Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen
Der Wahlkampf zeigt sich von seiner schmutzigen Seite. Fotos von Geld zählenden CHP-Mitgliedern wurden in Umlauf gebracht und damit ein Bestechungsvorwurf verbunden. Die CHP erklärt, dass das Foto nicht aktuell sei und im Rahmen des Erwerbs eines Gebäudes aufgenommen wurde. Ein Beteiligter gibt an, dass es sich um Spendengelder gehandelt habe. Der Verkauf einer Immobilie per Barzahlung mag vielleicht nicht verboten sein, eine gute Praxis ist es jedoch nicht. Ob die Kampagne Einfluss auf das Wahlergebnis haben wird, bleibt offen. Vermutlich eher nicht, denn die türkische Öffentlichkeit hat weit brisantere Korruptionsvorwürfe gehört, ohne dass dies der AKP die Macht gekostet hätte.
Die Neue Wohlfahrtspartei (YRP) will in Elazığ im Zuge des Kommunalwahlkampfes eine Kundgebung durchführen. Dazu wählte die Partei einen Platz, auf dem zwei Wochen zuvor der Staatspräsident seine Kundgebung durchgeführt hatte. Doch sie erhielt vom Kreiswahlrat eine Absage. Der ausgewählte Platz sei für Kundgebungen nicht zugelassen. Ist der doppelte Maßstab bereits ein Problem, so wird es umso schwerwiegender, wenn diese Entscheidung durch den Kreiswahlrat erfolgt, der für alle Einsprüche gegen die Wahl zuständig ist. Die Vorsitzenden dieser Räte sind Richter.
Vielleicht kann man diese Entscheidung auch als Gradmesser für die Verärgerung in der AKP betrachten. Die YRP war bei den Wahlen im vergangenen Jahr Teil des Regierungsbündnisses. Doch bei der Kommunalwahl konnte man sich nicht einigen. Dies bereitet nicht nur bei der Oberbürgermeisterwahl in Istanbul Probleme. In Urfa beispielsweise ist die YRP Umfragen zufolge die zweitstärkste Partei.
Am 14. März 2024 wurde im Staatsanzeiger die Präsidialentscheidung veröffentlicht, dass eine zwei Tage zuvor erlassene dringliche Verstaatlichung von Grundstücken in Akbelen (Provinz Muğla) aufgehoben wird. Der AKP-Bürgermeisterkandidat Aydın Ayaydın gibt an, dass diese Entscheidung aufgrund seiner Bitte getroffen wurde.
Seit dem vergangenen Sommer ist der Kohlebergbau von Akbelen auf der Tagesordnung. Umweltschützer solidarisierten sich mit der lokalen Bevölkerung. Die Regierung wiederum begründet ihre Kohlepolitik damit, dass auf diese Weise die Importabhängigkeit bei der Energieversorgung verringert werde. Demgegenüber stellt Didem Eryar Ünlü in einem Beitrag für ekonomim fest, dass die Türkei zwar starke Zuwächse bei der Stromerzeugung mit Kohle ausweist, dabei jedoch zu 60 Prozent Importkohle verwendet, die überwiegend aus Russland eingeführt wird. Neben dem Umweltschutz kommt noch das Problem einer wachsenden Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung hinzu.
Da weder die Entscheidung für die Verstaatlichung noch für ihre Rücknahme nachvollziehbar sind, bleibt offen, ob nicht unmittelbar nach der Wahl eine neue Verstaatlichungsentscheidung ergeht.
Wie unvorhersehbar der Alltag in der Türkei ist, lässt sich auch am Beispiel der Filmproduktionen deutlich machen. In der Wirtschaftsplattform ekonomim berichtet Vahap Munyar von einem Unternehmen, das sich auf die Vermittlung von Drehplätzen spezialisiert hat. Es verfügt über 7.000 Häuser und Wohnungen, die man über eine Webseite auswählen kann. Bedenkt man, dass ein Grundstück normalerweise über drei Nachbarn verfügt, werden 21.000 Häuser unmittelbar von dieser Tätigkeit beeinflusst. Solche Filmteams bestehen üblicherweise aus mehr als einem Dutzend LKW und Karavan und treten mit 50 bis 100 Beteiligten auf. Es gibt Lärm, Verkehr, Abfall und Lichtbelästigung. Sie kommen morgens um 7:30 Uhr und arbeiten bis Mitternacht. Regeln, die für andere Gewerbe gelten, werden von den Kommunen nicht durchgesetzt, denn diese verdienen selbst durch Gebühren an diesem Geschäft.
Anlässlich des 8. März, dem Frauentag, wurden zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt und Reden gehalten. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen in der Türkei nur rund halb so hoch liegt, wie in der EU. Gazete Duvar veröffentlichte eine Grafik, in der die Erwerbsbeteiligung nach Geschlecht und Bildungsabschluss dargestellt wird. Parallel mit dem Bildungsniveau steigt auch die Erwerbstätigkeit von Frauen. Liegt sie bei jenen ohne Schulabschluss bei 13,9 Prozent und jenen mit Volksschulabschluss bei 27,1 Prozent, so erreicht sie unter Akademikerinnen 68,8 Prozent.
Das Bildungsministerium war vor kurzem mit dem Rundschreiben hervorgetreten, das „untürkische Feiertage“ an türkischen Schulen verbot. Gemeint waren Weihnachten und Ostern. Nun wurde in einem Beispielmaterial für den Biologieunterricht statt der Evolutionstheorie die Schöpfungstheorie verwendet. Lehrer geben an, dass sie schon lange nicht mehr direkt von der Evolution sprechen, das Prinzip jedoch praktisch im Unterricht verwenden.
