Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 16. bis zum 23. August 2024

Die Waldbrandsaison ist noch nicht zu Ende, doch befinden wir uns in einem Rekordjahr. Das Klima spielt dabei bestimmt eine Rolle, doch es wird Zeit auch über die Pflege der Wälder nachzudenken. Die Zentralbank hat die Zinsen beibehalten, doch steigt gleichzeitig das Risiko einer Rezession. Die Supermarktketten haben mit den Kampagnen für Schulbedarf begonnen, doch stellen die Ausgaben nicht nur für gering verdienende Familien eine Herausforderung dar.

Waldbrände

Jedes Jahr machen Waldbrände in der Türkei Schlagzeilen. Wichtiger noch: sie zerstören großflächig Lebensräume von Pflanzen, Tieren und Menschen. Sie werden mit großem Aufwand bekämpft und immer wieder heißt es, dass der Wind diese Bemühungen zunichte macht. Ein wichtiges Kriterium scheint in den Diskussionen zudem der Einsatz von Flugzeugen und Hubschraubern zu sein und ob sie auch während der Nacht eingesetzt werden können.

In der Tageszeitung Karar setzte sich der frühere Justizminister Hikmet Sami Türk mit Waldbränden auseinander und verband dabei die juristische Betrachtungsweise mit der fachlichen. Er beginnt mit der Feststellung, dass 23 Mio. Flächen in der Türkei als Wald gelten und Wald damit ein Drittel der Fläche der Türkei ausmacht. Der Schutz des Waldes ist Verfassungsauftrag und wird durch das Waldgesetz aus dem Jahr 1956 präzisiert. Am selben Tag erschien ebenfalls in der Karar ein Beitrag, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Waldgesetz in der Regierungszeit der AKP 31 Mal geändert wurde. Diesem Bericht zufolge wurde mit diesen Änderungen der Schutz des Waldes ausgehöhlt und immer größere Flächen werden zu wirtschaftlicher Nutzung freigegeben. Parallel dazu steigt die Zahl der Waldbrände. Dies muss nicht heißen, dass der Wald unbedingt angezündet wird, um ihn wirtschaftlich zu nutzen. Die Zersiedlung und die Einrichtung von Stromtrassen im Wald sowie die Freigabe von Bergbau in Waldgebieten erhöht jedoch das Brandrisiko.

Es gibt jedoch einen weiteren Aspekt, auf den Wald-Ingenieure und andere Forst-Fachleute hinweisen. Wenn vor einem Waldbrand nicht die nötigen Vorbereitungen getroffen werden, steigt das Brandrisiko. Wenn Wald also beispielsweise allein als Quelle für die Holzgewinnung betrachtet wird, so führt dies zu einer Praxis, in der verwertbares Holz aus dem Wald geschafft, Äste und Späne jedoch zurückgelassen werden. Wird mit einem Mindestmaß an Sorgfalt gearbeitet, so bleiben wenigstens die Brandschutzwege geöffnet. Doch es wird beklagt, dass zu wenig unternommen wurde, um diese Wege zu pflegen. Abgestorbene Äste wiederum bieten einen idealen Nährboden für ein beginnendes Feuer und müssten darum beseitigt werden. Hinzu kommt eine praxisnahe Ausbildung im Hinblick auf die Bekämpfung von Waldbränden. Hier wird bemängelt, dass ein darauf spezialisiertes Ausbildungszentrum 2018 geschlossen wurde.

Ob die Koordination der Brandbekämpfung beim Waldministerium angesiedelt wird oder ob lokale Verwaltungen einbezogen werden, ist dagegen eine politische Frage. Sie wird mit dem Vorwurf lokaler Politiker diskutiert, ob vom Ministerium die erforderliche Anzahl von Flugzeugen oder Hubschrauber eingesetzt wurde. Die Verringerung der Brandgefahr wiederum wäre vermutlich am besten in einer Kooperation von lokalen und ministerialer Verwaltung zu bewältigen. Sie würde vermutlich weit weniger kosten, als die Brandbekämpfung und die Begleichung der eingetretenen Schäden.

