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Regierung und Opposition wetteifern darum, mit der syrischen Regierung ins Gespräch zu kommen, um möglichst bald eine Rücksiedlung der Flüchtlinge zu erreichen. Doch das dies in absehbarer Zeit nicht geschieht ist offensichtlich. Auch wenn sich Finanzminister Şimşek überzeugt zeigt, dass die Inflation von nun an beständig sinkt, sorgen die Zweifel an der veröffentlichten Inflationsstatistik für ein hohes Glaubwürdigkeitsdefizit.
Handelsminister Ömer Bolat brachte sich in die seit mehr als einer Woche wieder aufgeflammte Migrationsdiskussion ein. Aufgeflammt im wahrsten Sinne des Wortes, denn an mehreren Orten in der Türkei gab es Angriffe auf Geschäfte und Wohnungen von Syrern (oder Menschen, die man dafür hielt). Bolat sagte, dass wenn die 25.000 afghanischen Hirten der Türkei den Rücken kehrten, sei es mit der Viehzucht zu Ende. Ähnliche Stimmen sind auch aus einigen Industriezweigen zu hören, die auf die Arbeitskräfte angewiesen sind, die rechtlos weit unter dem Mindestlohn arbeiten.
Tatsächlich wird immer mal wieder berichtet, dass selbst außerordentliche Gehälter nicht ausreichen, um jemanden zu überzeugen, sich als Hirte zu verpflichten. Und auch in einzelnen Zweigen der Näherei und Schuhproduktion beispielsweise lassen sich Geschäfte nur machen, wenn Schwarzarbeit eingesetzt wird.
Aber natürlich ließen sich auch andere Lösungen denken. Wenn 25.000 afghanische Hirten für die Existenz der türkischen Viehhaltung überlebenswichtig sind, so könnte man ihnen ein Visum und eine Aufenthaltserlaubnis geben. Man könnte ihnen eine Arbeitserlaubnis und Sozialversicherung geben.
Mit der Schwarzarbeit in der Industrie dagegen verhält es sich anders. Hier wäre industriepolitisch abzuwägen, ob es nicht sinnvoller wäre, sich von einzelnen Fertigungszweigen zu trennen, die nur mit Dumpinglöhnen und Verletzung jeglicher Rechtsvorschriften (incl. Patent und Markenschutz) überlebensfähig sind.
Aber auch hier gibt es andere Beispiele: die Schuhindustrie in Izmir und die Möbelindustrie in Kastamonu haben sehr von der Zuwanderung syrischer Facharbeiter profitiert. Doch schaut man auf die Zahl der erteilten Arbeitserlaubnisse – für die es angesichts des Bleiberechts kein rechtliches Hindernis gibt – erfolgt auch diese Beschäftigung überwiegend als Schwarzarbeit.
Wollte man mehr Rationalität in die Migrationsdiskussion bringen, wäre wohl vor allem ein Umdenken erforderlich. Statt Rechtsvorschriften zu übersehen, könnten sie angewendet werden, wenn entsprechende politische Entscheidungen getroffen werden. Wenn also Facharbeiter oder Hirten fehlen und sich nur Ausländer dazu bereit finden bzw. qualifiziert sind, dann sollte dies mit regulärem Aufenthaltsstatus und offiziellen Arbeitsbedingungen erfolgen.
Auf seiner Rückreise vom Schanghai Gipfel erklärte Staatspräsident Erdoğan, dass er jederzeit bereit sei, den syrischen Präsidenten Asad nach Ankara einzuladen und er es begrüßen würde, wenn auch der russische Präsident Putin daran teilnehme. Auch der CHP-Vorsitzende Özgür Özel sieht Gesprächsbedarf, seine Partei kündigt an, dass er noch im Juli nach Damaskus reisen könnte. Kurz darauf erklärt die CHP, dass sie eine positive Antwort auf ihr Gesprächsersuchen erhalten habe.
Der Auslöser für den gestiegenen Gesprächsbedarf auf türkischer Seite ist nicht schwer zu finden. Ausgehend von Kaiseri hat es vor zwei Wochen zahlreiche Angriffe auf Syrer in der Türkei gegeben. Man möchte die 1,3 Mio. Syrer darum gern wieder loswerden. Dabei ist von „freiwilliger Rückkehr“ die Rede.
