Jahrgang 2 Nr. 0 vom 28.07.2001
 

Jetzt kostenlos!



 

Kleine Geschichte Zyperns

 

Antike Geschichte
8500 v. Chr.
erste nachgewiesene Anwesenheit von Jägern und Sammlern auf der Insel

7000 - 3700 v. Chr.
kontinuierliche Besiedlung durch Einwanderer aus Anatolien und / oder dem Gebiet des heutigen Syrien.
Gegen Ende der Periode Einführung von Keramik und Landwirtschaft mit Oliven und Wein.

3700 - 2400 v. Chr.
Weiterentwicklung der Landwirtschaft und der Töpferei, Auftauchen der ersten Gebrauchsgegenstände aus Metall

2400 - 1900 v. Chr.
Entwicklung des Aussenhandels mit Kreta, Ägypten und Anatolien, Einführung der Viehzucht (Rinder, Esel,
Pferde).

1900 - 1625 v. Chr.
Entwicklung der zyprischen Kupferindustrie; das Metall wird seit Beginn des zweiten vorchristlichen Jahrtausends
an den Rändern des Troodos-Gebirges kommerziell abgebaut. Durch den Export von Produkten aus Kupfer steigt
Zypern zur Grossmacht in der Nahost-Region auf.

1625 - 1125 v. Chr.
Herausbildung stabiler Kleinstaaten aus den regionalen Wirtschaftszentren, Einwanderung der ersten Griechen
(Archäer) von der Peloponnes-Halbinsel in den Westen Zyperns als Endstation ihrer Flucht vor den angreifenden
‘Seevölkern’.

1125 - 800 v. Chr.
Einwanderung der Phönizier in den Südteil der Insel als drittes Bevölkerungselement Zyperns. Die Angriffe der
‘Seevölker’ dauern an, durch die dezentrale politische Struktur ohne empfindliches Machtzentrum übersteht
Zypern
diesen Anturm besser als andere Mächte in der Region. Es bilden sich zeitweise bis zu 11 Stadtkönigreiche unter
griechischer oder phönizischer Herrschaft.

800 - 500 v. Chr.
Inschriften aus dem 8. Jahrhundert sprechen von einer Übernahme Zyperns durch das Assyrische Reich, die jedoch
nicht anderweitig belegt ist. Nach einer kurzen ägyptischen Herrschaft (570 v. Chr.) wird der Einfluss Persiens
grösser.

499 - 323 v. Chr.
Zyperns Kleinstaaten nehmen an den griechisch-persischen Kriegen auf verschiedenen Seiten teil, die Insel bleibt
jedoch unter persischer Vorherrschaft bis zur Übernahme der Insel durch Alexander den Grossen.

323 - 58 v. Chr.
Zypern ist Provinz des ptolemäischen Reiches, die Kleinstaaten werdem aufgelöst und die zentralistische
Verwaltung des ägyptischen bzw. ptolemäischen Königreichs wird eingeführt, ein hohes Wirtschaftswachstum
bringt relativen Wohlstand, der jedoch erregt das Interesse der neuen aufstrebenden Grossmacht Rom.

58 v. Chr.- 330 n. Chr.
Eingliederung Zyperns in die römische Provinz Kilikien in Kleinasien. Die durchweg römischen politischen und
ökonomischen Eliten bevorzugen die griechische Sprache und Kultur, und ein Hellenisierungsprozess, der auch
von der phönizischen und zypriotischen Bevölkerung mitgetragen wird, setzt ein. Die Christianisierung der Insel
beginnt mit den Missionreisen von Paulus und Barnabas (44-49 n.Chr.)

 

Mittelalterliche Geschichte

33 - 1191
Im Zuge der Christianisierung stetzt die zypriotische Kirche die Autokephalie, ihre eigene gesetzgeberische
Autorität in allen Kirchenangelegenheiten durch. Im 5. Jahrhundert gerät Zypern in den byzantinisch-arabischen
Machtkampf und wird mehrfach verheert. Nach dem Sieg des byzantinischen Reiches 965 erfolgt der
Wiederaufbau unter Federführung von Byzanz und abermals wird Zypern wegen seiner idealen geographischen
Lage zu einer Handelsmetropole mit entsprechendem Reichtum.
Jedoch steht einer kleinen dekadenten Elite aus neureichen Kaufleuten und korruptem Klüngel in Verwaltung und
Kirche die völlig verarmte und rechtlose Landbevölkerung gegenüber. Pestepidemien, Hungersnöte und
Piratenüberfälle tun ein übriges und zahlreiche Aufstände flackern auf. Die Invasion der Insel durch Richard
Löwenherz mit Truppenteilen des 3. Kreuzzugs bringt zwar das Ende der Anarchie, etabliert jedoch eine neue
Fremdherrschaft, die den grössten Teil der zyprischen Bevölkerung wiederum in Armut hält.

