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Die Woche vom 17. bis zum 24. März 2023

Die Wahlvorbereitungen bestimmen die politische Tagesordnung. Dabei gibt es einige Bewegung zwischen den Parteienbündnissen. Antreten werden das Regierungsbündnis, das Bündnis aus sechs Oppositionsparteien sowie das Links-Bündnis mit der HDP. Nach der Wahlrechtsänderung im vergangenen Jahr haben die Bündnisse nur noch eine Bedeutung für kleinere Parteien, da es sie vor der 7prozentigen Sperrklausel für den Einzug ins Parlament bewahrt. Gleichwohl müssen die kleinen in einer Provinz ausreichend Stimmen sammeln, um ein Mandat zu gewinnen. Darum treten einige Parteien nicht selbst an, sondern stellen Kandidaten auf den Listen der großen Parteien. Die Verwirrung wird noch dadurch erhöht, dass die HDP selbst nicht antritt, sondern ihre Liste über die Partei der linken Grünen einreicht, um gegen ein Blitzurteil im schwebenden Verbotsverfahren zu entgehen. Die Teilnahme an der Parlamentswahl als eigenständige Partei ist nicht nur eine Prestigefrage, sondern ermöglicht es bei ausreichendem Stimmenanteil in den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung zu kommen.

Wahlvorbereitungen

Während immer mehr Meinungsumfragen einen Vorsprung der Opposition sowohl bei der Präsidenten- als auch bei der Parlamentswahl vorhersehen, werden hinter den Kulissen die Kandidatenlisten erstellt. In der vergangenen Woche hatte die AKP Kontakte zur Hüda Par und Yeniden Refah Partei aufgenommen, um sie für sich zu gewinnen. Während die Hüda Par ihre Unterstützung für Staatspräsident Erdoğan erklärte, beschloss die Yeniden Refah Partei (YRP), ihren Vorsitzenden Fatih Erbakan als Präsidentschaftskandidaten zu nominieren. Beide Parteien verfügen laut Meinungsumfragen über kaum ein nennenswertes Stimmpotenzial. Gleichwohl hatte das Bemühen der AKP um diese beiden islamistischen Parteien beträchtliches Aufsehen erregt. Am 24. März 2023 wiederum erklärte die YRP, sich dem Regierungsbündnis anzuschließen. Ihr Vorsitzender Fatih Erbakan zog seine Präsidentschaftskandidatur zurück. Hüdapar wiederum will das Bündnis von außen unterstützen, gleichwohl Kandidaten auf die AKP-Liste bringen.

Offiziell nominiert wurden als Präsidentschaftskandidaten bisher Recep Tayyip Erdoğan und Kemal Kılıçdaroğlu, weil ihre Benennung durch einen Fraktionsbeschluss der sie unterstützenden Parteien erfolgen konnte. Die übrigen Kandidaten haben nun begonnen, Stützunterschriften zu sammeln. Sie müssen binnen fünf Tagen 100.000 Unterschriften sammeln. Als aussichtsreiche Kandidaten, die diese Hürde überspringen können, wirkt im Augenblick nur der frühere CHPler und jetzige Vorsitzende der Memleket Partei Muharrem Ince. Muharrem Ince musste für seine Kandidatur viel Kritik von Anhängern der Opposition einstecken. Diese hofft, die Kräfte zu vereinigen und die Präsidentschaftswahl im ersten Wahlgang zu entscheiden. Gelingt es keinem Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich zu vereinigen, geht es zwei Wochen später in eine Stichwahl, bei der eine einfache Mehrheit ausreicht.

Derweil setzt der Kandidat des größten Oppositionsbündnisses Kemal Kılıçdaroğlu seine Besuche anderer Parteien fort. Mit Spannung wurde dabei sein Besuch bei der HDP am 20. März 2023 erwartet. Am 22. März erklärte dann das von der HDP geführte Linksbündnis, dass es keinen eigenen Kandidaten für das Präsidentenamt aufstellen werde. Dies kann zwar als eine indirekte Unterstützung für Kılıçdaroğlu bewertet werden, eine offene ist es jedoch nicht.

Nachdem der Antrag der HDP, das gegen sie laufende Verbotsverfahren bis nach den Wahlen auszusetzen, abgelehnt wurde, hat diese Partei beschlossen, ihren Wahlkampf nicht als eigene Partei zu führen, sondern über ihre Partnerpartei der Linken Grünen. Damit soll verhindert werden, dass die HDP durch ein Blitzverbot im Wahlkampf von der Wahl ausgeschlossen werden könnte. Die HDP befindet sich außerdem in einem Bündnis mit mehreren Links-Parteien. Zwei von ihnen, die Türkische Arbeiterpartei (TIP) und die Arbeitspartei (Emep) wollen zwar im Bündnis sein, jedoch eigene Kandidatenlisten einreichen.

