Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 21. bis zum 28. Juni 2024

Nun ist die erwartete Strompreiserhöhung doch noch gekommen. Für Haushalte liegt die Preiserhöhung ab Juli bei 38 Prozent, bei Großverbrauchern bei 20 Prozent. Zusammen mit den Steuererhöhungen zum 1. Juli dürfte dies zwar nicht ganz so drastisch auf die Inflation wirken, wie im vergangenen Jahr, doch die erhoffte Rückgangsgeschwindigkeit der Jahresinflation dämpfen.

Spiel mit dem Feuer

Ekrem İmamoğlu hatte während seiner Deutschland-Reise von mehr als 2 Mio. Migranten in Istanbul gesprochen. Das türkische Innenministerium gab eine Presseerklärung heraus, dass es sich um etwas mehr als eine Million handele. Daraufhin erklärte Istanbuls Oberbürgermeister, dass man sage, dass sich in der Türkei mehr als zehn Millionen Migranten aufhielten und es Zeit sei, für Transparenz zu sorgen. Für zehn Stadtbezirke in Istanbul sei eine Anmeldesperre für Ausländer verhängt worden, weil die Quote von zwanzig Prozent der Wohnbevölkerung überschritten sei. Nähme man die Einwohnerzahl dieser Stadtbezirke und errechne die 20 Prozent, so käme man bereits für diese Stadtbezirke auf 1,2 Mio. Ausländer.

Ekrem İmamoğlu spielt da ein wenig mit Zahlen. Die Zuzugssperren werden nicht nach Landkreisen/Stadtbezirken, sondern Siedlungen verhängt. Wenn nicht alle Siedlungen eines Stadtbezirks gesperrt sind, ist seine Berechnung unrichtig. Dies dürfte zumindest seinen Beratern klar sein. Angesichts der steigenden ausländerfeindlichen Stimmung von „mehr als zehn Millionen Zuwanderern in der Türkei“ zu sprechen, ist dann wohl fahrlässig. Und welchem Zweck soll diese Zahl dienen? Vertrauen in die Regierung untergraben? Angesichts der Zahlenspiele bei Inflation und Arbeitslosigkeit genießen staatliche Statistiken ohnehin kein Vertrauen mehr.

Der Waldbrand von Diyarbakır und Mardin

15 Todesopfer kostete ein Waldbrand in der vergangenen Woche, der sich über zwei Provinzen erstreckte. Auch wenn das örtliche Energieunternehmen DEDAŞ unverzüglich eine Presseerklärung herausgab, dass der Brand nicht auf das Stromleitungsnetz zurückgehe und Strafanzeige gegen anderslautende Behauptungen androhte, kommt ein Expertenbericht der Niederlassung der Kammer der Elektroingenieure Diyarbakır zu dem Schluss, dass es vermutlich Fehler am Leitungsnetz waren, die den Brand auslösten. Sie verweisen dazu, dass sich an den Orten, an denen der Brand mutmaßlich begann, keine landwirtschaftlichen Flächen befanden, die bereits abgeerntet waren. Demgegenüber wurden schwerwiegende Mängel in der Elektroinstallation festgestellt. Neben fehlenden Vorkehrungen gegen Brandgefahr waren einige Leitungen zerfasert und Sicherungen überbrückt worden. Die vorgeschriebene technische Kontrolle war den Unterlagen zufolge nicht durchgeführt worden. Die Ärztekammer Mardin kommt in einem Gutachten außerdem zu dem Schluss, dass das Fehlen einer Station für Verbrennungen sowie der langsame Transport der Verwundeten zur Erhöhung der Zahl der Todesopfer beigetragen haben kann.

