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Die AKP wirft den CHP-geführten Kommunen Verschwendung vor. Solch ein Vorwurf sollte Teil einer normalen politischen Auseinandersetzung sein. Doch flugs wird dieser Vorwurf in verwaltungs- und strafrechtliche Ermittlungen umgemünzt. Derweil richten sich die Erwartungen auf die bevorstehenden Verhandlungen über den Mindestlohn. Die Oppositionsparteien fordern einen hohen Anstieg und auch im Regierungslager wächst die Zurückhaltung im Hinblick auf den Plan, den Anstieg nicht nach der Inflation von 2024 zu bemessen, sondern der für 2025 erwarteten.
Die Diskussion begann mit der Kritik der AKP an den hohen Ausgaben der Metropole Ankara für Konzerte anlässlich des Nationalfeiertags am 29. Oktober. Oberbürgermeister Yavaş versprach Aufklärung und hat die detaillierten Abrechnungen in dieser Woche veröffentlicht. Gleichzeitig wird gemeldet, dass das Innenministerium Ermittlungen gegen die Metropolen Ankara und Istanbul eingeleitet hat, auch die Staatsanwaltschaften sind tätig geworden. Im Istanbuler Stadtbezirk Beykoz war es dagegen umgekehrt, die Staatsanwaltschaft begann die Ermittlungen und rief das Innenministerium auf, ebenfalls solche einzuleiten.
Es sind nicht die ersten und nicht die letzten solcher Ermittlungen. Einen Überblick gibt es nicht. Es würde jedoch niemanden erstaunen, wenn ein Großteil der Inspektionen des Innenministeriums auf Kommunen entfallen, die von der Opposition geführt werden. Doch was kann überhaupt verwaltungs- und strafrechtlich geprüft werden? Die Einhaltung von Vergabe- und Haushaltsvorschriften. Alles andere sollte unter den politischen Entscheidungsspielraum fallen, über den letztlich das Volk bei Wahlen entscheidet.
Oberbürgermeister Yavaş hat nun einen Vergleich der Ausgaben für Veranstaltungen in der letzten AKP-Amtszeit und der ersten CHP-Amtszeit der Metropole Ankara veröffentlicht. Um den Inflationseffekt zu vermeiden, erfolgt die Gegenüberstellung auf Dollarbasis. Demzufolge hat Ankara von 2014-19 insgesamt 32,933 Mio. Dollar für 80 Veranstaltungen ausgegeben. 2019 bis 2024 waren es 30,13 Mio. Dollar für 426 Veranstaltungen. Doch letztlich sollte es bei der Diskussion weder um die Höhe der Ausgaben noch die Anzahl der Veranstaltungen gehen, sondern um (in diesem Fall) kulturpolitische Entscheidungen, die nicht Gegenstand von Prüfungen durch Innenministerium und Staatsanwaltschaften sein sollten. Sonst gibt es keine Politik mehr.
Einfach ist es nicht, Vorsitzender dieser Partei zu sein. Einerseits besteht die Erwartung, einen starken Führer zu sehen, andererseits gibt es doch viele, die sich selbst lieber auf diesem Posten sähen. Nun scheinen die inneren Auseinandersetzungen anzuschwellen und schlagen in öffentliche Kritik um. Oğuz Kaan Salıcı kritisierte Özgür Özel und brachte die Option eines Parteitags ins Gespräch. Dann wird er zurechtgewiesen, doch die Diskussion endet nicht. Schließlich erfolgt eine gemeinsame Erklärung der 81 Provinzvorsitzenden der Partei, die sich gegen einen Parteitag aussprechen.
Mete Belovacıklı, Kolumnist der Wirtschaftsplattform ekonomim, fast in einem Beitrag die Kritik an Özel zusammen. Sie reicht vom Abweichen von der Tagesordnung der Bevölkerung über dessen „Normalisierungspolitik“ bis hin zum Auftreten Özels bei der Kundgebung gegen die Einsetzung eines Zwangsverwalters in Istanbul-Esenyurt. Er erklärt, dass grundlegende Wendungen in der Parteipolitik eines Parteitags bedürfen. Was für dieses Argument spricht ist, dass die Autorität von Ögür Özel nicht ausreicht, um ohne weitere Diskussionen die Parteilinie zu bestimmen.
