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Nachdem in dieser Woche viel Außenpolitik gemacht wurde, steht am nächsten Wochenende der Parteitag der Iyi Partei bevor. Doch im Vorfeld gehen die Austritte weiter und auch in den Meinungsumfragen nach der Kommunalwahl schneidet die Partei schlecht ab. Sollte die Iyi Partei ausfallen, so sammelt sich die Opposition weitgehend um die CHP und die DEM. Doch auch in der AKP dringen häufiger Diskussionen nach außen und das Klima im Regierungsbündnis wirkt gespannt. Die Zentralbank hat zwar den Leitzins unangetastet gelassen, doch hätte auch eine weitere Zinserhöhung vermutlich die Inflationserwartungen kaum verändert.
Während Staatspräsident Erdoğan einen Tagesbesuch im Irak machte, führte Bundespräsident Steinmeier einen dreitägigen Türkei-Besuch durch. Hinzu kam noch der Besuch des ägyptischen Außenministers. Außerdem besuchte am Wochenende der Hamas Führer Haniye die Türkei.
Der Haniye-Besuch wurde unterschiedlich aufgenommen. Nachdem Katar bei den Vermittlungsversuchen zwischen der Hamas und Israel zunehmend unter Druck gerät, scheint die türkische Regierung in die Bresche springen zu wollen. Indem sie ihre Solidarität mit der Hamas signalisiert will sie vermutlich deren Bewegungsspielraum bei Verhandlungen vergrößern. Auf der anderen Seite bringt zu große Nähe zur Hamas die Türkei ins Abseits gegenüber ihren westlichen Verbündeten.
Der Irak Besuch von Staatspräsident Erdoğan ist das letzte Glied in einer Kette hochrangiger Gespräche, bei denen es insbesondere um Sicherheitspolitik ging. Der Tagesbesuch führte Erdoğan nach Bagdad und Erbil und mündete in der Erklärung des türkischen Präsidenten, dass er hoffe, dass das Thema PKK bald von der Tagesordnung verschwinde. Bei dem Besuch wurden außerdem zahlreiche Abkommen unterzeichnet, darunter auch zur gemeinsamen Nutzung von Wasser sowie dem Transfer von Öl und Erdgas in die Türkei. Und es wurde ein Vertrag zur Entwicklung eines „Entwicklungsweges“ von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar über den Irak in die Türkei unterzeichnet. Letzterer war nach dem G20-Gipfel als Reaktion auf eine geplante Handelsroute zwischen Saudi Arabien und Israel ins Gespräch gebracht worden.
Der Türkei-Besuch von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier beinhaltete wohl alle wesentlichen Facetten der deutsch-türkischen Beziehungen. Aufhänger war das hundertjährige Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern. Er besuchte den Bahnhof Sirkeci in Istanbul, von dem aus viele Türken ab den 1960er Jahren die Reise nach Deutschland antraten. Er informierte sich bei der deutschen Wirtschaft in der Türkei, besuchte eine Schule, die mit deutscher Hilfe gebaut wurde. Aber er führte auch politische Gespräche mit Ekrem İmamoğlu, Özür Özel und Mansur Yavaş. Das Gespräch mit Staatspräsident Erdoğan dauerte zwei Stunden. Bei der anschließenden Pressekonferenz drängte der türkische Präsident auf Fortschritte bei den Visums-Problemen und forderte mehr Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus. Er kritisierte die Einschränkungen bei Rüstungsprojekten sprach von der beispiellosen Gewalt Israels in Gaza.
Steinmeier dagegen erinnerte daran, dass es der Angriff der Hamas auf Israel war, der den Krieg auslöste. Die Perspektive einer Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verband er mit der Wichtigkeit von Rechtsstaatlichkeit. Die Botschaft war, gemeinsame Interessen herauszustellen und gemeinsam daran zu arbeiten.
Der Besuch war von deutscher Seite mit der Hoffnung verbunden worden, neuen Schwung in die bilateralen Beziehungen zu bringen. Erforderlich wäre dazu jedoch, dass zumindest auf einem der zahlreichen Problemgebiete Fortschritte erzielt werden. Die Visumsfrage eignet sich vielleicht dazu am besten.
Derweilen halten die Spekulationen über ein am 9. Mai geplantes Treffen zwischen Staatspräsident Erdoğan und US-Präsident Biden in Washington an. Erst wurde gemeldet, das Treffen sei abgesagt, dann erklärte ein Vertreter des Weißen Hauses, es gäbe keine Pläne für ein solches Gespräch. Die Kolumnistin von T24 Cansu Çamlıbel bewertet die Spekulationen über eine Absage des Treffens als Zeichen, dass im Vorfeld intensive Verhandlungen stattfinden, die noch nicht abgeschlossen sind. Eine ihrer Quellen ist jedoch sicher, dass das Treffen – wenn vielleicht auch nicht am 9. Mai – stattfindet.
In einem Kommentar für die Wirtschaftsplattform ekonomim hat sich der Kolumnist Mete Belovacıklı mit dem Erscheinungsbild von drei Parteien nach der Kommunalwahl auseinandergesetzt. Zunächst geht er auf die Diskussionen innerhalb der AKP ein. Dort ergibt sich ein sehr vielschichtiges Bild. Es gibt Diskussionen zwischen Gründungsmitgliedern und neuen Mitgliedern, ehemaligen und aktiven Abgeordneten, in die sich von Zeit zu Zeit auch Berater des Präsidenten einschalten. Während die einen erklären, die AKP habe den Bezug zur Basis verloren, erklären andere, dass diese mit religiösen Bezügen den Kontakt zur Jugend verliert.Belovacıklı ist sich sicher, dass die Diskussion durch den Vorsitzenden entschieden wird. Doch auch wenn Erdoğan ein Machtwort spricht, rechnet er nicht damit, dass die AKP kurzfristig zur Ruhe kommt.
