Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen
Die Politik braucht Zeit, um neue Strategien vorzubereiten und auch in der Wirtschaftspolitik ist es den Verantwortlichen vermutlich lieber, wenn eine Zeitlang über andere Dinge gesprochen wird. Da war zunächst der Extra-Eid der Absolventen der Kriegsakademie. Und dann das Schicksal des achtjährigen Mädchens Narin in Diyarbakır, die vermutlich von ihrer Familie ermordet wurde. Ihr Schicksal scheint einen Nerv in der türkischen Gesellschaft getroffen zu haben. Natürlich ist jeder Mord an einem kleinen Kind, noch dazu innerhalb einer Familie eine Tragödie. Doch ereignete sie sich in einem kleinen Dorf der Provinz, in der die meisten Bewohnerinnen und Bewohner miteinander verwandt sind. Die Ermittler gehen davon aus, dass das ganze Dorf etwas gewusst hat, jedoch beharrlich schweigt oder Falschaussagen macht. Da laufend Informationen über die Ermittlungen durchgesickert werden, ergibt sich eine Situation wie aus einem Agatha Christie Krimi, bei der die Hauptverdächtigen immer wieder wechseln und die Öffentlichkeit immer neue Theorien entwickelt.
Der 30. August ist nicht nur der Feiertag der letzten großen Schlacht im Befreiungskrieg, sondern auch das Ende des Ausbildungsjahrs der Militärakademien. Und dabei hat sich eingebürgert, nach dem offiziellen Amtseid noch einen weiteren zu leisten. Darin geloben die neu beförderten Leutnante, dem Beispiel von Mustafa Kemal Atatürk zu folgen und die laizistische Ordnung zu schützen. Dazu wird der Säbel gezückt. Das Ereignis wurde als Affront gegen die Regierung aufgefasst. Doch Staatspräsident Erdoğan äußerte sich nicht. Der AKP-Parteisprecher Ömer Çelik wies den Vorwurf zurück. Doch eine Woche später änderte der Staatspräsident eine Haltung. Daraufhin wurde ein Disziplinar-Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Ziel gab der Staatspräsident vor: Die Armee von solchen Elementen zu reinigen.
Der Slogan, die bürokratische Oligarchie und die Bevormundung durch irgendwelche Beamten brechen zu wollen, begleitet die AKP seit ihrer Gründung. Doch trotz zahlreicher Verfassungsänderungen, unzähliger Gesetzesänderung und einem weitgehenden Austausch der Beamten und öffentlichen Bediensteten während der nunmehr 22jährigen Regierungszeit wirkt das Problem ungelöst. Zuletzt ist es wohl wieder bei einer AKP-Veranstaltung hochgekocht, an der Staatspräsident Erdoğan teilnahm. Natürlich ist es positiv wenn Partei und Verwaltung harmonisch zusammenarbeiten. Doch da kommt es immer wieder zu Konflikten. Denn auch die Partei räumt implizit ein, dass Parteifunktionäre nicht immer allgemeine und öffentliche Interessen verfolgen. Dies gilt natürlich auch für Beamte, die neben rechtlichen auch Eigeninteressen verfolgen können. Das Lösungsmodell sieht vor, dass zunächst versucht werden soll, dass Problem auf lokaler Ebene mit Landrat oder Provinzgouverneur zu lösen. Gelingt dies nicht, soll es an den zuständigen Minister herangetragen werden. Und wenn alles nicht hilft, will es der Staatspräsident persönlich lösen.
Was vielleicht auf den ersten Blick wie eine Strategie aussieht, erweckt bei genauerem Hinsehen den Eindruck eines Parteienstaates. Üblicherweise erfolgt der Eingriff einer Partei – auch der Regierungspartei – auf die Verwaltung über Gemeinderat, Kreisparlament oder nationalem Parlament. Auf diese Weise werden Konflikte und ihre Lösung öffentlich und damit transparent. Damit ließe sich auch die Versuchung mindern, dass sich lokale Parteifunktionäre als Vorgesetze der jeweiligen Verwaltungsebene betrachten.
Aber es gibt auch das umgekehrte Problem. Ein Leutnant der Gendarmerie hat einer Überprüfung des Fahrzeugs des Landrates in seinem Gebiet zugestimmt. Dann wurde er suspendiert. Ohne die näheren Umstände zu kennen ist der erste Gedanke, dass der Landrat seinen Status geltend gemacht hat und sich damit über das Gesetz stellt. Aber es kann auch umgekehrt sein und der Leutnant sein Amt benutzt hat, um ein anderes Interesse zu verfolgen. Ein Einzelfall ist dies nicht. Ein Staatsanwalt lässt ein Restaurant schließen, weil man ihn nicht bevorzugt behandelte. Polizisten, die bei einer Verkehrskontrolle „versehentlich“ einen Politiker oder einen Prominenten kontrollieren und daraufhin suspendiert werden.
