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Ist es strafbar, baufällige Häuser zu bauen?Auch zwei Jahre nach dem Erdbeben ist nicht ein einziger Schuldspruch erfolgt.In ihrer Ausgabe vom 16. August setzte sich die Tageszeitung "Zaman" mit der gerichtlichen Würdigung der Erdbebebenkatastrophe von vor zwei Jahren auseinander. Angesichts von Tausender Häuser, die vor allem aufgrund von Bau- und Planungsfehlern, unzureichender Bauüberwachung und fehlerhafter Stadtplanung zusammenstürzten und mehr als 15.000 Menschen unter sich begruben, hält das gerichtliche Nachspiel an. Es zeigt sich jedoch, daß ein großer Teil der Verfahren inzwischen wegen Verjährung eingestellt wurde. Am Beispiel der Verfahren im Istanbuler Stadtteil Avcilar wird von "Zaman" zudem hervorgehoben, daß dem politisch Verantwortlichen für die Stadtplanung, dem damals bereits seit mehreren Amtszeiten agierenden Bezirksbürgermeister, bisher nicht einmal Fragen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gestellt worden sind. Ein weiteres Problem ist die Begutachtung der Bauschäden. Zwar konnte in einer Reihe von Fällen nachgewiesen werden, daß eingestürzte Häuser aus Beton gebaut wurden, der nicht den Mindestnormen entspricht, Einwände wurden jedoch gerichtlicherseits gegen die Entnahme der Betonproben erhoben und der Raport zurückgewiesen. Tatsächlich dürfte es für die strafgerichtliche Würdigung nicht einfach sein, die Ursachenketten für die Hauseinstürze zu rekonstruieren. In vielen Fällen wurden Baugenehmigungen für ungeeignete Böden erteilt. Umgekehrt fand die Bodenbeschaffenheit in der Bauplanung unzureichende Berücksichtigung. Beim Bau wurden vielfach ungeeignete Baustoffe verwendet und an diesen auch noch in einem Maße gespart, die den Bauplänen nicht gerecht wurde. Hinzu kommen Verarbeitungsmängel. Diese hätten durch die Überprüfung durch die den Bau begleitenden Architekten oder Ingenieure, spätestens jedoch durch die staatliche Bauaufsicht aufgedeckt werden müssen. Daß die Rekonstruktion der Ursachenkette schwierig ist, bedeutet jedoch nicht, daß dies unmöglich wäre. Nach Eindruck der türkischen Medien ist das Engagement der Staatsanwaltschaften jedoch unzureichend. Tatsächlich bezieht sich die "Zaman" in ihrer Schilderung des Standes der gerichtlichen Verfahren vor allem auf Initiativen von Erdbebenopfern und ihrer Angehörigen, die auf eigene Rechnung Gutachten anfertigen ließen und Klage erhoben. Zwei Jahre nach dem Marmara-Erdbeben wird allenthalben die Frage gestellt: "Haben wir aus dem Beben gelernt?" Das Ausbleiben der Strafverfolgung wirft hier ein schlechtes Licht auf die Ernsthaftigkeit der Bemühungen. Die Verantwortungen sind gesetzlich geklärt, die Straftatbestände sind klar, die Schadenersatzansprüche lassen sich zurechnen. Erfolgt dies nicht, bleibt das türkische Baurecht weiter ein Papiertiger. Die Gefährdung von Menschenleben durch unsichere Bauten bleibt damit ein "Kavaliersdelikt". |
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