nichteinmischungspolitik der türkischen Regierung beim Kampf um Kobane. Das Urteil wurde jedoch auf Mai verschoben.
Bezüglich des bekanntesten Angeklagten, den früheren HDP-Co Vorsitzenden Selahattin Demirtaş hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits geurteilt und das Strafverfahren in der Türkei verworfen. Er fordert seit Jahren dessen Freilassung. Dies gilt ebenso für Osman Kavala, der wegen der Gezi Park Proteste mit dem Vorwurf, einen Staatsstreich versucht zu haben, zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Nun hat das holländische Parlament beschlossen, eine Zustimmung zur Aktualisierung der Zollunion zwischen der Türkei und der EU von der Freilassung beider Gefangener abhängig zu machen. Wenn also der Sanktionsmechanismus des Europarates nicht in Gang gesetzt wird, gibt es auch nationale Sanktionsmechanismen.
Auf der anderen Seite ringt die EU um eine Türkei-Politik. Beim jüngsten Gipfel sollte wieder Bewegung in die zähen Beziehungen gebracht werden. Grundsätzlich hatten sich die Staats- und Regierungschefs bereits darauf geeinigt, dass Fortschritte in den Beziehungen an Kriterien geknüpft werden sollten. Sollte es in einem Bereich zu Verschlechterungen kommen, sollen eingeräumte Vorteileauch wieder zurückgenommen werden. Im Raum stehen dabei konkret Visumserleichterungen sowie die Modernisierung der Zollunion. Dass der Einstieg in die Verhandlungen darüber beim Gipfel nicht beschlossen, sondern an den Rat der ständigen Vertreter der EU abgegeben wurde, hat auf türkischer Seite für Verstimmung gesorgt. Dass außerdem beide Fragen mit der Haltung der türkischen Regierung zu Zypern-Verhandlungen verknüpft wurden, hat zu einer Stellungnahme des türkischen Außenministeriums geführt. Im Hinblick auf die Anliegen der EU werde man das Gegenseitigkeitsprinzip anwenden. Und es sei inakzeptabel, die vielen Dimensionen der Beziehungen zwischen der Türkei und der EU auf den Zypern-Konflikt zu reduzieren.
Olaf Scholz dagegen erklärte im Anschluss an den Gipfel seine Erwartungen zur Erneuerung des Flüchtlingsabkommens und verband dies mit Verhandlungen über Visumserleichterungen. Beim ersten Flüchtlingsabkommen war noch Visumsfreiheit zugesagt worden. Und wann es zu Gesprächen über Visumserleichterungen kommt, bleibt durchaus offen. Es wirkt darum ein wenig einseitig, wenn Bundeskanzler Scholz von der Türkei als „schwierigen Partner“ spricht.
Beide Städte waren bei der Kommunalwahl von der DEM gewonnen worden. Verwundern tut es nicht. Beide Städte werden seit Jahrzehnten von kurdisch orientierten Parteien dominiert. Die letzten fünf Jahre wurden ihre Bürgermeister abgesetzt und Zwangsverwalter eingesetzt. Nun teilt Innenminister Yerlikaya mit, dass er Ermittlungen wegen der Eröffnungsversammlung der Stadträte in beiden Städten eingeleitet hat. In Diyarbakır soll die türkische Fahne aus dem Sitzungsraum entfernt worden sein. Ein Sprecher der Metropole wies dies zurück. In Mardin soll die Sitzung ohne Absingen der Nationalhymne eröffnet worden sein.
Die Wahl des Präsidenten des Kassationsgerichtshofes erfordert die Zustimmung von mehr als der Hälfte aller Richter am Gerichtshof. Dieses Jahr hat die Wahl am 25. März begonnen. Der Rekord an Wahlgängen wurde 2008 mit 95 Wahlgängen erreicht. Dies hatte zwei Monate gedauert.
Zurzeit bewerben sich drei Richter um die Präsidentschaft. Mehmet Akarca hat die Präsidentschaft inne und will wieder gewählt werden. Ihm stehen Ömer Kerkez und Muhsin Şentürk gegenüber. Letzterer gehört zu den Richtern, die trotz eines gegensätzlichen Urteils des Verfassungsgerichts Can Atalay die parlamentarische Immunität abgesprochen haben. Um die beiden anderen Richter verbinden sich verschiedene Fraktionen der Richterschaft. Manche Kommentatoren gehen davon aus, dass die Wahl bisher nicht entschieden wurde, weil weder das Präsidentenpalais noch das Justizministerium die Richtung vorgegeben haben.
Mehr als zwanzig Wahlgänge deuten auf eine Fraktionierung in der Richterschaft hin. Das Wahlsystem zwingt zu einer Verständigung.
Auch in Kastamonu hat der CHP-Kandidat gewonnen. Zu einer seiner ersten Amtshandlungen gehörte wohl eine Überprüfung der Ausgaben. Nun gab Bürgermeister Baltacı bekannt, dass das Abonnement der regierungsnahen Tageszeitungen Yeni Şafak, Türkiye und Sabah eingestellt wird. Bisher hat die Stadt dafür 426.230 TL bezahlt. Die Abos für Lokalzeitungen würden überprüft, kündigte er an.