Am Samstag trat Türkan Elçi der CHP bei. Bereits zuvor war vermutet worden, dass die CHP ihr die Kandidatur für ein Parlamentsmandat anbieten werde. Die Witwe des ermordeten Vorsitzenden der Anwaltskammer Diyarbakır scheint mit ihrer Entscheidung einigen Unmut ausgelöst zu haben – es wird über Beleidigungen und Drohungen gegen sie berichtet.

Am 9. April werden die Kandidatenlisten für die Parlamentswahl abgeschlossen. Als AKP-Vorsitzender hat Erdoğan angekündigt, dass er 17 Minister, darunter auch Vizepräsident Oktay, nominieren wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass er im Falle eines Wahlsieges das Kabinett vollständig umgestalten wird.

Beim Oppositionsbündnis der sechs Parteien wurde vereinbart, dass zunächst jede Partei ihre eigenen Listen erstellt, diese dann jedoch in einer Sitzung der Parteivorsitzenden gemeinsam beraten werden. Im Gespräch ist, dass die CHP einzelne Kandidaten der kleineren Parteien auf ihre Liste aufnehmen könnte. Auch könnte sie in einzelnen Provinzen auf die Aufstellung von Kandidaten verzichten, um die Iyi Partei zu unterstützen.

Als ein Gradmesser für die Stimmung vor der Wahl kann auch der Andrang auf die Parlamentslisten der Parteien betrachtet werden. Hier geht die CHP davon aus, dass sie doppelt so viele Bewerbungen erhält als bei der Parlamentswahl 2018.

Türkei und Ägypten wollen wieder Botschafter austauschen

Nach dem Militärputsch in Ägypten 2013 hatte die Türkei ihren Botschafter abgezogen, Ägypten folgte. In den folgenden Jahren bot die türkische Regierung der ägyptischen Opposition großen Freiraum für Aktivitäten in der Türkei. Seit zwei Jahren nun bemüht sich die türkische Regierung um eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Sie hat Sendungen der ägyptischen Opposition von der Türkei aus unterbunden, einige Exilpolitiker haben die Türkei verlassen. Im Februar besuchte erstmals ein ägyptischer Außenminister wieder die Türkei, der türkische Außenminister Çavuşoğlu folgte am 18. März mit einem Gegenbesuch. Bei der anschließenden Pressekonferenz erklärten beide Minister, dass geplant sei, die diplomatischen Beziehungen wieder auf Botschafter-Niveau zu bringen.

Mehmet Şimşek kommt doch nicht

Am 20. März traf sich Staatspräsident Erdoğan mit dem früheren AKP-Finanzminister Mehmet Şimşek. Reuters bewertete das Treffen im Vorfeld als Plan, diesen zur Rückkehr auf diese Position zu bewegen. Nach dem Gespräch wurde jedoch nur erklärt, dass Mehmet Şimşek nicht daran denke, in die aktive Politik zurückzukehren.

Dass es zu dem Treffen kam und es der Öffentlichkeit bekannt wurde, deutet auf einige Erwartungen bei der AKP hin. Die Rückkehr von Şimşek wäre vermutlich als Signal für eine Revision der aktuellen Geldpolitik bewertet worden. Für Şimşek wiederum muss das Treffen zumindest die Aussicht geboten haben, dass es sich lohnend erscheine. Einig wurde man sich nicht – vermutlich weil man sich über die Kompetenzen nicht einig werden konnte.

Gleichwohl deutet manches darauf hin, dass auch im Regierungslager das Bewusstsein steigt, dass eine Änderung der Niedrigzinspolitik erforderlich ist. Gleichwohl wird bis zu den Wahlen keine Änderung erwartet. Dementsprechend ließ der Geldrat der türkischen Zentralbank bei seiner Sitzung am 23. März 2023 den Leitzins bei 8,5 Prozent.

Derweil hat sich die Regierung auf ihre soziale Verantwortung besonnen und eine Erhöhung der Mindestrente von 5.500 TL auf 7.500 TL angekündigt. Das Gesetz soll nach Möglichkeit in der kommenden Woche vom Parlament verabschiedet und bereits im April angewendet werden. Angesichts der hohen Inflation reicht eine Mindestrente bisher nicht zum Lebensunterhalt, doch auch nach der Erhöhung kommen zwei Personen nicht damit aus. Unklar ist zudem, ob auch die übrigen Renten erhöht werden. Zu beobachten ist nur die große Eile, mit der vor den Wahlen der Druck auf die Bevölkerung verringert werden soll.