Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen
Nachdem auch die Änderung im Tierschutzgesetz sowie das Bündel von Steuergesetzen verabschiedet wurden, ging das Parlament bis zum 1. Oktober in die Sommerpause. Hatte es nach der Kommunalwahl noch den Eindruck gegeben, dass sich der Regierungsstil ändern könnte, so ist davon angesichts des wachsenden Drucks auf die kurdische Sprache oder auch die Blockade von Instagram nicht viel übrig geblieben. Doch für den Alltag der Bevölkerungsmehrheit steht die Teuerung im Mittelpunkt. Die offiziellen Inflationsdaten werden erst am Montag bekannt gegeben. Doch die Handelskammer Istanbul ermittelte für Juli einen Anstieg von vier Prozent.
Man glaubt, dass mit dem Beginn der parlamentarischen Sommerpause Ferienstimmung aufkommt. Doch dann beschließt die Regierung, Instagram zu schließen. Eine offizielle Begründung gibt es nicht. Es wird jedoch vermutet, dass dahinter die Verärgerung von Fahrettin Altun steht, der das Kommunikationspräsidium der Präsidialverwaltung leitet. Dieser hatte sich beschwert, dass seine Trauer-Message wegen der Ermordung des Hamas-Führers Haniye nicht veröffentlicht wurde und bezeichnet dies als Zensur. Der zuständige Minister Ömer Fatih Sayan wiederum erklärt, dass er von Sozialen Medien erwartet, dass sie Respekt vor „unseren Werten“ zeige und diese in einen sauberen und sicheren Zustand gebracht werden müssen.
Auch wenn die Ermordung von Haniye auch in westlichen Staaten auf Verärgerung stößt, weil Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gaza stets über ihn geführt wurden, gilt die Hamas für viele Staaten als terroristische Organisation. Für die türkische Regierung dagegen ist die Hamas eine Befreiungsorganisation und Haniye ein Held. Aus welchem Grund Instagram den Beitrag von Altun nicht veröffentlicht hat, ist bisher nicht bekannt.
Die Nachrichtenplattform Gazete Duvar weist nach einem Gespräch mit Prof. Dr. Yaman Akdeniz darauf hin, dass die Sperrungsanordnung einer gerichtlichen Bestätigung bedarf, die durch ein Friedensgericht binnen 24 Stunden entschieden werden muss. Auch wenn diese Friedensgerichte nicht unbedingt als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit gelten, so dürften zumindest die Details offengelegt werden.
Cem Atalay ist im Gezi Park Prozess zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Unmittelbar nachdem der Kassationsgerichtshof das Urteil bestätigt hat, urteilte im vergangenen Jahr das Verfassungsgericht, dass Can Atalay, der im Mai 2023 zum Abgeordneten der Türkischen Arbeiterpartei gewählt wurde, parlamentarische Immunität genieße und forderte die unverzügliche Freilassung. Dem hat sich der Kassationsgerichtshof widersetzt. Can Atalay ist weiter in Haft. Außerdem wurde ihm durch Verlesung des Urteils im Plenum des Parlaments das Mandat entzogen. Nun urteilte das Verfassungsgericht, dass dieser Akt verfassungswidrig war und Atalay darum weiterhin Parlamentsabgeordneter sei. Dazu nahm Mehmet Uçum, ein Präsidentenberater, Stellung und erklärte das Urteil des Verfassungsgerichts für nicht anwendbar. Entscheidend in Fragen des Strafrechts sei der Kassationsgerichtshof, dessen Urteil abschließend sei. Damit ist absehbar, dass auch das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts nicht angewendet wird.
Am 30. Juni 2024 wurden die beiden Bürgermeister von Van festgenommen. Unmittelbar nach der Kommunalwahl hatte der Wahlrat der Provinz entschieden den DEM-Kandidaten Veysi Dilekçi die Wählbarkeit abzuerkennen und das Amt dem unterlegenen AKP-Kandidaten zuzusprechen. Es gab tagelange Proteste und schließlich wurde der Beschluss vom Hohen Wahlrat aufgehoben. Beide wurden anscheinend kurz darauf wieder freigelassen.
In Diyarbakır wurden kurdische Aufschriften auf Straßen, die von der Metropole angebracht wurden, übermalt. Wie sich herausstellt auf Anordnung des Provinzgouverneurs. Welche Rechtsgrundlage er dafür sieht, bleibt offen. Die Aufschriften werden kaum eine Gefahr für den Straßenverkehr dargestellt haben. Vielleicht beruft er sich auf den Verfassungsgrundsatz, dass die Amtssprache in der Türkei Türkisch sei. Dabei ließe er jedoch außer Acht, dass die Aufschriften zweisprachig waren. Ein Verbot der kurdischen Sprache gibt es zudem nicht.
Auch ein polizeiliches Vorgehen gegen Gruppen, die auf Hochzeiten Halay getanzt haben, wirkt beunruhigend. Der Tanz ist nicht verboten.
Es wirkt wie eine Kette von Provokationen gegen Kurden.
