Jahrgang 2 Nr. 0 vom 3.09.2001
 

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Kommentar

Erpressungsversuch?

Das Europa Parlament berät in dieser Woche über den Zypernbericht des Abgeordneten Jaques Poos. Der Bericht erklärt, daß die Türkei den Norden Zyperns widerrechtlich besetzt hält. Diese Aussage hat heftige Reaktionen in Ankara hervorgerufen. Es wurde die Besorgnis geäußert, daß mit diesem Bericht versucht werde, den Fortschrittsbericht über Erfüllung der Kopenhagener Beitrittskriterien der Türkei zu beeinflussen. Demgegenüber erklärte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums, daß die Türkei bereits vor dem Helsinki-Gipfel und auch danach immer wieder deutlich gemacht habe, daß die Lösung der Probleme auf Zypern nicht Gegenstand der Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei sein können.

Betrachtet man die bisherigen politischen Bemühungen der EU um die Lösung des Zypern-Problems, so kann kaum der Eindruck einer ausgewogenen Politik entstehen, der sie in die Lage versetzte, den gewünschten Eindruck, mit einem Beitritt Zyperns zur EU seien die Probleme beider Bevölkerungsgruppen auf Zypern lösbar, mit Leben zu erfüllen. Die einseitigen Stellungnahmen zugunsten des griechischen Bevölkerungsteils haben im Gegenteil auf Zypern immer wieder Besorgnis ausgelöst. In einem parlamentarischen Bericht zum Fortschritt Zyperns auf dem Weg in die EU eine historisch-politische Wertung zu treffen, die jenseits dessen liegt, was durch die in Vorbereitung befindlichen Gespräche beider zypriotischer Parteien unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zunächst erreicht werden soll, kann nicht redlich wirken.

Im Gegenteil werden dadurch Stimmen in der Türkei geweckt, die unterstellen, daß die durch die Wirtschaftskrise geschwächte Position der Türkei ausgenutzt werden soll. Wenn man sich auf Seiten der EU demgegenüber eingestünde, daß eine Lösung des Zypern-Problems - eines Konflikts in dem viel Blut geflossen ist - zumindest über einen Interessensausgleich erreicht werden muß, der auch die historischen Entwicklungen berücksichtigt, sollten einfache Parteinahmen zugunsten einer Seite unterbleiben. An einer - sei es durch diplomatischen Druck oder durch Gewalt erzwungene "Lösung" auf Zypern kann, soll eine dauerhafte Friedenslösung erreicht werden, niemand Interesse haben.

Stefan Hibbeler

Dossier Zypern

 

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