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Die Entwicklungen in Syrien werden für die Türkei enorme Auswirkungen haben. Diese betreffen sowohl die Sicherheitslage als auch die syrischen Flüchtlinge in der Türkei. Auf der anderen Seite ist die November-Inflation höher ausgefallen als erwartet und wirft neue Fragen nach der Wirksamkeit des Inflationsbekämpfungsprogramms auf.
Die Offensive eines Bündnisses islamistischer Milizen aus der im Nordosten Syriens gelegenen Provinz Idlib auf syrische Regierungstruppen ab dem 27. November traf diese unvorbereitet. Hinzu kommt, dass die militärische Kapazität ihrer Verbündeten Russland und Iran bereits andernorts gebunden bzw. geschwächt wurde. So wird darauf hingewiesen, dass es vermutlich kein Zufall ist, dass der islamistische Angriff unmittelbar nach dem israelisch-libanesischen Waffenstillstand erfolgte, der die Hisbollah von der syrischen Grenze abschnitt. Die Hisbollah jedoch gehört zu den Verbündeten der syrischen Armee. Russland hat aufgrund des Ukraine-Krieges Material und Truppen dort konzentriert. Auch iranische Milizen in Syrien wurden kontinuierlich durch die israelische Luftwaffe angegriffen und erlitten beträchtliche Verluste.
Das Ergebnis war, dass die Offensive der islamistischen Milizen binnen weniger Tage zur Einnahme von Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens führte. Es scheint der syrischen Armee nicht einmal mehr möglich gewesen zu sein, einen geordneten Rückzug durchzuführen. Vielerorts wurden große Mengen Material zurückgelassen, hunderte Soldaten gefangen genommen. Sich zurückziehende Konvoys wurden angegriffen und vernichtet. Erst nach Tagen gelang der Aufbau einer Verteidigungslinie vor Hama, die am 5. Dezember ebenfalls aufgegeben werden musste. Einen Tag später erklärte die syrische Armee, dass sie sich aus Homs zurückzieht. Homs ist die drittgrößte Stadt Syriens und hat eine hohe strategische Bedeutung. Mit dem Verlust der Stadt ist die Verbindung zwischen den von der Regierung noch kontrollierten Gebieten an der Mittelmeerküste und Damaskus unterbrochen. Am gleichen Tag verlor die Regierung außerdem die Kontrolle über die syrisch-libanesische Grenze.
Der Zusammenbruch der syrischen Armee im Norden hatte auch Folgen für die syrischen Kurden. Nach der Einnahme von Afrin durch die Koalition der „Nationalen Syrischen Armee“ und der türkischen Armee waren Zehntausende in die Gegend um Tal Rifat nördlich von Aleppo geflüchtet. Zwar hatte die kurdische Miliz YPG bzw. die von ihr dominierten „Demokratischen Kräfte Syriens“ die Waffen nicht niedergelegt, doch oblag die Kontrolle des Gebiets der syrischen Armee. Als diese handlungsunfähig wurde, wurde Tal Rifaat überrannt. Nun haben Kämpfe um den ebenfalls kurdisch kontrollierten Landkreis Mambij begonnen.
Der weitere Kriegsverlauf wirkt durchaus offen. Es wird davon ausgegangen, dass weder Russland noch der Iran bereit sein werden, eine Niederlage der Assad Regierung zuzulassen. Ein von den USA unterstützter Angriff der Demokratischen Kräfte Syriens auf die syrische Armee im Osten Syriens wird als Versuch interpretiert, eine Unterstützung der syrischen Regierung durch irakische Milizen und dem Iran zu verhindern. Zudem liegen in diesem Gebiet einige Ölquellen, die bisher nicht von den Demokratischen Kräften Syriens kontrolliert werden.
Innerhalb der islamistischen Milizen scheint die Einheit ebenfalls fraglich. Führer des Bündnisses ist die HTS, die aus dem syrischen Zweig von Al Kaida hervorgegangen ist. Für HTS scheint die Priorität auf einem Sieg über die Regierungstruppen im Süden zu liegen. In Aleppo hat sie die zivile Kontrolle übernommen und eine Amnestie für reguläre syrische Soldaten verkündet. Sie scheint jedoch nicht bereit, die von der Türkeiunterstützte „Nationale Syrische Armee“ beteiligen zu wollen. Und HTS hat sich anscheinend bisher nicht an Kämpfen gegen die syrischen Kurden beteiligt.