1192 - 1489
Der deutsche Kaiser Heinrich VI vergibt Zypern im Jahr 1197 als Lehen an ein obskures westfranzösisches
Grafengeschlecht, das Haus Lusignan. Erneut kommt es zum erfolgreichen Wiederaufbau und nachfolgendem
Wirtschaftswunder, was diesmal die rivalisierenden Handelsmächte Genua und Venedig auf den Plan ruft. Den
Machtkampf gewinnt Venedig durch die schon damals bestens erprobten Mittel der Politik: falsche Verprechen,
Intrigen, Bestechung, Nachhilfe beim Ableben störender Persönlichkeiten. Die letzte Königin des Hauses Lusignan
erhält 1489, begleitet von massiven Drohungen, das berühmte Angebot, das niemand ablehnen kann. Zypern
gehört nun zu Venedig.

1489 - 1570
Zypern ist die einträglichste Kolonie Venedigs. Die Administration ist jedoch ebenso unfähig wie korrupt, vom
Aufbau eines zeitgemässen Verteidigungssystems hält man wenig, es würde nur Geld kosten und nichts
einbringen. Diese Einschätzung hat den Venezianern allerdings auch nichts eingebracht, dafür aber den
Osmanen.: Sie eroberten die Insel 1571 ohne nennenswerte Schwierigkeiten.

 

Osmanische Periode

1571 - 1878
Sofort nach der Übernahme der Insel durch die Osmanen erhält die Orthodoxe Kirche die ihr von den Lusignans
entzogenen Privilegien zurück, auch die Leibeigenschaft wird abgeschafft. Eine Verbesserung der wirtschaftichen
Lage der Mehrheit der Bevölkerung gelingt jedoch nicht. Korruption, Vetternwirtschaft, Ämterkauf, dazu
Dürrekatastrophen und die jährliche Heuschreckenplage verhindern den Aufbau einer stabilen Wirtschaft. Erst im
19. Jahrhundert erfolgt eine spürbare Verbesserung. Dieser Prozess kann sich jedoch nicht weiterentwickeln, weil
das untergehende osmanische Reich die Insel als Kompensation für britische Militärhilfe gegen Russland an
England abtreten muss. Eines hat sich während der drei Jahrhunderte osmanischer Herrschaft auf Zypern
grundlegend geändert: Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung. Seit 2400 Jahren, seit die letzten
Phönizier auf die Insel gekommen waren, hatte es keine tiefgreifende ethnische Veränderung auf der Insel
gegeben. Nun aber wandern zehntausende osmanischer Türken ein, womit sich zwei in Kultur, Religion und
Sprache verschiedene Bevölkerungsgruppen auf der Insel befinden.

 

Britische Kolonie

1878 - 1960
Die Briten sahen Zypern als Bastion gegen das expandierende Russland und als Stützpunkt zur Verteidigung des
Suezkanals, einem neuralgischen Punkt auf dem Seeweg von und nach Indien. Dieser Sichtweise entsprechend
wurden die beiden noch heute unter britischer Hoheit stehenden Militärbasen eingerichtet. Eine wirtschaftliche
Entwicklung der Insel unter Teilhabe der Bevölkerung stand nicht auf der Tagesordnung. An den elenden
Lebensbedingungen für die grosse Mehrheit der Zyprioten änderte sich wenig. Dies war der Nährboden, auf dem
die Idee der ‘Enosis’, des Anschlusses Zyperns an Griechenland entstehen konnte. Hatte England nicht auch
andern griechischen Inseln den Anschluss an das Mutterland erlaubt?

Der schwelende Konflikt flammt zum ersten Mal im Jahr 1931 auf, mit blutigen Zusammenstössen zwischen der
Kolonialmacht und den Enosis-Aktivisten. England reagiert, wie Kolonialmächte zu reagieren pflegen, seit es
Kolonien gibt: Zuerst mit Bajonetten, dann mit Repressalien und Ausnahmezustand. Damit schien der Fall
erledigt, er war es zunächst auch, aber nur bis 1945. Am Ende des zweiten Weltkriegs werden erneut Hoffnungen
auf den Anschluss an Griechenland laut, für England kommt dies nach wie vor nicht in Frage, die
Militärstützpunkte sind wichtiger. Die Enosis Bewegung ist inzwischen zu einer straff geführten Organisation
geworden, deren militante Mitglieder ab 1955 mit der Terrororganisation EOKA aktiv werden. Der Terror - später
umgetauft in Unabhängigkeitskampf - richtet sich gegen die Briten auf Zypern, gegen griechisch-zypriotische
Enosis Gegner und gegen türkischstämmige Zyprioten. Die Enosis-Bewegung genoss übrigens von Beginn an die
uneingeschränkte Unterstützung der Orthodoxen Kirche.

Der Unabhängigkeitskampf Zyperns der 1959 endete, ist eine äusserst merkwürdig Sache, vor allem, weil er kein
Unabhängigkeitskampf war: Die Enosis-Verfechter wollten den Anschluss Zyperns an Griechenland, wollten also
von einer Abhängigkeit in die andere. Den türkischen Zyprioten wäre so ziemlich alles recht gewesen mit einer
Ausnahme: Der Anschluss an Griechenland. Die logische Konsequenz für die türkischstämmige Bevölkerung war
die Forderung nach einer Teilung der Insel.