In einem Beitrag für die Nachrichtenplattform T24 setzt sich auch Eray Özer mit Özgür Özel und den verschiedenen Gruppen in er CHP auseinander. Seine Hauptkritik an Özel lässt sich vielleicht mit politischer Instinktlosigkeit auf den Punkt bringen.
Betrachtet man die Diskussion über das Verhalten bei der Parlamentseröffnung, lässt sich das Problem eigentlich auf den Punkt bringen. Özel hatte die Abgeordneten aufgefordert, beim Eintritt des Staatspräsidenten aufzustehen. Dies wäre eine Erwartung der Bevölkerung. Die Achtungsbezeugung gelte nicht dem Amtsinhaber, sondern dem Amt. Dies Aufforderung wurde zugleich auch als ein Ausläufer von Özels „Normalisierungspolitik“ betrachtet. In den Jahren zuvor dagegen waren die Abgeordneten der CHP sitzen geblieben. Bei der Parlamentseröffnung ergab sich dann ein recht uneinheitliches Bild. Manche Abgeordnete blieben sitzen als Staatspräsident Erdoğan das Parlament betrat, manche blieben der Sitzung fern, andere erhoben sich. Und so wurde es zu einer Präsentation der Uneinigkeit der CHP.
Ob sich durch einen Parteitag daran etwas änderte? Immerhin hat die CHP im Zeitraum von nicht einmal einem Jahr zwei Parteitage durchgeführt. Ein Programmparteitag ist ebenfalls vorgesehen. Jenseits der Parteitage ist der Parteirat das höchste Beschlussgremium der CHP. Heilsam wäre es, wenn die inhaltliche politische Auseinandersetzung dort geführt und entschieden würde.
Der Berater des irakischen Ministerpräsidenten Sabhan el Mulla Ciyad hat angekündigt, dass der Irak in den kommenden Monaten eine Sicherheitskonferenz unter Beteiligung der Türkei, des Irans und Syriens organisieren will, bei der es um die PKK gehen soll. Namık Durukan verweist in einem Beitrag für die Nachrichtenplattform T24 auf eine Reihe von Vorgesprächen beim Besuch des irakischen Ministerpräsidenten in der Türkei sowie dem Ministerpräsidenten des kurdischen Autonomiegebietes. In diesem Zusammenhang weist er auch darauf hin, dass der Irak im März 2024 die PKK zur verbotenen Organisation erklärt hat.
Einfach werden die Vorbereitungen einer solchen Konferenz sicher nicht. Damit sie gelingen kann, müssen zunächst Syrien und die Türkei für die Teilnahme gewonnen werden. Zudem müsste die Konferenz auch mit den USA abgestimmt werden, die Truppen in Nordost-Syrien stationiert hat und die Demokratischen Kräfte Syriens unterstützt, die wiederum über die YPG Verbindungen mit der PKK haben. Mit Spannung dürfte darum in der Türkei die Frage verfolgt werden, welche Politik die Trump Administration in Syrien verfolgen wird.
Vor zwei Monaten hatte Fatih Altaylı auf eine öffentliche Auftragsvergabe hingewiesen. Das Volumen war 6 Mrd. Dollar, die Bedingungen so unfair, dass es auch Streit zwischen regierungsnahen Unternehmen gab, die sich übervorteilt sahen. Am 10. November hat Uğur Emek die Angelegenheit in seiner Kolumne in der Tageszeitung Karar vertieft. Am 19. November 2022 hatte das Regulierungs- und Aufsichtsinstitut für den Energiemarkt EPDK Lizenzen für 30.000 MW Sonnen- und Windkraftwerke vergeben. Als Vergabeverfahren wurde gewählt, dass die Anträge in der Reihenfolge der Gebote den Zuschlag erhalten. Das Verfahren ist sehr manipulationsanfällig. Denn wer frühzeitig von der Ausschreibung erfährt, kann sein Angebot bereit haben, sobald die Einreichung beginnt. Uğur Emek zufolge waren bereits am Tag vor der Ausschreibung die nötigen Gebühren eingezahlt und die Genehmigungen eingeholt.