Ungewohnte Töne aus Aserbaidschan

In Umfragen in der Türkei wird Aserbaidschan meist als das Land bewertet, mit dem sich die türkische Bevölkerung am stärksten verbunden fühlt. Dies gilt auch für die türkische Außenpolitik – der erste Auslandsbesuch einer neuen Regierung führt meist nach Baku.

In dieser Woche führte der russische Staatspräsident Putin einen zweitägigen Besuch in Aserbaidschan durch. In den türkischen Medien wurde darüber mit einem Foto berichtet, auf dem Putin beim aserbaidschanischen Präsidenten Aliyev zu sehen ist. Das Foto drückt damit auch die besondere Verbundenheit der beiden Politiker aus. Bei dem Besuch wurde ein Ausbau der Energiezusammenarbeit beschlossen. Es wird vermutet, dass hinter dem Plan, russisches Erdgas nach Aserbaidschan zu liefern, das Ziel steht, das europäische Embargo zu unterlaufen. In Aserbaidschan kann es mit einheimischem Erdgas vermischt und dann über Pipelines weiterverkauft werden.

Ein weiteres Thema war die Einrichtung einer Nord-Süd-Verkehrsachse. Das Ziel ist eine Verbindung von Russland über Aserbaidschan und dem Iran nach Indien. Mit dieser Verbindung könnte Russland mit Tankern Öl nach Indien liefern. Dafür spricht auch, dass Russland und Aserbaidschan eine gemeinsame Produktion von Tankern beschlossen haben.

Und dann gibt es noch die aserbaidschanische Enklave Zengezur in Armenien. Sie sollte durch einen Korridor über die Türkei erreichbar sein. Dies Projekt liegt nun auf Eis. Stattdessen ist eine Verbindung über den Iran geplant.

Neben diesen wirtschaftlichen Aspekten erregte zudem ein Beitrag in der Zeitung des aserbaidschanischen Parlaments Aufsehen. Hier wurde eine Äußerung von Staatspräsident Erdoğan aufgegriffen. Dieser hatte mit Hinweis auf Israel gesagt: „So wir in Karabach interveniert haben oder in Libyen könnte wir dort genauso handeln.“ In der Parlamentszeitung wurde darauf hingewiesen, dass es die aserbaidschanische Armee gewesen ist, die den Krieg gegen Armenien gewonnen hat und die türkische Unterstützung als selbstverständlich dargestellt.

Dass der russische Vize-Außenminister Galuzin beinahe zeitgleich den türkischen Botschafter einbestellte, um ihn wegen der türkischen Waffenlieferungen an die Ukraine zu warnen, kann wiederum als deutliches Zeichen der Verstimmung in den türkisch-russischen Beziehungen bewertet werden.

Wiederaufnahme des EU-Dialogs

Nach fünf Jahren Pause wurde ein türkischer Außenminister nach Brüssel eingeladen. Es wird erwartet, dass Außenminister Fidan am 29. August an der inoffiziellen Gymnich Außenministerkonferenz der EU teilnehmen wird. In Ankara zeigte man sich über die Einladung erfreut und bewertet sie als Signal, dass die EU ein Interesse an der Wiederaufnahme des Dialogs mit der Türkei habe. Wichtig sei aber, so betonte der Sprecher des Außenministers, dass es zu konkreten Fortschritten käme. In diesem Zusammenhang richten sich die Erwartungen vor allem auf die Aktualisierung der Zollunion und die Visumsfreiheit im Schengen Raum.

Inflationserwartungen

Die Zentralbank hat keine Zinsänderung vorgenommen. In ihrer Presseerklärung schreibt sie, dass zwar ein Rückgang der monatlichen Inflation eintrete, jedoch insbesondere bei den Dienstleistungspreisen eine Beharrung festzustellen sei. Wesentlich sei darum, dass sich die Inflationserwartungen der verschiedenen Marktakteure denen der Zentralbank annäherten. Aus dieser Argumentation wird geschlossen, dass der Geldrat der Zentralbank kurzfristig nicht an eine Zinssenkung denkt.

