Jahrgang 2 Nr. 0 vom 4.11.2001
 

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Außenminister Cem warnt vor Folgen von Zyperns möglichem Beitritt zur EU

Die Warnung Außenminister Cems während der parlamentarischen Haushaltsberatungen am 2. November machen die Sprengkraft der europäischen Zypernpolitik ein weiteres Mal deutlich. Cem erklärte, daß, sollte die EU den Beitritt des griechischen Südteils Zyperns beschließen, die Türkei sich werde entscheiden müssen. Er machte deutlich, daß es die Haltung der Regierung ist, in diesem Falle den Abruch des türkischen Beitrittprozesses zur EU in Kauf zu nehmen.

Das Zypern erneut einen solchen Stellenwert bekommt, liegt sicher auch daran, daß im Zuge der Beratungen über den Fortschrittsbericht der Türkei im Europaparlament nochmals deutlich geworden ist, daß entgegen des türkischen Vorbehalts vor dem Helsinki-Gipfel 1999, die Lösung des Zypernkonflikts zur Vorbedingung für einen türkischen EU-Beitritt gemacht werden soll. Da die europäische Haltung im Zypernkonflikt darin besteht, die türkische Konfliktpartei nicht anzuerkennen, kann nur von einer einseitigen Parteiname gesprochen werden. Da außerdem zur Zeit nichteinmal die Umrisse einer Wiedervereinigung Zyperns ausgehandelt sind - neben der Frage des Statuses der beiden Völker auf der Insel stellen sich im großen Umfang ungelöste Eigentumsansprüche sowie das Problem des Statuses der nach 1974 eingewanderten - heizen die EU-Pläne mit ihrer Terminierung auf Ende 2002 den Konflikt an.

Tatsächlich würde ein offener Ausbruch des Zypernkonfliktes alle Beteiligten in eine schwierige Situation bringen. Mal abgesehen davon, daß die Konflikte auf der Insel selbst genug Sprengstoff bergen, um zu einem erneuten bewaffneten Konflikt zu führen. Ein Abbruch der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei hätte sowohl für die europäische als auch für die türkische Politik weitreichende Folgen. Angesichts des Bedeutungsgewinns der mittelasiatischen Republiken für die weltweite Energieversorgung bliebe der EU nach einem solchen Konflikt nur noch, sich um Russland zu bemühen. Betrachtet man jedoch angesichts der nach dem 11. September eingetretenen Weltlage die Bedeutung, die eine politische Zusammenarbeit mit islamischen Staaten auch zukünftig haben muß, würde der Westen hier einen herben Rückschlag erleiden.

Für die Türkei bedeutete der offene Ausbruch des Zypernkonflikts politische Isolation und voraussichtlich auch innenpolitische Stagnation. Die innere Öffnung und die Staatsreform werden zur Zeit wesentlich gespeist durch den Auseinandersetzungsprozeß mit der EU. Zwar verfügen viele der bisher verwirklichten Reformen auch über eine Basis in der Türkei - zu ihrer Verwirklichung bedurfte es jedoch angesichts der massiven politischen Beharrungskräfte immer auch der Aussicht, durch einen vollzogenen Reformschritt dem EU-Beitritt näher zu kommen. Zuletzt konnte man dies bei der Verfassungsreform Ende September deutlich beobachten.

Ein Scheitern der europäischen-türkischen Zusammenarbeit könnte jedoch auch ungeahnte Folgen für weitere Krisenherde haben. Sowohl auf dem Balkan als auch im Palästinakonflikt spielt die Türkei bisher eine ausgesprochen mäßigende Rolle. Die amerikanisch-britische Politik gegenüber dem Irak und Iran basieren wesentlich auf türkischer Kooperation.

Und schließlich ist da noch die Frage der Beziehung von internationalem Recht und aktueller Politik. Der Zypernkonflikt ist 1963 ausgebrochen, als ein Vertragsteil - die griechische Seite - einseitig den Grundlagenvertrag für die Unabhängigkeit Zypern änderte. Dabei wurde auch massiv Gewalt eingesetzt, wurden Menschen vertrieben und getötet. 1974 stand ein weiterer Gewaltstreich in Zusammenarbeit mit dem griechischen Obristenregime an. Ohne die türkische Intervention wäre Zypern heute wohl Teil Griechenlands. Vor diesem Hintergrund die Verantwortung für den Konflikt einseitig der Türkei anzulasten, erscheint nicht nur kurzsichtig, sondern im Interesse einer europäischen Friedensordnung fatal.

Dossier Zypern

 

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