Für das Wochenende ist eine Konferenz der Außenminister der Türkei, des Irans und Russlands in Doha vorgesehen. Dass es dort zu einer Übereinkunft zur Verringerung der Kämpfe kommt, erscheint wenig wahrscheinlich, denn als weiterer Akteur fehlen die USA. Zudem ist unklar, ob es der syrischen Regierung gelingt, den Vormarsch von HTS zu stoppen oder zu einer Gegenoffensive überzugehen.
Bedenkt man, dass die Öcalan-Initiative des MHP-Vorsitzenden Bahçeli insbesondere auf die PKK-Präsenz in Syrien zielte, wird auch diese vom Kriegsverlauf in Syrien beeinflusst. Vor einer Woche ersuchte der Parteivorstand der DEM beim Justizministerium eine Besuchserlaubnis beim inhaftierten PKK-Anführer Öcalan, hat jedoch bisher keine Antwort erhalten.
Im Hinblick auf Kooperation gelten Griechenland und die Türkei nicht unbedingt als zwei Länder, an die man als erstes denkt. Nun scheint es jedoch, als ob mit griechischer Unterstützung Feridun Sinirlioğlu zum Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gewählt wird. Im Gegenzug unterstützt die Türkei Maria Telalian für die Verantwortung des Rechtsreferats der Organisation. Bleibt zu hoffen, dass die erfolgreiche Zusammenarbeit ermutigt, die angekündigten Schritte zur Lösung der bilateralen Konflikte zwischen beiden Ländern anzugehen.
Der Begriff der Nachhaltigkeit erlebt seit Jahren eine gewisse Inflation. Doch dies mag in der Natur der Sache liegen. Bei der Entwicklung eines Geschäfts oder eines Wirtschaftssektors daran zu denken, wie nicht nur kurzfristige Gewinne erzielt, sondern auch langfristige Entwicklung möglich wird, ist im Grunde naheliegend. Doch es ist aufwendig. In einem Beitrag für die Wirtschaftsplattform ekonomim macht Arzu Kutucu Özenen auf Entwicklungen im Tourismussektor aufmerksam. Sie ist Vorsitzende des Vereins Yeşil Valiz (grüner Koffer) und weist darauf hin, dass die Türkei seit 2023 dem Globalen Rat für nachhaltigen Tourismus beigetreten ist. Konkret habe sich dies auch beim Messeauftritt der Londoner Tourismusmesse gezeigt.
Und dann weist sie auf ein neues Projekt der Metropole Bursa hin. Diese hat auf der Grundlage der UN-Prinzipien ein Koordinationszentrum für nachhaltigen Tourismus ins Leben gerufen. Alle Prozesse sollen beteiligungsorientiert gestaltet werden. In einem transparenten Prozess sollen alle Beteiligten und Betroffenen des Wertschöpfungsprozesses in Bursa einbezogen werden. Der Prozess steht noch am Anfang – doch vielleicht wird in den nächsten Jahren über neue Ideen eines gerechteren und naturverträglicheren Tourismus berichtet.
Zwei Nachrichten bei der Wirtschaftsplattform ekonomim. Die erste bezieht sich auf die Kontrolle von Produktsicherheit für Importgüter, die in die Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums fallen. Sie wurde am 31.12.2023 im Staatsanzeiger veröffentlicht. Die Ausführungsvorschrift erging am 10.10.2024. Sie scheint es in sich zu haben. Denn es werden hunderte von Gütern, die bisher keinen Bezug zu diesen Kontrollen hatten, einbezogen. Und für diese Güter muss bis zum 31.12.2024 ein Bericht eines verantwortlichen Zollberaters vorliegen, sonst werden Strafen fällig. Der Preis für das Gutachten scheint bei 10.000 TL zu beginnen. Doch neben den hohen Kosten schreckt die Importeure zusätzlich, dass es kaum möglich ist, die eingeforderten Gutachten in so kurzer Zeit auszufertigen. Nun wird mit dem Ministerium über eine Fristverlängerung verhandelt.