Nun muss nicht jeder, der sich beteiligte, tatsächlich die Absicht gehabt haben, ein Kraftwerk zu errichten. Sie lassen sich auch zum Preis von 200.000 Dollar pro MW weiterverkaufen. Auf diese Weise entsteht der Betrag von 6 Mrd. Dollar, von dem oben die Rede war. Doch die Sache geht weiter: es gibt eine staatliche Abnahmegarantie für die vergebenen Lizenzen in Höhe von 75 Prozent. Uğur hat ausgerechnet, dass dies bei einer Betriebszeit von zehn Jahren 43,2 Mrd. Dollar entspricht. Doch weist er auch auf ein kleines Hindernis hin. Mit der Ausschreibung war die Verpflichtung verbunden, Speicherkapazität für den erzeugten Strom zu erstellen. Doch auch hier gibt es einen geplanten Ausweg. Am 6. November 2024 schlug der Vorsitzende des parlamentarischen Industrieausschusses Varank vor, die Verpflichtung zur Schaffung von Speicherkapazität von den Erzeugern an das staatliche Energieunternehmen TEİAŞ übergehen zu lassen.
Gut – die sechs bzw. 43,2 Mrd. Dollar sind nicht der Reingewinn. Es gibt Ausgaben für die Teilnahme an der Ausschreibung und die Einrichtung von Kraftwerken. Doch die verschobenen Gelder sind gewaltig.
Daron Acemoğlu hat während seines ersten Besuchs nach seinem Wirtschaftsnobelpreis die Türkei besucht und Fernsehinterviews gegeben. In einem Interview mit Fatih Altaylı erklärte er: „Inflation ist ein Symptom. Das grundlegende Problem der Türkei ist Armut. Denn die Löhne der Arbeiter steigen nicht. Für einen Anstieg der Löhne müssen wir in Technologie und Bildung investieren, um die Produktivität zu steigern. Das Inflationsproblem wird durch die aus der Produktivitätssteigerung folgenden Lohnsteigerungen gelöst.“
Die Wirtschaftsplattform ekonomim hat einige Reaktionen auf diese These zusammengestellt. Prof. Selva Demiralp merkte an, dass auch FED-Präsident Powel ähnlich argumentiert. Dozent Dr. Cem Oyvat wies auf die Wechselbeziehung von Lohnniveau und Arbeitsproduktivität hin. Prof. Ensar Yılmaz wiederum hob hervor, dass das Lohnniveau in der Türkei kein inflationssteigender Faktor ist, sondern nur verhindert, dass die Inflation aus dem Ruder läuft. Prof. Ceyhun Elgin wiederum erklärt, dass seit 1971 die Beziehung zwischen Produktivität und Lohnniveau weltweit ausgehebelt wurde. Zwar steigen die Profite, nicht aber das Lohnniveau.
Wenn man auf die Gewinnentwicklung der vergangenen Jahre schaut und insbesondere auf die Phase mit stark negativem Realzins, die die aktuelle Inflation angeheizt hat, wird man für viele Wirtschaftszweige feststellen, dass – nicht zuletzt aufgrund der geringen gewerkschaftlichen Organisation – der Anteil von Löhnen und Gehältern am Bruttoinlandsprodukt stark gesunken ist. Geringere Produktivitätsanstiege lassen sich auch daraus erklären, dass das Lohnniveau so niedrig ist, das Investitionen in Produktivität sich nur langsam amortisieren. Gleichwohl bleibt unbestreitbar, dass das grundlegende Problem der Türkei Armut ist.