Jahrgang 2 Nr. 0 vom 18.07.2001
 

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Türkisch-griechische Beziehungen

Seit den Mamara-Erdbeben von 1999 haben sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland deutlich entspannt. Die Haltung Griechenlands in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei wurde offener, eine Reihe von bilateralen Projekten wurde eingeleitet. Die jahrzehntealten Probleme zwischen beiden Ländern wurden von diesem "Tauwetter" bisher jedoch nicht berührt. In einem Interview im Juni 2001 merkte der türkische Außenminister Ismail Cem dazu an, daß für die Entwicklung von Lösungen, die den Interessen beider Länder entgegenkommen, vor allem Zeit brauchten.

Betrachtet man jedoch die Präsentation außenpolitischer Fragen auf den Web-Sites beider Außenministerien gewinnt man den Eindruck, daß einer der wichtigsten ersten Schritte darin bestehen müßte, die Natur und die Herkunft der Probleme differenzierter zu beschreiben. Dabei könnte bei allen Konflikten vor allem auch ein Augenmerk auf die Phasen gelungener Kooperation und deren Rahmenbedingungen gelegt werden. Auf diese Weise würde die gemeinsame Geschichte beider Länder nicht mehr zum Hebel zur Entfachung nationalistischer und chauvinistischer Ressentiments genutzt werden können.

Die Frage der Minderheiten

Nimmt man aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts nur zwei Beispiele könnte man zu dem Schluß kommen, daß eine historische Feindschaft zwischen Griechen und Türken bestünde. Als mit britischer Unterstützung 1919 griechische Truppen in Izmir landeten und von dort ihren Vormarsch nach Anatolien antraten, fanden auf dem Vormarschweg eine Reihe von Progromen an Türken statt. Als die Reste der zerschlagenen griechischen Armee nach der Niederlage von Sakarya sich 1921 von Izmir aus wieder einschifften, kam es beim Einmarsch türkischer Truppen ebenfalls zu Progromen.

Die Zahl der gegenseitigen Massaker zu Kriegs- und Bürgerkriegszeiten läßt sich fortsetzen.

Der Friedensvertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 klärte nicht nur die Grenzen der heutigen Türkei sondern beinhaltete auch einen großangelegten Bevölkerungsaustausch zwischen beiden Staaten. Lediglich die Griechen in Istanbul wurden davon ausgenommen sowie die türkische Minderheit in West-Thrakien.

Umgekehrt jedoch gibt es nach diesen Ereignissen jahrzehntelange Erfahrungen gelungenen Zusammenlebens beider Bevölkerungsgruppen wo eine Nachbarschaft noch gegeben war. Hinzu kommt, daß die türkische Sprache zwischen Griechen aus Griechenland ("Yunan") und türkischen Griechen ("Rum") unterscheidet. Nicht jeder Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland führte automatisch zu Feindseligkeiten gegen die "Rum".

Betrachtet man nun die Darstellung der Lage der griechischen Minderheit auf der Web-Seite des griechischen Außenministeriums (The Greek Minority of Turkey) wird der Türkei der fortgesetzte Bruch des Lausanne-Vertrages sowie der Menschenrechte vorgeworfen.

Als erster Verstoß wird die sogenannte "varlik vergisi" angesprochen. Es handelte sich dabei um eine 1942 erhobene Steuer, die speziell die Angehörigen der Minderheiten betraf und für Tausende zur Enteignung führte. Vielfach reichte der Erlös aus dem Verkauf von Werten nicht zur Begleichung der Steuerschuld aus, so daß viele Angehörige der Minderheiten in "Schuldhaft" genommen und deportiert wurden. Keinen Raum in der Darstellung nimmt jedoch ein, daß spätestens ausgelöst durch den Film "Salkim Hanem Taneleri" im Jahr 1999 die Frage der Gerechtigkeit dieser Steuer und der Umgang mit den Minderheiten während des Zweiten Weltkrieges breiten Raum in der öffentlichen Diskussion der Türkei einnahm. Es sollte dabei auch nicht vergessen werden, daß Generalmobilmachung der Türkei während des Zweiten Weltkrieges zu einer katastrophalen Versorgungssituation der Bevölkerung insgesamt führte. Daß die im Zuge der Mobilmachung eingezogenen Männer der griechischen Minderheit nicht zu den Kampfeinheiten genommen wurden, ist angesichts der Tatsache, daß keine 20 Jahre seit dem Ende des Befreiungskrieges vergangen waren und die griechische Minderheit darin keine loyale Rolle gespielt hatte, nicht sehr verwunderlich. Gleichwohl hat auch über diese Frage eine öffentliche Diskussion eingesetzt.

Das diese Diskussionen in der Türkei Platz greifen und sich in einer Vielzahl von Büchern niederschlagen konnten, hat sicher auch damit zu tun, daß angesichts des Selbstverständnisses einer vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft in der Türkei der Rückgang der Minderheitengemeinschaften als schmerzlich erlebt wird.

Der nächste Vorfall, auf den die Web-Site des griechischen Außenministeriums eingeht, sind die progromartigen Unruhen, die 1955 in Istanbul und Izmir stattfanden. Ausgehend von der Nachricht, daß auf das Geburtshaus von Mustafa Kemal Atatürk in Thessaloniki ein Bombenattentat stattgefunden hatte, fanden Demonstrationen statt, die schnell in die Plünderung und Zerstörung griechischer Geschäfte und Häuser umschlugen. Einen Tag nach Beginn der Unruhen griff das türkische Militär ein. Der Notstand wurde verhängt. Entgegen der Darstellung der Web-Site handelte es sich jedoch nicht um eine allein gegen die "Rum" gerichtete Aktion - betroffen waren auch andere Minderheiten und schließlich - beispielsweise auf der Istiklal Caddesi in Istanbul auch türkische Geschäfte. Der türkische Staat übernahm die Verantwortung für die Vorfälle in zweifacher Weise: Zum einen wurden Entschädigungen an die Opfer der Unruhen gezahlt. Zum anderen wurde nach dem Militärputsch von 1960 der 1955 amtierende Ministerpräsident Menderes direkt für die Organisation dieser Unruhen verantwortlich gemacht, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Damit hatte die Türkei nicht nur ihre Verantwortung übernommen sondern auch ihr möglichstes getan, die eingetretenen Schäden auszugleichen.

Hoheitsrechte im Mittelmeer

 

Der Zypern-Konflikt

*** Die griechische Seite täte gut daran, Selbstkritik zu üben. Dies gilt zum einen für die Aktionen gegen die türkische Minderheit der Insel von 1963 bis 1974 sowie bezüglich des Umgangs mit dem London-Zürich-Vertrag von 1960, der die Unabhängigkeit der Insel garantierte. Auch ist die Position hinsichtlich der Mehrheitsrechte gegenüber einer Bevölkerungsminderheit weder juristisch noch politisch haltbar. ******

Dossier Zypern

 

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