Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen
Die Meldungen in den Medien über den geschätzten Rentenanstieg bzw. Beamtengehältern im zweiten Halbjahr oder auch Zahltage nehmen zu. Man kann es wohl auch als Indikator für steigende Engpässe werten. Ins Bild passt auch, dass das Meinungsforschungsinstitut Metropoll einen hohen Rückgang der Unterstützung des Regierungsstils von Staatspräsident Erdoğan feststellt, während die zur Politik des CHP-Vorsitzenden Özel ansteigt.
Mir kam die geplante Änderung des Tierschutzgesetzes wie ein Ablenkungsmanöver vor. Dass es Widerstand gegen den Plan geben würde, nicht vermittelbare Hunde im Tierheim einschläfern zu lassen, war offensichtlich. Ebenso offensichtlich war außerdem, dass sich das Phänomen der Straßenhunde auf diese Weise nicht lösen lässt. Doch der Widerstand wirkt heftiger als von der Regierung vorhergesehen. Und es sind nicht nur liberale Kreise, die heftig protestieren. Auch die islamisch-konservative YRP erklärte, es sei allein Allah, der über Leben und Tod entscheiden dürfe. Nun sah sich die AKP genötigt zu erklären, dass nicht an die Vernichtung aller herrenlosen Hunde gedacht sei.
Ein anderes Problem ist die Lage der Rentner. Die CHP hat am Sonntag in Ankara eine Kundgebung durchgeführt, die eine stattliche Größe vorweisen konnte. Am gleichen Tag wurde gemeldet, dass der Kaufkraftverlust einer Mindestrente nach offiziellen Daten in den ersten fünf Monaten des Jahres bereits bei knapp 4.000 TL liegt. Eine Lösung ist nicht einfach. İbrahim Kahveci hat in einem Beitrag für die Tageszeitung Karar einen Vergleich mit Deutschland angestellt. In der Türkei liegt die Relation von Beitragszahlern zur Rentenversicherung und Rentenempfängern bei 1,4. D.h. dass auf 1,4 Beschäftigte ein Rentner entfällt. In Deutschland liegt diese Relation bei 2,0. Während man in der Türkei bereits mit 40-50 Jahren in Rente gehen kann, steigt das Rentenalter in Deutschland schrittweise auf 67 Jahre an. Zukunftsfähig ist das System in der Türkei nicht: heraus kommen Renten, die nicht für den Lebensunterhalt reichen.
Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel hat die neue App seiner Partei vorgestellt. Sie besteht aus den drei Modulen Bildung, Koordination und Kontrolle, die beträchtliche Auswirkung auf die Politik haben können. Bisher kann sie nur von Parteitagsdelegierten sowie den Vorsitzenden der Kreis- und Provinzgliederungen benutzt werden, soll aber in sechs Wochen allen Mitgliedern zur Verfügung stehen. Eines der Hauptziele soll es sein, die innerparteiliche Meinungsbildung durch Abstimmungen zu intensivieren. Im Bildungsmodul lassen sich Zertifikate erwerben, die Voraussetzung für die Kandidatur zum Stadtrat oder Kreis-/Provinzvorsitzenden werden sollen.
Am Samstag machten die Angehörigen von im Polizeigewahrsam verschwundenen und Menschenrechtsaktivisten zum 1.000sten Mal ihre Protestkundgebung vor dem Galatasaray Lise in Istanbul. In den letzten Jahren war diese Kundgebung stets von Festnahmen begleitet, dieses Mal jedoch wurde der Protest zugelassen. Die Vorsitzende der Istanbul Niederlassung des Menschenrechtsvereins wies darauf hin, dass nach wie vor das Schicksal vieler Verschwundener nicht geklärt ist. Einige wenige konnten in namenlosen Gräbern, mit Spuren schwerer Folter gefunden werden.
Ein Anwaltsverein hat auf einige Ungereimtheiten bei der Anordnung von Untersuchungshaft für Teilnehmer an der 1. Mai Demonstration in Istanbul hingewiesen. Insgesamt wurden 261 Personen verhaftet und zusammen mit den später Festgenommenen gegen 74 Personen Haftbefehl erlassen. Der Anwaltsverein weist darauf hin, dass die meisten Vorwürfe sich auf Verstoß gegen das Demonstrationsrecht sowie Missachtung von Anordnungen von Beamten beziehen. Das Schlagen auf einen Polizeischild wurde als Beschädigung öffentlichen Eigentums angeführt. In einem Fall wurde bei einer Hausdurchsuchung ein Buch gefunden, das eine Kritik an der Politik Öcalans zum Thema hat. Anscheinend ohne den Inhalt zu kennen, wurde es als Propaganda für eine Terrororganisation bewertet und auch der Autor gleich mit festgenommen, obgleich er an der Maidemonstration nicht teilgenommen hatte. Außerdem wurde zur Haftbegründung auf frühere Ermittlungen gegen eine Person hingewiesen, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass in dieser Sache ein Freispruch ergangen war.