Steuerdiskussionen

Seit zwei Wochen wird über die Steuerpläne des Finanzministeriums berichtet. Es ist offensichtlich, dass dies nicht den Intentionen des Ministeriums entsprach. Darin finden sich viele kleine Steuerpläne – Steuerpauschalen für Motorradkuriere oder auf Trinkgelder beispielsweise - aber auch einige größere: Grundbesteuerung von Kapitalgesellschaften oder auch eine wirksame Kontrolle des Verhältnisses von deklariertem Einkommen und Großausgaben. Manche haben den Verdacht, dass die Diskussion über die „kleinen Steuern“ bewusst genutzt wird, um die großen Projekte zu verhindern. Andere denken, dass es Kreise in der Regierung bzw. Regierungsparteien gibt, die dem Finanzminister Şimşek schaden wollen.

Dieser traf sich am 24. Juni 2024 zu einem Treffen mit CHP-Politikern, geführt vom „Schattenminister“, dem für Finanzen zuständigen Mitglied Karatepe. Dieser erklärte, dass sie auf der einen Seite die sozialen Belastungen bei ausbleibender Erhöhung des Mindestlohns und der Mindestrente für unakzeptabel halten und pochte auf der anderen Seite auf mehr Steuergerechtigkeit. Viereinhalb Stunden hat das Gespräch gedauert, bei dem es zunächst zu keinen greifbaren Ergebnissen kam. Im Vorfeld bereits hatten regierungskritische Kolumnisten darauf hingewiesen, dass die Opposition bisher keine wesentlich anderen Vorstellungen vorgebracht habe als jene, die jetzt von der Regierung verfolgt werden.

Unbeeindruckt zeigt sich das Finanzministerium von der geballten Kritik nicht. Im Hinblick auf nicht eingetriebene Steuern erging an eine Anweisung an die Finanzämter, bei außergerichtlichen Vergleichen weder auf Steuerforderungen noch Steuerstrafen zu verzichten. Die Wirkung dieser Maßnahme müssen Fachleute bewerten, doch dürfte der Anreiz einer außergerichtlichen Einigung auf diese Weise stark sinken. Ob sich damit das Steueraufkommen wirklich erhöht?

Ein anderer Diskussionsstrang betrifft die Steuergerechtigkeit. Die Opposition kritisiert hier, dass die indirekten Steuern um 65 Prozent des gesamten Steueraufkommens ausmachen und fordert, dass die direkte Besteuerung von Einkommen erhöht werden müsse. In einem Beitrag für die Tageszeitung Karar rät Mehmet Ali Verçin jedoch zu einer Differenzierung. Zu den indirekten Steuern gehören beispielsweise auch die auf Kraftfahrzeuge. Kraftfahrtzeuge werden von der mittleren bis zur höchsten Einkommensgruppe gekauft und belasten aufgrund des hohen Importanteils die Leistungsbilanz. Zusammen mit der Besonderen Mehrwertsteuer werden damit 417 Mrd. TL Steuereinnahmen erzielt. Gemeint ist mit der Kritik der Opposition vermutlich eher die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und andere Konsumgüter, die ein Volumen von 1.372 Mrd. TL hat.

Ein Lob von der Weltbank

Der Türkei-Direktor der Weltbank Humberto Lopez sprach mit Cnbc-e. Dabei erklärte er, dass die Wachstumsperformanz der Türkei in den vergangenen zwanzig Jahren hervorragend gewesen sei. Durchschnittlich habe das Wachstum 5,4 Prozent betragen. Und während die Armutsrate 2005 noch bei 27 Prozent gelegen habe, sei sie 2021 auf unter acht Prozent gesunken.

Es ist offensichtlich, dass sich Herr Lopez an den offiziellen Statistiken orientiert. Die veränderten Berechnungsgrundlagen beim Bruttoinlandsprodukt hat er dabei außer Acht gelassen, die für einen Teil des Wachstums verantwortlich sind. Bei der Armut schaut er auf welche? Seit 2018 hat sich die Ungleichheit in der Einkommensverteilung stark vergrößert. Selbst bis in den Bereich mittlerer und höherer Einkommen zeigen Meinungsumfragen, dass die Haushalte auf Produkte verzichten müssen, die sie sich früher noch leisten konnten. Doch wenn Empfänger von Mindestrenten und Mindestlohn unter das Existenzminimum fallen, von einem Rückgang der Armut zu sprechen, wirkt makaber.