Wirklich ausschließen lassen sich solche elitistischen Verfahrensweisen wohl nicht. Man kann sie jedoch einschränken.
Seit den Kommunalwahlen im März hat die AKP in Umfragen ihre Position als führende Partei verloren. Nun meldet das Umfrageinstitut Metropoll, dass sie in der jüngsten Umfrage wieder vorn liegt. Details wurden zwar bisher nicht veröffentlicht, aber es ist zu vermuten, dass die Unterstützung der AKP dennoch nahe ihrem historischen Tiefpunkt liegt. Die Partei bringt das Umfrageergebnis mit der Kommunalwahl in Verbindung. Insbesondere in den Kommunen, die zuvor von der AKP geführt wurden und dann vor allem an die CHP fielen, hätte die Bevölkerung gemerkt, dass Wahlversprechen nicht eingehalten werden und sich die Dienstleistungen verschlechtert hätten.
Natürlich liest jede Partei eine Umfrage politisch und verbindet das Ergebnis mit ihrer Strategie. Aber nach den ersten sechs Monaten seit den Kommunalwahlen wäre eine Bestandsaufnahme, was sich geändert hat, sicher spannend.
Die Nachrichtenplattform Gazete Duvar wiederum berichtet in einer Kulissen-Nachricht, dass eine AKP-Quelle von einer Aufbruchsstimmung in der Partei berichtet, die von der Festlegung der Termine für die Schritte zum Nationalen Parteitag ausgehe. Demnach werden in diesem Monat die Delegierten für die Kreisparteitage von den Ortsverbänden gewählt. Die Kreisparteitage sollen dann von Oktober bis Januar die Kreisparteitage durchgeführt werden. Es folgen die Provinzparteitage und für den Sommer 2025 ist der nationale Parteitag vorgesehen. Dem Eindruck des AKP-Politikers zufolge hat dieser Prozess die Diskussion an der Basis belebt und die Partei wieder belebt.
Der chinesische Produzent von elektrisch angetriebenen PKW BYD hat die Neuerrichtung einer Fabrik in der Türkei angekündigt, die eine Kapazität von 150.000 Autos haben soll. Die Nachricht hatte einigen Wiederhall, weil es seit langem die erste große Neuinvestition eines internationalen Unternehmens ist. Doch nun versetzt eine Nachricht der US Wirtschaftsplattform Bloomberg Hoffnungen auf einen Beitrag zur Technologieentwicklung in der Türkei einen Dämpfer. Sie berichtet, dass die chinesische Regierung die Automobilproduzenten des Landes aufgerufen hat, kritische Teile mit chinesischem Know How nicht außer Landes zu produzieren. Dies könnte bedeuten, dass der Technologieaspekt deutlich in den Hintergrund tritt und in der Türkei mehr oder weniger Montage erfolgt. Dann wiederum wird die Diskussion neu entbrennen, ob die gewährten Förderungen und Vergünstigungen gerechtfertigt sind. Sollte wiederum der türkische Fertigungsanteil zu gering sein, könnte die EU den Standpunkt vertreten, dass die BYD Fahrzeuge nicht der Zollunion unterliegen und darum die gegen chinesische EU-Autos verhängten Sanktionen anzuwenden sind. Im schlimmsten Fall könnte dies zu einem Scheitern des Projekts führen. Es werden vermutlich einige Monate vergehen, bevor Klarheit über Umfang und Qualität der BYD Investition herrschen.
Der neue Standard für Mobilnetze ist 5G. In 83 Ländern bieten bereits 209 Provider einen 5 G Service an. Bis 2027 wird erwartet, dass 5G in fast allen Ländern vorhanden sein wird. Es zeichnet sich ab, dass die Türkei eines der Schlusslichter sein wird. Eigentlich hatte die Regierung die Ausschreibung für die Einrichtung der Infrastruktur bereits für den Herbst 2023 angekündigt. Das in der vergangenen Woche vorgelegte mittelfristige Wirtschaftsprogramm sieht nun vor, dass diese Ausschreibung im Herbst 2025 erfolgen wird. Vodafone und Deloitte haben einen Bericht über die wirtschaftliche Größenordnung veröffentlicht, die vom 5G-Netz erwartet wird. Auf dieser Grundlage wird geschätzt, dass jedes Jahr Verzögerung einen volkswirtschaftlichen Schaden von 9 Mrd. Dollar verursacht.
Natürlich denkt man zunächst an die private Nutzung. Mit dem neuen Standard werden Streaming und Spiele schneller. Doch für die neuen Industriemodelle, bei denen Automatisierung und intelligente Netze vorgesehen sind, gilt 5G als Voraussetzung, um die enormen Datenmengen bewältigen zu können. Dies bedeutet, dass jede Verschiebung für die Einrichtung der 5G Infrastruktur auch eine Revision industrieller Investitionspläne verursacht. Es handelt sich gewissermaßen um eine Schlüsseltechnologie.