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Die Haushaltsberatungen in Ankara verlaufen gespannt. Beim Auftritt des Innenministers kam es zu Rempeleien. Der Prozess gegen den früheren CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu hat begonnen. Ihm wird die Beleidigung eines Staatsvertreters vorgeworfen und elf Jahre Haft sowie Politikverbot gefordert. Die Zentralbank hat den Leitzins unverändert belassen, doch die Möglichkeit angedeutet, dass es im Dezember zu einer ersten Zinssenkung kommen könnte.
In den Medien heißen die Angeklagten nur „die Baby-Bande“. 47 Personen wird vorgeworfen, gemeinsam bei Krankentransporten Kranke zu bestimmten Privatkrankenhäusern gebracht zu haben. Neugeborene sollen auf Intensivstationen gelegt worden sein, obwohl dies unnötig war. Dabei wurde keine Rücksicht auf die Gesundheit der Neugeborenen genommen, so dass mehrere Babys starben.
Es ist wahrscheinlich, dass der laufende Strafprozess nur die Spitze des Eisberges erfasst. Die Kontrolldichte bei den Privatkrankenhäusern ist gering. In einem Gespräch mit der Tageszeitung Birgün erklärt der Vizefraktionsvorsitzende der CHP Murat Emir, dass ein Schaden in Höhe von 200 Mio. Dollar von der Sozialversicherung SGK festgestellt wurde. Seiner Auffassung nach ist ein solches Schadensvolumen ohne Beteiligung von Beamten nicht möglich. Um auf die Dimension der Betrügereien aufmerksam zu machen, führt er ein Beispiel an. In einem Krankenhaus wurden in eineinhalb Jahren 33.215 Laseraugenoperationen abgerechnet. Dies bedeutet, dass jeder zweite Patient dieses Krankenhauses diese Operation erfahren hat – ob erforderlich oder nicht. Neben dem Betrug hat auch die Gesundheit der Patienten gelitten.
Die Gesundheitspolitik war über Jahre ein Feld, auf dem die AKP als besonders erfolgreich galt. Durch die Privatisierung wurde die Kapazität schnell erhöht, mit den neuen Stadtkrankenhäusern soll die Qualität erhöht werden. Doch inzwischen stellt sich die Kehrseite dieser Politik ein. Wer nur Mitglied der staatlichen Sozialversicherung SGK ist, muss zum Teil wochenlang auf einen Facharzttermin warten. Es wird davon berichtet, dass durch Bestechung frühere Termine möglich sind. Die Arbeitsbelastung von Ärzten und Pflegepersonal wurde systematisch erhöht, so dass nur Minuten für eine Untersuchung zur Verfügung stehen. Die Kontrollstrukturen sind unzureichend, die Patienten verunsichert.
Über Jahre war Kemal Kılıçdaroğlu Oppositionsführer und CHP-Vorsitzender. Nachdem er die Präsidentschaftswahl 2023 verloren hat, sitzt er auch nicht mehr im Parlament. Auf diese Weise hat er die parlamentarische Immunität verloren. Am 22. November 2024 beginnt nun ein Verfahren, in dem gegen ihn eine Haftstrafe von elf Jahren und Politikverbot gefordert wird. Er soll Staatspräsident Erdoğan beleidigt haben. Im Vorfeld des Prozesses erklärte Justizminister Tunç, dass sich jeder ein Beispiel daran nehmen solle. Kılıçdaroğlu habe Ausdrücke gebraucht, die man nicht in den Mund nähme und zeige allen, wohin es führe, wenn man keine konstruktive Politik betreibe.
Insgesamt ist von fünf Strafverfahren und neun staatsanwaltlichen Untersuchungen gegen den früheren CHP-Vorsitzenden die Rede. Dieser nutzte den ersten Prozesstag für eine einstündige Rede, in der er den Staatspräsidenten einen „Dieb“ nannte und vorschlug, dies zu beweisen.
Während das Verfahren beginnt, sitzt der frühere Vorsitzende der Katastrophenschutzorganisation AKUT Mahruki in Untersuchungshaft. Er hatte auf die Meldung, dass sich der Hohe Wahlrat in den USA über elektronische Stimmabgabe informiert hat, mit Zweifeln an der Fairness der Wahlen in der Türkei reagiert. Justizminister Tunç erklärte, dass die Türkei über das gerechteste Wahlsystem der Welt verfüge und die Staatsanwaltschaft nun prüfe, welche Straftatbestände Mahruki erfüllt habe. Untersuchungshaft ohne Tatvorwurf?
Das Ereignis hatte Aufsehen erregt. Im Anschluss an die Abschlussfeier hatten die frisch beförderten Leutnante des Heeres mit gezogenen Säbeln einen weiteren Amtseid geschworen, der zwar früher üblich war, inzwischen jedoch aufgehoben war. Er stellt die Verbindung zu Mustafa Kemal Atatürk in den Mittelpunkt. Ob die informelle Vereidigung der Versuch war, an die kemalistische Tradition der Armee anzuknüpfen bleibt offen, bei der Regierung wurde sie jedoch als Aufbegehren aufgefasst. Es wurde eine Disziplinaruntersuchung eingeleitet. Nun ist sie abgeschlossen. Gegen fünf Leutnante wird der Ausschluss aus der Armee gefordert. Außerdem auch für den stellvertretenden Regimentskommandeur und zwei weitere Befehlshaber. Begründet wird der Antrag damit, dass das Ereignis das Ansehen der Armee geschädigt habe.