Derweil mehren sich die Beschwerden aus der Wirtschaft – d.h. insbesondere aus der Industrie und Exportwirtschaft. Angesichts der Entwicklung im ersten Halbjahr wird es schwierig, das Exportziel des mittelfristigen Wirtschaftsprogramms zu halten. Vor allem die Textil- und Bekleidungsindustrie muss Verluste hinnehmen. Hintergrund ist neben gestiegenen Kosten vor allem die reale Wertsteigerung der Türkischen Lira. Weitere Probleme sind die Drosselung des Anstiegs des Kreditvolumens und hohe Kreditzinsen. Die Zahl der Konkordato-Anträge, d.h. des Vollstreckungsschutzes gegen fällige Zahlungen, sowie der Konkurse steigt weiter.

Die Zentralbank erklärt, sie wolle ihre Geldpolitik nicht kurzfristig ändern, die Wirtschaft gerät zunehmend in Schwierigkeiten und die Lage der privaten Haushalte ist angesichts der Preissteigerungen problematisch. Eine Lösung für diesen auf den ersten Blick unauflösbaren Konflikt könnte die Glaubwürdigkeit der Zentralbank sein. Bestünde mehr Vertrauen in die Kontinuität ihrer Geldpolitik würde sich vermutlich auch die Inflationserwartung und damit auch die Preisgebung verändern. Doch dazu bedürfte es eines Schutzes vor politischen Interventionen in die Zentralbankpolitik. Solange ein Zentralbankpräsident mit einer einfachen Verordnung abgesetzt werden kann, wird es schwierig Vertrauen herzustellen. Doch dazu bedarf es einer Änderung des Zentralbankgesetzes, die nicht vor Oktober zu erwarten ist. (falls überhaupt der politische Wille dazu besteht).

Schwarzarbeit

Der Minister für Arbeit und Soziales Işıkhan hat mitgeteilt, dass von Januar bis Juli 2024 Kontrollen in 71.456 Betrieben durchgeführt wurden. Dabei wurde festgestellt, dass 11.172 Personen regelwidrig beschäftigt wurden. Weitere Verstöße gegen sozialrechtliche Vorschriften wurden festgestellt und insgesamt Bußgelder in Höhe von 1,073 Mrd. TL verhängt.

Die Zahl der Betriebsprüfungen klingt beachtlich. Bedenkt man jedoch, dass nach Ermittlungen des Türkischen Statistikinstituts die Zahl der Beschäftigten ohne Sozialversicherung 8,583 Mio. liegt, wirken 11.172 ermittelte Schwarzarbeiter eher nebensächlich. Angesichts der enormen Einsparungen bei Gehältern unter dem Mindestlohn und Einsparung der Sozialversicherungsabgaben ist das Risiko, erwischt zu werden, nach wie vor niedrig.

Immer neue Bauernproteste

In Bursa beklagen Bauern, dass Tomaten und Wassermelonen bei den aktuellen Abnahmepreisen nicht einmal die Herstellungskosten decken. Ein anderer Protest wird aus demselben Grund in Nevşehir vorbereitet, bei dem es um die Abnahmepreise für Kartoffeln geht. Derweil wurde eine Verordnung mit Gesetzeskraft veröffentlicht, dass landwirtschaftliche Flächen, die zwei Jahre lang nicht bebaut wurden, zwangsweise vermietet werden sollen.

Wenn sich in ganzen Regionen die Landwirtschaft nicht lohnt, dürfte die Vermietung brach liegender Flächen vermutlich keine Lösung sein. Gefordert wird eine staatliche Planung des Anbaus. Die Rechtsgrundlage dafür wurde auch im vergangenen Jahr verabschiedet. Doch über den Stand der Vorbereitungen ist nichts bekannt.