Für die regierungsnahen Medien stehen wohl schwierigere Zeiten bevor. Nicht nur Abonnements, sondern auch bei den Werbeanzeigen waren die AKP und MHP-geführten Kommunen wichtige Kunden. Vermutlich wird dies den Rückgang der Print-Medien beschleunigen.
Viele Städte haben bei der Kommunalwahl eine neue Führung erhalten. Unmittelbar nach der Amtsübergabe jedoch treten die neuen Bürgermeister an die Presse und zeigen sich überrascht, dass die Kassen leer sind und ungeheure Kreditschulden bestehen. Es wirkt ein wenig überraschend, denn Kommunen arbeiten mit Haushalt und Rechenschaftsberichten. Entweder ist dem Stadtrat im vergangenen Jahr ein falscher Abschluss vorgelegt worden oder aber die Überraschung ist fehl am Platze.
In der Wirtschaftszeitung ekonomim wurde ein Beitrag von Ahmet Arslan veröffentlicht, der sich mit der Haushaltsführung der Kommunen beschäftigt. Auf der Einnahmeseite kritisiert er, dass viele Kommunen ihnen zustehende Steuern nicht eintreiben, Liegenschaften nicht wirtschaftlich nutzen, aber auch dass außerhalb ihrer Entscheidungen die Regierung Entscheidungen trifft, die die Einnahmen der Kommunen verringern. Auf der Ausgabenseite kritisiert er unnötiges Outsourcen, d.h. die Vergabe von Aufgaben an Privatfirmen, Berater usw., die ohne weiteres auch durch kommunales Personal erledigt werden können. Er kritisiert außerdem, dass Kommunen mit Sozialprogrammen Aufgaben übernehmen, die eigentlich von der Regierung erfüllt werden müssten.
Grundsätzlich sind kommunale Entscheidungen für die Bevölkerung am deutlichsten spürbar. Und es ist in jedem Staat ein Problem, wie Aufgaben zwischen nationalen und kommunalen Verwaltungen verteilt werden. Besteht ein Missverhältnis zwischen Aufgaben und den Ressourcen, die zu ihrer Erfüllung vorhanden sind, kommt es zu Defiziten. Diese Defizite können durch Effizienz verringert, nicht aber aufgehoben werden.
Es ist beliebt, so wie jüngst in Denizli geschehen, einen Parkplatz voller überflüssiger Dienstwagen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Spannender dagegen ist wie Verfahren vereinfacht, Leistungen billiger erbracht werden können. So teuer der Luxus in der Ausstattung der Chefetage einer Kommune auch sein kann, desto wichtiger wäre wohl eine Strategie, wie die Schere zwischen dem Anstieg der Ausgaben gegenüber den Einnahmen verringert werden kann.
Am 23.09.2021 begann das große Experiment, in dem durch niedrige Zinsen das Wirtschaftswachstum gepuscht werden sollte. Doch ein extrem niedriger Zins, der angesichts der sprunghaft steigenden Inflation massive Verluste versprach, führte zu einem starken Anstieg der Devisennachfrage. Dies mündete in eine Abwertung der Türkischen Lira. Zur Stabilisierung der Währung wurden zwei Instrumente eingesetzt: Sparkonten in Türkischer Lira, die gegen Devisenschwankungen abgesichert wurden sowie verdeckte Stützkäufe der türkischen Zentralbank auf den Devisenmärkten. Anfangs wurden die Kosten für die devisenindexierten Sparkonten noch zwischen Zentralbank und Schatzamt aufgeteilt. Seit dem Sommer 2023 trägt die Zentralbank allein die Kosten und hat auf diese Weise im vergangenen Jahr einen Rekordverlust ausgewiesen. Im Zeitraum von zwei Jahren belaufen sich die Kosten allein für die devisenindexierten Sparkonten auf 48 Mrd. Dollar. Hinzu kommen noch die Aufwendungen für die verdecken Stützkäufe.
Natürlich kamen die 48 Mrd. Dollar Zinszahlungen nicht allen Bürger*innen zu Gute. Es ist vielmehr ein Vermögenstransfer, bei dem alle für die Einnahmen weniger zahlten. Zwar wollte man eigentlich die devisenindexierten Sparkonten beenden. Doch für diejenigen, die Devisen in TL anlegen, besteht die Schutzoption weiter. Sie wird auch weiterhin genutzt, denn das Vertrauen in die Geld- und Wirtschaftspolitik ist nach wie vor nicht wieder hergestellt.
In den sozialen Medien hat sich ein Boykott organisiert. Am 20./21. April soll man den Lokalen fernbleiben. Denn vielerorts sind die Preise für Essen und Getränke höher als in europäischen Ländern. Ohnehin gehört der Preisanstieg bei Lebensmitteln zu einem der wichtigsten Faktoren für die Inflation. Doch anscheinend wird er noch von dem der Gastronomie übertroffen.
Der Boykott-Aufruf hat zumindest in den Medien einige Diskussionen ausgelöst. Ob er Wirkung zeigt, wird sich an diesem Wochenende zeigen.