Es ist offensichtlich, dass die syrische Regierung kein Interesse an einer Wiederaufnahme hat. Der Besitz der Flüchtlinge wurde enteignet und hat vermutlich längst neue Eigentümer gefunden. Die Infrastruktur des Landes ist weitgehend zerstört. Und die Flüchtlinge sind politisch unzuverlässig.
Aus der Sicht der Flüchtlinge in der Türkei wiederum stellt sich neben der Frage der Sicherheit für Leib und Leben auch die Tatsache, dass sie sich in den mehr als zehn Jahren, die sie in der Türkei weilen, ein neues Leben aufgebaut haben. Warum sollten sie in Syrien wieder von vorn anfangen wollen?
Hinzu kommt die Präsenz türkischer Truppen in Syrien. Sie werden von der syrischen Regierung als Besatzer bewertet, die von ihnen unterstützten Milizen als Terroristen. Die türkische Regierung versucht zudem alle Bemühungen der Kurden in Nord-Syrien, eine teilweise Selbstverwaltung zu erreichen als „Gründung eines Terrorstaates“ zu verhindern. Die Präsenz türkischer Truppen in Syrien und der Status von Kurden und anderen ethnisch-religiösen Gruppen in Syrien sind keine Fragen, die durch ein einfaches Gipfelgespräch gelöst werden könnten. Es gibt nicht einmal Umrisse einer möglichen Lösung in der öffentlichen Diskussion.
Hinzu kommen die Präsidentschaftswahlen in den USA, die möglicherweise zu einer Änderung der Nahost-Politik der USA führen werden. Es ist unwahrscheinlich, dass ernsthafte Verhandlungen über die Zukunft Syriens vor dieser Wahl begonnen werden.
Nun wird also die Änderung des Tierschutzgesetzes, mit der die AKP Probleme mit Straßenhunden lösen will, doch noch ins Parlament eingebracht. Es hatte sich verzögert, weil die Idee, Hunde mit einer Spritze zu vergiften, zu Ablehnung in einem nicht unbeträchtlichen Teil der Öffentlichkeit geführt hatte.
Nach den bisher vorliegenden Informationen ist die geplante Gesetzesänderung schlimmer als zunächst angenommen. Bisher sind die Kommunen verpflichtet, Hunde ohne Besitzer einzufangen, zu kastrieren und zu impfen und dann dorthin zurückzubringen, wo sie eingefangen wurden. Nun soll das Zurückbringen entfallen und die Hunde im Tierheim untergebracht werden. Sollte die Kapazität der Tierheime nicht ausreichen, sollen die Hunde getötet werden. Dass die Kapazität nicht ausreichen wird, ist vorprogrammiert, weil die Hunde ja nicht mehr zurückgebracht werden.
Zwar hat die Kammer der Veterinäre die Entscheidung zum Töten von Hunden für unethisch erklärt, doch bleibt offen, ob sich kommunale Tierärzte daran halten werden bzw. ob die Kammern zu Sanktionen greifen.
Sollte die Umsetzung des Gesetzentwurfes versucht werden, würde dies zu einer Massenvernichtung von Hunden führen und vermutlich vielerorts der soziale Friede gestört, denn Straßenhunde gehören in vielen Siedlungen zur Nachbarschaft. Für Hunde Besitzer zu finden, dürfte sich angesichts der rasant steigenden Preise für Futter und Tierarzt als wenig realistisch erweisen. Und das Problem, dass Hundehalter ihre Hunde nicht kastrieren lassen, wird auch nicht gelöst.
Die Wirtschaftsplattform ekonomim wies auf eine Diskussion im Schuhgewerbe hin. Die Türkei ist auf diesem Gebiet immerhin der drittgrößte Hersteller weltweit. Doch genauso wie die Modebranche haben auch bei Schuhen nachgeahmte Marken einen beträchtlichen Marktanteil. Im online-Handel wird er auf 15 Prozent geschätzt. Nun beklagen die regulären Schuhhersteller ebenso wie die Piraten die zunehmende Konkurrenz aus dem Ausland. Chinesische Nachahmungen seien von originalen Markenprodukten kaum zu unterscheiden. Die türkischen Piraten führen als Argument für ein stärkeres Einschreiten zudem an, dass sie zwar illegal handelten, jedoch wenigstens Arbeitsplätze schüfen.