Der zuständige Minister beziffert die Schulden der Kommunen bei der Sozialversicherung SGK auf 96 Mrd. TL. Der Staatspräsident wettert gegen die CHP-geführten Kommunen und erweckt damit den Eindruck, dass es allein diese seien, die ihre Sozialabgaben nicht abgeführt haben. Seine Mitstreiter versuchen gegenzusteuern. Es ginge nicht darum, gegen CHP geführt Kommunen vorzugehen. Alle Rückstände bei den Sozialabgaben werden eingetrieben. Nur entfällt der Löwenanteil seit der Kommunalwahl, bei der die CHP die größten Städte des Landes gewann, auf CHP-geführte Kommunen. Dass diese nicht während ihrer Regierungszeit angefallen sind, steht auf einem anderen Blatt.
Der aktuelle CHP-Vorsitzende Özel spricht von einem Putschversuch. Er argumentiert, dass über Jahre die Zahlungsrückstände bei der Sozialversicherung kein Thema gewesen seien. Nun jedoch sollen diese eingetrieben werden. Damit würden die neuen Bürgermeister handlungsunfähig gemacht und selbst grundlegende Kommunale Dienstleistungen wie beispielsweise die Abfallentsorgung in Frage gestellt. Sein Vorgänger Kemal Kılıçdaroğlu dagegen prangert die Günstlingswirtschaft der Regierung an und fordert zunächst die verschiedenen Steuer- und Zahlungsvorteile der Lieblingsbauunternehmen der Regierung in Frage zu stellen.
Die unzureichende bzw. unvollständige Zahlung von Sozialabgaben ist kein Kavaliersdelikt. Wie diese Zahlungsverzüge aufgetreten sind, sollte Thema einer gründlichen Untersuchung sein. Dass die Schulden bei der Sozialversicherung beglichen werden müssen, sollte kein Thema der politischen Auseinandersetzung sein. Dass dies in einer Weise erfolgen muss, ohne grundlegende Kommunale Dienstleistungen in Frage zu stellen, sollte ebenso sichergestellt werden Dazu ist Politik gefragt. Die Verquickung mit anderer Vetternwirtschaft der Regierung dagegen wirkt wie eine Verharmlosung. Was sind schon die Milliarden TL Sozialversicherungsschulden gegen die Vetternwirtschaft der Regierung? Wer für Rechtsstaatlichkeit eintritt sollte so nicht argumentieren. Es müsste ausgeschlossen werden, dass künftig die Sozialabgaben nicht vollständig bezahlt werden. Für die Rückzahlung der aufgelaufenen Schulden müsste ein Modell gefunden werden, dass die Kommunalpolitik nicht erstickt. Und gegen die Begünstigung regierungsnaher Bauunternehmen könnte dann glaubwürdiger vorgegangen werden.
Die beiden Beauftragten für den Normalisierungsprozess in den bilateralen Beziehungen Serdar Kılıç und Ruben Rubinjan trafen sich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder zu einem direkten Gespräch. Es fand am Grenzübergang Alican-Magara auf beiden Seiten der Grenze statt. Der Grenzübergang wurde modernisiert und soll in Zukunft auch die Abfertigung von Angehörigen von Drittstaaten ermöglichen. Die Beauftragten einigten sich darauf, den technischen Bedarf für die Wiedereröffnung des Bahn-Grenzübergangs Akyaka/Akhurik zu ermitteln sowie die Vereinfachung des Verfahrens bei der Visumsvergabe.
Das Türkische Statistikinstitut wird die Inflation für Juli erst am kommenden Montag bekannt geben. Die Handelskammer Istanbul dagegen gibt den Anstieg der Verbraucherpreise im Juli mit 4,21 Prozent an. Die Großhandelspreise dagegen stiegen um 1,04 Prozent. Seit Jahresbeginn sind diesem Index zufolge die Verbraucherpreise um 35,16 Prozent gestiegen und nähern sich damit beträchtlich dem Wert an, den die Zentralbank als Untergrenze für die Jahresinflation schätzt (38 Prozent).
Zugleich wird gemeldet, dass ab dem 1. August für alle Abnehmergruppen der Gaspreis um 38 Prozent erhöht wird. Dies liegt zwar parallel zum Zielwert der Zentralbank, dürfte jedoch Druck auf die Strom- und Industriepreise erzeugen.
Doch auch in anderer Hinsicht gibt es für Finanzminister und Zentralbank ein bedeutendes Problem. H. Bader Aslan hat sich in seiner Kolumne auf der Wirtschaftsplattform ekonomim mit den verschiedenen Inflationserwartungen auseinandergesetzt. Die Schere ist enorm. Während Finanzmarktexperten von einer Inflation in zwölf Monaten von 30,02 Prozent ausgehen, geht der Realsektor von 55 Prozent aus. Beide Einschätzungen sind gegenüber der vorherigen Umfrage leicht gesunken. Die Inflationserwartung der Bevölkerung wiederum ist von 71,49 Prozent auf 71,98 Prozent gestiegen und liegt damit mehr als doppelt so hoch wie die der Finanzmarktexperten. Erwartungen spielen eine nicht unbeträchtliche Rolle bei der Preisgestaltung. Während die Verbraucher die ständigen Preiserhöhungen schon fast als normal ansehen, dürfte in der Industrie die Preisgestaltung von der eigenen Inflationskalkulation abhängen.