Bei der Iyi Partei treten nächstes Wochenende beim Parteitag drei Kandidaten an. Mit der Wahl verbindet sich auch die Frage nach der künftigen Ausrichtung der Partei. BElovacıklı weist auf Tolga Akalın als einen Kandidaten hin, der die Iyi Partei weiter in der Opposition sieht und an eine Kooperationsmöglichkeit mit der CHP auf der Grundlage der Werte der Türkischen Republik glaubt. Auf der anderen Seite halten die Austritte prominenter Politikerinnen und Politiker an. Egal wer die Wahl gewinnt, neben der Neuausrichtung der Partei gilt es wohl zunächst die Iyi Partei zu stabilisieren.
Bei der CHP sieht Belovacıklı eine Dreierspitze aus dem Vorsitzenden Özel, Istanbuls Bürgermeister İmamoğlu und Ankaras Bürgermeister Yavaş. Man muss kein Hellseher sein, wenn man Konflikte zwischen den dreien voraussieht. Belovacıklı glaubt, dass in den kommenden zwei Jahren sich die politische Landschaft neu formt und dass dann auch vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen möglich sind.
Ein Treffen zwischen dem Staatspräsidenten und dem Vorsitzenden der größten Oppositionspartei liegt so weit jenseits des politischen Alltags der Türkei, dass es scheinbar wie ein Gipfeltreffen verfeindeter Staaten vorbereitet wird. Anlässlich des Feiertages am 23. April lud Staatspräsident Erdoğan die Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien auf einen Tee ein. Bei diesem Anlass kam es zu einem kurzen Gespräch zwischen ihm und Özgür Özel. Erwartet wird nun, dass das eigentliche Gespräch in der kommenden Woche stattfindet.
Im Vorfeld hatte Staatspräsident Erdoğan erklärt, dass eines der zu besprechenden Themen die Entwicklung einer neuen Verfassung sei. Der CHP-Vorsitzende Özel merkte an, dass er zu diesem Thema nichts sagen werde, solange er nicht den Staatspräsidenten gehört habe. Doch er erwarte, dass dieser, bevor es um eine neue Verfassung geht, er die bestehende achte. Er verwies dabei auf Urteile des Verfassungsgerichts zum inhaftierten Can Atalay und zur 1. Mai Kundgebung auf dem Istanbuler Taksim Platz.
Zu letzterer Frage versuchte sich Innenminister Yerlikaya an einer Spitzfindigkeit. Man habe eine Kundgebung auf dem Taksim Platz ja nicht verboten, man habe nur eine Einschränkung verhängt. Bisher bestanden diese „Einschränkungen“ darin, dass nur kleine Gewerkschaftsdelegationen zum Gedenken an den Anschlag vom 1. Mai 1977 auf den Platz gelassen, der ansonsten jedoch mit einem massiven Polizeiaufgebot abgeriegelt wurde.
Derweil zeigt sich der MHP-Vorsitzende zunehmend verärgert. In der vergangenen Woche warf er Finanzminister Şimşek vor, in den USA von „locals“ gesprochen zu haben, die man erst von der Wirksamkeit der Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung überzeugen müsse. Dies sei ein Jargon des Kolonialismus. Dann veröffentlichte er ein Video, dessen Hintergrundmusik Aufsehen erregte. Die Musik erzählt die Enttäuschung einer gebrochenen Freundschaft. Ob diese Aktionen jedoch mehr sind als der Ausdruck von Unzufriedenheit, bleibt offen.
Und die CHP ist ohnehin immer für eine Diskussion gut. Der frühere Vorsitzende Kılıçdaroğlu hat sich zu Wort gemeldet und von einem Gespräch mit Staatspräsident Erdoğan abgeraten. Dieser plane eine Verschärfung wirtschaftspolitischer Einschnitte und suche nach einer Legitimation lautete sein Einwand. Ohnehin hatte er während seiner Zeit als Vorsitzender es stets abgelehnt, das Präsidentenpalais zu besuchen.
Die Zentralbank hat den Leitzins bei 50 Prozent belassen, zugleich jedoch festgestellt, dass die Inflation im März über dem Erwartungswert gelegen hat. Als Grund sieht sie eine anhaltend hohe Nachfrage. Überraschend war dies nicht, hatten doch Finanzminister Şimşek und Zentralbankpräsident Kahraman dies bereits in ihren Beiträgen zu den Tagungen von IMF und Weltbank angekündigt.
Betrachtet man jedoch das Echo dieser Entscheidung, so liegt wohl das größte aktuelle Problem darin, sowohl die Bevölkerung als auch die Experten davon zu überzeugen, dass das gesetzte Inflationsziel von 36-40 Prozent zum Jahresende tatsächlich erreicht werden kann. Für die Bevölkerung ist ein Rückgang der Inflation nicht spürbar. Experten wiederum bemängeln, dass allein durch Zinserhöhungen der Kreislauf der Preissteigerungen nicht gebrochen werden kann. Staatspräsident Erdoğan hat Sparmaßnahmen angekündigt. Doch wo diese ansetzen sollen, bleibt offen. Grundsätzlich steigt die Erwartung, dass Finanzminister Şimşek ein umfassendes Wirtschaftsprogramm vorlegt. Bisher sind jedoch keine Vorbereitungen erkennbar.