Des Kolonialkriegs müde und unter Druck gesetzt auch von den westlichen Verbündeten, gelingt England 1960
eine diplomatische Meisterleistung: Zusammen mit der Türkei und Griechenland hecken die Briten einen Vertrag
aus, der vor allem zwei Dinge sicher stellt: Die Beendigung des Kolonialkrieges ohne Gesichtsverlust und den
Weiterbetrieb der britischen Militärbasen. So war man die Verantwortung für die bockbeinige Kolonie los, und
hatte dennoch das behalten, weshalb man den osmanischen Türken die Insel seinerzeit abgeluchst hatte:
Militärische Präsenz im östlichen Mittelmeer und im Nahen Osten.

Dies zu erreichen, war ein historisch einmaliges Konstrukt geschaffen worden: Eine Republik, die deren Bewohner
schlicht nicht wollten, dafür aber in ihrem Bestand garantiert durch zwei potentiell feindliche Staaten, die ihre
Aufgabe eher darin sahen, über das Wohlergehen ihrer jeweiligen Bevölkerungsgruppen auf der Insel zu wachen.
Die dritte Garantiemacht war England, auf dem Papier, wie sich zeigen sollte.

 

Unabhängigkeit und Bürgerkrieg

1960 - 1974
Die Republik Zypern (1960 - 1974) hat einen kardinalen Geburtsfehler: Erzbischof Makarios, der erste und einzige
Präsident der Republik Zypern. Makarios ist ein fanatischer Enosis Anhänger, kann per Definition also seine
eigene Republik nicht gewollt haben. Der griechisch-zyprischen Seite gehen die Rechte ihrer türkischen
Landsleute zu weit. Präsident Makarios plant eine Verfassungsänderung, die ohne weiteres als kalter Staatsstreich
bezeichnet werden kann, würde sie doch den türkischstämmigen-Zyprioten nur noch einen Minderheitenstatus mit
extrem eingeschränkten Grundrechten zuweisen.

Zu Weihnachten 1963 beginnen planmässige Aktionen gegen die türkische Minderheitsbevölkerung auf Zypern.
Mit automatischen, aus Militärbeständen stammenden Waffen, greifen griechisch-zypriotische Zivilisten
ausgesuchte, von türkischstämmigen Zyprioten bewohnte Enklaven an. Dies ist der Auftakt zu einer
Vertreibungswelle, die zur Ghettobildung der türkischen Minderheit führen wird. Den türkischstämmigen
Staatsbediensteten bis hinauf zur Ministerebene ist es de facto unmöglich, weil lebensgefährlich, zur Arbeit zu
erscheinen. Die griechische Seite nimmt dies als Anlass zu behaupten, die türkische Seite habe freiwillig auf die
Ausübung der ihnen verfassungsmässig zustehenden Ämter verzichtet. Später werden die Enosis-Anhänger daraus
die Legitimation ableiten, die Republik Zypern nach innen und aussen allein zu vertreten.

Wegen der anhaltenden Unruhen entsendet die UNO im Frühjahr 1964 eine internationale Friedenstruppe auf die
Insel, die die beiden Konfliktparteien trennen soll.

(1967) schwenkt Präsident Makarios auf eine moderate Linie ein. Die Enosis, sein bisher vielfach beschworenes
Nahziel, rückt er in eine ferne Zukunft.

Fanatische Befürworter eines Anschlußes an Griechenland, Parteigänger der Athener Junta, formieren sich darauf
neu und gründen im September 1971 die geheime Terrorgruppe EOKA-B, wieder unter dem Kommando des
Georgios Grivas, die sich gegen den "Verrat" des Makarios und seine zunehmend unabhängige politische Linie
richtet. Der Präsident Zyperns kann seine Position nach innen wie auch auf der internationalen Bühne nachhaltig
festigen, seine Widersacher in Athen und in ihren zyprischen Verstecken sind dagegen isoliert.

Am 15. Juli 1974 putscht eine Allianz aus EOKA-B und festlandsgriechischen Offizieren der zyprischen
Nationalgarde. Makarios kann entkommen und begibt sich an den Sitz der Vereinten Nationen in New York.

In Zypern übernimmt ein berüchtigter Killer, der Zeitungsverleger Nikos Sampson, das Präsidentenamt. Fünf Tage
darauf, am 20. Juli 1974, erfolgt die militärische Intervention der Türkei, die sich bei ihrem Vorgehen auf ihr
Recht als Garantiemacht beruft, niedergelegt in Artikel drei des Londoner Abkommens.

 

Fortsetzung folgt

Dossier Zypern

 

Stationen

Antike

Mittelalter

Osmanisches Reich

Britische Kolonie

Unabhängigkeit und Bürgerkrieg

 

Archiv

Zurück