Die größten Industriebetriebe

Jedes Jahr gibt die Industriekammer Istanbul (ISO) in zwei Durchgängen eine Auswertung der Performanz der 1.000 größten Industriebetriebe der Türkei heraus. Auch wenn viel Aufmerksamkeit auf die Spitzenplätze verwendet wird, so geben die beiden Berichte doch vor allem Aufschluss über die Entwicklung der größten Industrieunternehmen und ihre Strategien.

In diesem Jahr hat ISO festgestellt, dass 2023 – bereinigt um die Inflation – die Verkäufe aus eigener Produktion um 13,8 Prozent und die Gewinne vor Steuern um 19,3 Prozent zurückgegangen sind. Demgegenüber sind die Finanzierungskosten um 16,8 Prozent gestiegen. Bezogen auf den Verkauf aus eigener Produktion werden als Faktoren die Auswirkungen des Erdbebens im Februar 2023, die geringere Zahl der Arbeitstage im zweiten Halbjahr 2023 sowie die abwartende Haltung vor den Kommunalwahlen angeführt. Weitere Gründe sollen gestiegene Kosten sowie Finanzierungsprobleme gewesen sein. Beim Export mussten die 500 größten Industrieunternehmen einen Rückgang von 2,9 Prozent hinnehmen. Mit einem Rückgang von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr lag die Zahl der Unternehmen, die das Jahr mit Gewinn abschließen konnten, bei 404. Die Relation von Finanzierungskosten zum Gesamtgewinn stieg von 41,3 Prozent auf 56,9 Prozent. D.h. die Unternehmen mussten Mehr als die Hälfte ihres Gewinns für Finanzierung aufwenden.

Zahlungsprobleme im Mittelstand

Schecks sind ein beliebtes Finanzierungsinstrument für kleine und mittlere Betriebe in der Türkei. Versehen mit einem Fälligkeitsdatum sind si eine Art Kredit bis zu diesem Datum. Schlecht nur, wenn zum Fälligkeitszeitpunkt nicht ausreichend Geld da ist, um die Forderung zu begleichen. Daten der Türkischen Bankenunion zeigen, dass in den ersten fünf Monaten dieses Jahres das Volumen geplatzter Schecks das des ganzen vergangenen Jahres erreicht hat. Der Anstieg ist nach Angaben der Wirtschaftsplattform ekonomim der stärkste seit vier Jahren. Hintergrund sind zum einen die gestiegenen Zinsen, zum anderen aber auch die Maßnahmen zur Drosselung des Anstiegs des Kreditvolumens, die es deutlich erschweren, an eine Finanzierung zu kommen.

Die Folgen dieser Entwicklung sind zweierlei: Zum einen bringen die Zahlungsausfälle die Gläubiger selbst in finanzielle Schieflage. Zum anderen wird sich die Tendenz verstärken, nur noch gegen Barzahlung zu liefern. Dies wiederum verschärft die Finanzierungsengpässe weiter.

Devisenkurs und Tourismus

Trotz des Konkurses von FTI ist der Tourismussektor im Grunde optimistisch für die laufende Saison. Das Frühjahr ist gut gelaufen und hat vielerorts Rekorde eingebracht. Doch es gibt auch Grund zur Klage. Diese betreffen insbesondere den russischen Markt. Russische Touristen stellten in den letzten Jahren die größte Gruppe, doch im Juli zeigen sowohl der Absatz von Flugtickets als auch die Auslastung von Hotels, die für den russischen Markt bedeutende Einbrüche. An vielen Orten in Antalya soll die Auslastung im Juli bei 60 Prozent liegen. Grund sind zum einen die gestiegenen Kosten in der Türkei und zum anderen die reale Aufwertung der Türkischen Lira, während der Rubel an Wert verloren hat. Lag im Mai die Türkei noch günstiger als die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten, so hat sich dies nun geändert. Die Hotels reagieren mit Preisnachlässen im last minute Verkauf. Doch letztlich geht dies – ebenso wie der Konkurs von FTI – zu Lasten der Gewinne.