Könnte hinter der steigenden Nachfrage nach Importschuhen (echten wie gefälschten) bei näherem Hinsehen nicht die langsame Aufwertung der Türkischen Lira stehen?
Das Türkische Statistikinstitut sah sich veranlasst, eine Pressekonferenz zu geben. Dies ist außergewöhnlich, denn üblicherweise werden die Statistiken sang und klanglos veröffentlicht. Es ging um die Zweifel an der Inflationsberechnung. Wiederhol t wurden die bereits bekannten Standpunkte des Instituts. Ihr Inflationswert sei mit dem der Handelskammer Istanbul nicht vergleichbar. Zum einen, weil das Türkische Statistikinstitut die Daten landesweit erhebt, zum anderen weil die Zusammensetzung des Warenkorbs unterschiedlich sei. Nicht erklärt hat das Institut, warum der Inflationsindex der Handelskammer Istanbul und der des Statistikinstituts über Jahre parallel verliefen und erst in den letzten Jahren auffällige Abweichungen zeigen.
Und dann gibt es noch die Berechnung von Alaattin Aktaş von der Wirtschaftsplattform ekonomim. Weil das Statistikinstitut nicht mehr die ermittelten Preise für Einzelprodukte des Warenkorbes veröffentlicht, hat er versucht, sie anhand der letzten Veröffentlichung anhand der offiziellen Inflationsdaten auszurechnen. Das Ergebnis war ernüchternd. Es zeigte sich ein weiteres Mal, dass die Daten des Statistikinstituts nicht plausibel sind. Auf die Erklärung des Instituts, kein europäisches Land würde diese Einzeldaten veröffentlichen, erwiderte Aktaş in seiner Kolumne, dass in diesen Ländern auch die Jahresinflation so hoch sei, wie in der Türkei die Monatsinflation. Bleibt als Resümee, dass wohl die einzige Chance, wieder Vertrauen in die Statistik herzustellen, die Veröffentlichung der Detaildaten ist.
Die Beziehungen zwischen dem Verein türkischer Unternehmer TÜSIAD, der die größten Unternehmen der Türkei vereinigt, und der Regierung unterlagen stets beträchtlichen Schwankungen. In den Anfangsjahren der AKP-Regierungen begleitete TÜSIAD die Reformprozesse mit anspruchsvollen Studien. In der zweiten Dekade herrschte Eiszeit vor und TÜSIAD verstummte weitgehend. Bei der Beratungskonferenz von TÜSIAD in dieser Woche jedoch wurde wieder Klartext gesprochen. Der Vorsitzende des Vereins Orhan Turhan charakterisierte die vergangenen zehn Jahre als „verloren“. Der Preis dafür sei hoch, denn ohne diesen Zeitverlust würden niedrige Inflation, eine problemlos finanzierbare Leistungsbilanz, eine stabile Türkische Lira und ein höheres Pro-Kopf-Einkommen den Alltag bestimmen. Weder wäre die Einkommensverteilung in solchem Maße zerrüttet, noch die Kaufkraft der Rentner soweit gesunken, noch die Jugend ihre Zukunft im Ausland suchen. Er mahnte an die Autonomie von Institutionen zu schützen, Rechtsstaatlichkeit zu verwirklichen, einen Verfall der Managementkapazitäten zu verhindern, keine Abstriche bei Freiheiten und Pluralismus zu machen und nicht mehr von allgemein anerkannten und durch Daten bestätigten Politikentwürfen abzuweichen.
Für die Regierung nahm Finanzminister Şimşek an der Konferenz teil. Er erklärte, dass die Regierung für jede Kritik, die nicht ideologischer Natur sei, offen sei. Doch wie viele seiner Erklärungen muss man dies vermutlich als seinen persönlichen Standpunkt auffassen, der im Rahmen der ihm zugestandenen Kompetenzen Gültigkeit beanspruchen kann.