74 Festnahmen nach einer Maidemonstration? Zuwiderhandlung gegen die Anweisung eines Beamten, die mit großer Wahrscheinlichkeit als verfassungswidrig eingestuft werden müsste? Es macht ganz den Eindruck, als ob hier Menschen von ihrem Demonstrationsrecht abgeschreckt werden sollen.
1989 hatte der Istanbuler Stadtbezirk noch 37.000 Einwohner. Zwanzig Jahre später waren es schon 370.000 und heute variieren die Schätzungen zwischen 1-1,5 Mio. Einwohnern. Esenyurt ist damit der bevölkerungsreichste Landkreis der Türkei. Hier leben Menschen aus allen Teilen der Türkei, aber auch 101 Nationalitäten. Die Tageszeitung Karar brachte ein Interview mit dem neugewählten Bürgermeister Özer. Als eines der wichtigsten Probleme schildert er, dass Menschen, die vom Land in die Stadt ziehen, nicht von einem Moment zum anderen zu Städtern werden. Sie sind keine Dörfler mehr und noch keine Städter. Dementsprechend könne man von drei Städten in dem Stadtbezirk sprechen: einer, die an Europa erinnert, eine die Bangladesch erinnert und schließlich die Stadt der frustrierten Rentner. Das vordringlichste Ziel ist Özer zufolge, diese drei Bevölkerungsgruppen zusammenzubringen. Dementsprechend kommen Kultur und Sport, sozialen Hilfen, aber auch der Erhöhung der Qualität des Gewerbes zentrale Bedeutung zu.
Die Regierung plant eine Stiftung zur Stärkung des Außenministeriums zu gründen. Die Opposition wendet ein, dass kaum eine Woche seit der Einsparungsverordnung des Staatspräsidenten vergangen ist, nun jedoch bereits begonnen werde, diese Anordnung zu unterlaufen. Teil der Verordnung war beispielsweise ein Einstellungs- und ein Beschaffungsstopp. Da die geplante Stiftung dieser Vorschrift nicht unterliegt, aber über zahlreiche Schnittmengen in der Aufgabenstellung des Außenministeriums verfügt, fällt es leicht, Einstellungen und Beschaffungen über die Stiftung abzuwickeln. Hinzu kommt, dass eine solche Stiftung weitgehend der Kontrolle von Parlament und Rechnungshof entzogen ist.
Nach dem Erdbeben hatte die Regierung für die Industrie vergünstigte Kredite durch den Kredit Garantiefond aufgelegt. Der Nachteil dieser Kredite zeigt sich jedoch heute, denn diese Kredite wurden mit einem variablen Zinssatz vergeben. Während der Zinssatz im März 2023 bei 6-8 Prozent lag, ist er heute auf 60 Prozent gestiegen. Dies übersteigt die Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen. Die Industrie und Handelskammer Adıyaman fordert darum, die Kredite in festverzinsliche mit einem Zinssatz von 20 Prozent umzuwandeln.
Nun könnte man sagen, dass der Zinsanstieg alle Unternehmen in gleicher Weise trifft. Doch zum einen mussten viele Unternehmen durch das Erdbeben hohe Einbußen hinnehmen und zum anderen kommt dem Arbeitsmarkt bei der Bewältigung der Katastrophe eine hohe Bedeutung zu. Gelingt es nicht, die Produktionsstätten zu erhalten, wird sich die Entvölkerung der betroffenen Provinzen fortsetzen.
Eine andere Geschichte zeigt, wie angekündigte Hilfe sich in ihr Gegenteil verkehren kann. Die Weltbank und die japanische Bank für internationale Zusammenarbeit hatten im Oktober 2023 ein Programm vorgestellt, dass Kleinst- und Kleinbetrieben in der Erdbebenregion zu Gute kommen sollte. Es sollten zinsfreie Kredite von 200.000-750.000 TL gewährt werden, wobei die ersten zwei Jahre tilgungsfrei sein sollten. Im Januar erhielten einige Unternehmen tatsächlich Kredite. Doch noch warten hunderte Betriebe auf die Zahlung, obgleich ihnen versprochen wurde, diese werde binnen eines Monats erfolgen. Wer sich darauf verlassen hat, macht angesichts der hohen Inflation beträchtliche Verluste. Nach Einschätzung der Betroffenen liegt das Problem nicht bei den beiden internationalen Mittelgebern, sondern auf türkischer Seite, die anscheinend mit der Bearbeitung überfordert war.
Die Tageszeitung Birgün teilt mit, dass allein im ersten Quartal 2024 Zahlungen in Höhe von 5,5 Mrd. TL für Projekte getätigt wurden, die aufgrund fehlerhafter Planung oder unzulänglicher Mittelbereitstellung nicht fertig gestellt werden konnten. Dabei entfielen allein auf die Errichtung des Stadtkrankenhauses in Aydın mehr als 2,8 Mrd. TL. Auf der anderen Seite hatten im vergangenen Jahr Verbände der Bauwirtschaft immer wieder darauf hingewiesen, dass aufgrund der hohen Inflation zahlreiche öffentliche Aufträge storniert werden müssten, wenn keine Ergänzungszahlungen gewährt würden.