Die CHP hatte eingewendet, dass die Verbundenheit zu Atatürk kein Grund für den Ausschluss aus der Armee sein dürfe. Von Regierungsseite heißt es, dies sei nicht der Grund, sondern der Verstoß gegen die Disziplin. Ob hier nicht eine Rüge ausreichend gewesen wäre?
Vermutlich wollte Innenminister Yerlikaya etwas Anderes sagen. Bei der Haushaltsberatung erklärte er im Hinblick auf Morde an Frauen: „Im vergangenen Jahr sind 32 Frauen, die unter Polizeischutz standen, gestorben, weil sie sich nicht an die Schutzregeln gehalten haben.“ Man kann es so verstehen, als ob der Innenminister die Frauen beschuldigte, selbst Schuld zu sein. Aber man kann auch annehmen, dass er eigentlich auf die Probleme beim Schutz von Frauen vor Gewalt hinweisen wollte.
Eine Frau vor einem mutmaßlichen Angriff eines früheren Partners schützen zu wollen, bedeutet für diese Frau stets eine bedeutende Einschränkung. Sie lebt in stetiger Unsicherheit, muss vielleicht Wohnort und Arbeitsplatz wechseln. Gegen den früheren Partner dagegen ist ein Verbot verhängt, sich der Frau zu nähern. Dies kann nötigenfalls auch mit einer elektronischen Fußfessel überprüft werden. Natürlich ist jeder Einzelfall anders, aber wäre es nicht naheliegend, den Drohenden zu einer Therapie zu verpflichten? Oder ihn bei konkreter Bedrohung unter Hausarrest zu stellen? Statt das Opfer zu bewachen, den potenziellen Täter zu überwachen?
Bursa hat in der vergangenen Woche erklärt, noch für zwei Monate Wasser zu haben. Wichtige Stauseen sind bereits leer. In Izmir herrscht ebenfalls Wassermangel, genauso in Istanbul. Auf der anderen Seite teilt das staatliche Meteorologische Institut mit, dass der vergangene Oktober in vielen Teilen der Türkei der trockenste seit Jahren war. In Izmir hat es überhaupt nicht geregnet. In der Marmara Region war es der trockenste Oktober seit 23 Jahren, in der Ägäis seit 40 Jahren.
Selbst wenn in diesem Winter eine akute Wasserkrise vermieden werden kann, so ist es sehr wahrscheinlich, dass der kommende Sommer mit gering gefüllten Reservoirs beginnt. Betrachtet man die Dürre-Karte des Meteorologischen Instituts, so ist der Westen und Süden der Türkei von Februar bis Oktober 2024 größtenteils von massiver bis extremer Trockenheit gekennzeichnet. Schaut man auf den Jahreszeitraum, so wird deutlich, dass November bis Januar im vergangenen Jahr die Bilanz verbessert haben. Sollten in diesem Jahr in diesem Zeitraum nicht vergleichbare Niederschläge fallen, wird es Probleme geben.
Der Verein Türkischer Tourismusinvestoren hat ein Forum veranstaltet. Die Kernaussage ist, dass angesichts der Prognosen über den weltweiten Anstieg der Touristenzahlen die Türkei in den kommenden neun Jahren einen zusätzlichen Bettenbedarf von 500.000 habe, um von dieser Entwicklung profitieren zu können. Der Verein schätzt das erforderliche Investitionsvolumen auf 70-75 Mrd. Dollar. Bisher liegt der Anteil internationaler Investitionen in türkische Hotels bei nur fünf Prozent. Die internationalen Marken ziehen bisher eine Bewirtschaftung vorhandener Hotels vor. Würden die prognostizierten Investitionen erfolgen, könnte die Türkei von 2024 bis 2033 Einnahmen in Höhe von 1,2 Billiarden Dollar erzielen.
Es erscheint plausibel, dass der türkische Tourismus kurzfristig durch die Steigerung der Bettenkapazität die Einnahmen erhöhen kann. Die Kehrseite ist angesichts der aktuellen Strukturen, dass dies vor allem zur Betonierung der Küsten von Ägäis und Mittelmeer sowie der Almen der Schwarzmeerküste zur Folge hätte. Dies wirft die Frage nach der Nachhaltigkeit einer aggressiven Investitionsstrategie auf. Angefangen vom Ausschluss der ansässigen Bevölkerung, die ihren Lebensraum verliert über Probleme der Wasserversorgung bis hin zum Klimawandel stellen sich zahlreiche Probleme. Natürlich ist jede Investition ein Eingriff in ein (soziales und natürliches) Ökosystem. Die Frage ist nur, ob weniger nicht manchmal auch mehr ist.
Am 21. November 2024 hat die Zentralbank den Leitzins unverändert bei 50 Prozent belassen. Dies war auch so erwartet worden. Nun beginnt die Diskussion, ob eine Zinssenkung bereits im Dezember zu erwarten ist. Zumindest ist in der Erklärung der Zentralbank ein optimistischerer Ton festzustellen. Der rückläufige Trend bei der Inflation habe sich bei Dienstleistungen ausgeprägt, die Preisentwicklung bei Lebensmitteln sei vorübergehend. Doch das größte Problem besteht weiter: die Inflationserwartungen der Bevölkerung und der Industrie liegen nach wie vor weit von den Zielwerten der Zentralbank entfernt.