Man mag lächeln, wenn eine Theorie, die unter amerikanischen Rechten und christlich-religiösen Eiferern in den Schulunterricht montiert werden soll. Doch wenn, statt sich im Religionsunterricht einen Kopf über die Vereinbarkeit von Naturwissenschaften und Religionen zu machen, die Naturwissenschaften hintan gestellt werden, zeugt dies nur von dem Bemühen, das Denken folgender Generationen ideologisch zu überformen.
Der Kolumnist der Tageszeitung Sözcü Ege Cansen merkt an, dass aufgrund des fehlenden Inflationsausgleiches junge Rentner eine hohe, ältere dagegen eine niedrige Rente erhalten. Doch würde der Inflationsausgleich vorgenommen, würde die Rentenversicherung bankrott gehen. Die CHP dagegen gießt – wohl mit Blick auf das Wählerpotenzial – noch Öl ins Feuer. Auf diese Weise könnte bald vielleicht auch die Rente ab der Geburt auf die Tagesordnung kommen. Aufgrund der politischen Herangehensweise wird eine rationale Diskussion des Themas verstellt.
Wenn der Kreis der Anspruchsberechtigten kontinuierlich ausgeweitet wird – wie beispielsweise mit der Frühverrentung im vergangenen Jahr – bleibt natürlich kein Geld für die Zahlung einer Rente, die ein menschenwürdiges Leben im Alter zulässt.
Wie vor jeder Wahl wird heiß darüber diskutiert, wie die Wirtschaftspolitik nach der Wahl fortgesetzt wird. Zurzeit ist zu beobachten, dass eine hohe Nachfrage nach Devisen und Gold besteht. Dies steht in einem direkten Widerspruch zu den Zielen, die die Zentralbank und Finanzminister Şimşek formuliert haben. Diese erklären, dass die Inflationsbekämpfung Priorität habe und damit zu rechnen sei, dass die Türkische Lira an Wert gewinnt.
Der Kolumnist der Tageszeitung Karar Mehmet Ali Verçin ist den Aussagen von Finanzminister Şimşek in einem Fernsehinterview nachgegangen. Dieser hatte erklärt, dass sich die Aufwertung der Türkischen Lira fortsetzten werde. Indirekt hatte er auch eine Zinserhöhung nicht ausgeschlossen. Die Steuersätze würden nicht erhöht und es würden ergänzende Schritte unternommen, um die Nachfrage zu drosseln. Das Szenario könnte Verçin zufolge so aussehen: Durch eine Zinserhöhung werden internationale Finanzmarktinvestitionen angeregt. Der Zustrom von Devisen erhöht den Wert der Türkischen Lira und stärkt die Zentralbankreserven. Aufgrund einer Verbesserung der Risikobewertung (CDS) sinken Zinsen und entlasten damit den Haushalt. Der Druck auf Steuererhöhungen ließe dann nach. Statt Steuern zu erhöhen könnte vielmehr einige Steuervergünstigungen abgeschafft werden. Schritte zur Verringerung der Nachfrage wurden durch die Begrenzung des Anstiegs der Kredite bereits eingeleitet. Erwartet werden weitere Schritte für Kreditkarten.
Ob sich ein solches Szenario verwirklichen lässt, hängt jedoch von einer Reihe von Unwägbarkeiten ab. Ein Wertanstieg der Türkischen Lira dämpft den Export und fördert Importe. Dies verschlechtert die Leistungsbilanz und erhöht die Arbeitslosigkeit. Die Verringerung der Binnennachfrage wiederum drückt auf das Wirtschaftswachstum. Offen bleibt zudem, ob internationale Anleger nach der Kommunalwahl tatsächlich in größerem Maße Interesse am türkischen Markt zeigen werden.
Während die Weltmarktpreise für Lebensmittel weltweit sinken, gehören sie in der Türkei zu den wichtigsten Triebfedern der Inflation. Die Regierung versucht – beispielsweise beim Fleisch – durch Importe gegenzusteuern und stößt dabei auf die Kritik der Bauern. Angesichts beständig steigender Kosten erhalten sie nicht den Gegenwert für ihre Arbeit.
In einem Beitrag für das Wirtschaftsportal ekonomim beschreibt der Landwirtschaftskolumnist Ali Ekber Yıldırım seine Eindrücke einer ausgedehnten Reise durch die Türkei, bei der er an zahlreichen landwirtschaftlichen Veranstaltungen teilnahm.
Zunächst weist er auf die enorme Planungsunsicherheit der Landwirte hin. Es soll zu einem neuen Landwirtschaftssystem übergegangen werden, in dem Über- und Unterproduktion durch eine Planung des Landwirtschaftsministeriums vermieden werden soll. Doch bisher gibt es keine Anhaltspunkte über den Stand der Planung. Ein weiteres Fragezeichen ist, dass das Landwirtschaftsministerium mit dem Türkischen Statistikinstitut eine Kooperation eingegangen ist, die 2026 zu einem aktuellen Inventar der türkischen Landwirtschaft führen soll. Doch wie soll zuvor die inzwischen gesetzlich verankerte Planung erfolgen, wenn die Daten erst 2026 vorliegen? Und die Bauern machen sich Sorgen um die Abnahmepreise. Die Weizendepots sind noch randvoll gefüllt mit der Ernte des vergangenen Jahres. Wohin also mit der neuen Ernte? Und wird es – wie beispielsweise beim Olivenöl – weitere Exportverbote geben? Oder wie beim Sonnenblumenöl neue Importe?
Bedenkt man, dass in den meisten Teilen der Türkei im März und April die Anbausaison beginnt, so sind dies durchaus ernste Fragen, zu denen bisher von Verantwortlichen nichts zu hören ist.