Ein anderes Problem ist die Umstellung der Datenverarbeitung des Zolls. Diese erfolgt derzeit anscheinend europaweit. Doch während in anderen Ländern die alte Software parallel zum Update weiter betrieben wurde, entschied man sich beim türkischen Zoll für die radikalere Lösung. Mit dem Erfolg, dass Wartezeiten bei der LKW-Abfertigung von einer Woche aufgelaufen sind. Dass zudem das Transitkontingent türkischer LKWs für Ungarn ausgeschöpft ist, führt zu weiterem Chaos. Versuche auf LKW-Fähren auszuweichen führt dort zu verstärktem Andrang und wiederum Wartezeiten. Neben dem Problem, Lieferzeiten nicht einhalten zu können, gibt es unter den Frachten auch verderbliche Güter wie Obst und Gemüse. Bezifferbar sind Millionenschäden. Nicht bezifferbar ist der Schaden für den türkischen Export angesichts unzuverlässiger Lieferungen.
Und schließlich gibt es noch den Verdacht, dass derzeit die Zollkontrollen bei Importen intensiviert werden, um diese zu verzögern. Eine bessere Handelsbilanz zum Jahreswechsel wäre wünschenswert und so wird behauptet, dass ganze Container ausgepackt werden, um den Inhalt zu kontrollieren. Dies stellt natürlich Lieferketten auf den Kopf und führt andernorts zu weiteren Ausfällen.
Das Türkische Statistikinstitut gibt die Inflation im November mit 2,24 Prozent monatlich bzw. 47,09 Prozent im Jahreszeitraum an. Dieser Wert lag nicht nur über den Erwartungen, sondern nährt auch Enttäuschung angesichts der getroffenen Maßnahmen. Der Leitzins der Zentralbank liegt seit Monaten bei 50 Prozent, das hohe Zinsniveau hat zudem zu einem hohen Zufluss an Spekulationskapital geführt, der dazu führt, dass die Devisenkurse langsamer steigen als die Inflation. Davon hatte sich die Wirtschaftsführung erhofft, den Preisdruck zu dämpfen. Verwirklicht hat sich diese Hoffnung jedoch bisher nicht.
Kritiker der aktuellen Inflationspolitik erklären, dass allein Geldpolitik, d.h. hohe Zinsen, nicht ausreichen, sondern Strukturreformen erfolgen müssten. Zudem müsste auch der Staatshaushalt auf das Ziel der Inflationsbekämpfung ausgerichtet werden. Was unter Strukturreformen zu verstehen ist, bleibt vielfach offen. Das Spektrum reicht von einer Staatsreform bis zu Maßnahmen zur Förderung internationaler Direktinvestitionen. Wo im Haushalt Einsparungen möglich sind, bleibt meist auch im Dunkeln. Die angeführten Dienstfahrzeuge, die als Ausdruck von Verschwendung kritisiert werden, dürften kaum geeignet sein, einen nennenswerten Spareffekt hervorzubringen. Am plausibelsten erscheint eine Reform und strikte Anwendung der Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe. Würden hier tatsächlich Wettbewerbsbedingungen geschaffen, könnte dies zu relevanten Einsparungen und Qualitätsverbesserungen führen. Realistisch erscheint dies jedoch nur dann, wenn zugleich eine Reform der Politikfinanzierung erfolgte.
Sadi Özdemir hat in seiner Kolumne bei der Wirtschaftsplattform ekonomim außerdem den Gedanken von Asım Barlın Raum gegeben. Er ist Zollexperte und vertritt die Position, dass eine wesentliche Quelle der Inflation die Schattenwirtschaft ist. Wenn Geldflüsse aufgrund verdeckter Strukturen nicht erkennbar sind, ist es auch nicht möglich, durch politische Entscheidungen steuernd einzugreifen. Ein plausibler Gedanke, der wohl noch weitergeführt werden könnte. In den letzten Jahren verstärkt sich die Kritik an den Veröffentlichungen des Türkischen Statistikinstituts – insbesondere bei der Inflation. Dabei tauchen immer wieder Datenreihen auf, die einfach unplausibel sind. Weil Detaildaten jedoch nicht mehr veröffentlicht werden, sind sie nicht überprüfbar, was zu einem Glaubwürdigkeitsverlust führt. Die staatliche Statistik ist jedoch eine der wenigen Grundlagen für rationale wirtschaftspolitische Entscheidungen.