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Ungleiche Partner?Die Türkei fühlt sich bei der Entwicklung der 'gemeinsamen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsidentität' ausgeschlossen und sieht ihre Sicherheitsinteressen bedroht. Die europäischen Staaten versuchen, die Bedenken der Türkei zu zerstreuen, ohne jedoch Zugeständnisse bei der Beteiligung der Türkei zu machen. Dieser Konflikt trat während der zweitägigen Konferenz "Europäische Sicherheit und Kooperation im 21. Jahrhundert" erneut deutlich hervor. Die von der Friedrich-Naumann-Stiftung, dem Ari-Netzwerk, der New Atlantic Initiative und dem türkisch-schwedischen Kooperationszentrum Istanbul bot durch ihre internationale Zusammensetzung nocheinmal die Möglichkeit, die unterschiedlichen Positionen kennenzulernen. Die amerikanische Position, vorgestellt durch James Jefrey (US Botschaft Ankara), geht im Kern davon aus, daß die Europäer einen deutlich stärkeren Beitrag zur Krisenverhütung und -intervention zu leisten haben, als bisher. In diesem Rahmen begrüßen die USA den Prozeß der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik. Auch wurde in einer Reihe von Beiträge deutlich, daß bereits heute gemeinsame Arbeitsgruppen von EU und NATO beispielsweise die Koordination von humanitären Aktionen und Friedensmissionen auf dem Balkan gewährleisten. Es fehlt jedoch ein vertraglicher Rahmen dafür. Kompliziert wird die Situation dadurch, daß einige NATO-Mitglieder keine der EU und einige EU-Mitglieder keine der NATO sind. Die EU ist jedoch mit ihrer Verteidigungspolitik auf ein Zusammenwirken mit der NATO angwiesen, sollen kostspielige Doppelstrukturen vor allem in den Bereichen Logistik und Planung vermieden werden. Ausgehend von der bei allen Beteiligten unbestrittenen Position, daß die NATO weiterhin das 'Rückrat europäischer Verteidigungspolitik' bleiben wird, beginnen die Probleme bei der Entscheidungsfindung. Wie der schwedische NATO-Botschafter Oljelund hervorhob, müsse man sich im klaren sein, daß die Triebkraft europäischer Politik das Ziel der weiteren Verfestigung der Union sei. Dementsprechend sprach auch der Vertreter des deutschen Außenministeriums, Herr Schieb, davon, daß bei der gemeinsamen euorpäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bei der Entscheidungsfindung zwischen EU-Mitgliedern und Nichtmitgliedern unterschieden werden müsse. Dagegen erhebt, wie der türkische NATO-Botschafter Öymen nochmals in seinen Beiträgen unterstrich, die Türkei Einwände. Zuletzt waren die Positionen auf der NATO Versammlung in Budapest im Juni aufeinandergeprallt. Die Europäer wollen insbesondere die militärischen Planungskapazitäten der NATO nutzen. Nicht vorgesehen ist jedoch ein Beteiligungsrecht der NATO bei der endgültigen Einsatzplanung und -gestaltung. Die Türkei besteht auf ein weitergehendes Beteiligungsrecht wie es beispielsweise bei der westeuropäischen Einheit, dem Vorgängermodell, vorgesehen war. Dementsprechende Verhandlungsergebnisse habe es bereits gegeben, sie seien in den Washingtoner Dokumenten niedergelegt. Die EU habe sich jedoch in ihrem Beschluß von Nice von diesem Verhandlungsstand entfernt und schließe nunmehr die Türkei viel weitergehend aus als jemals zuvor. Dies wird als umso ungerechter empfunden als die Türkei sich an einer Vielzahl von NATO-Missionen beteiligt hat. Die Türkei verfügt nach den USA über das zweitstärkste Truppenkontingent und - wie der pensionierte Luftwaffen-General Ilhan Kilic anmerkte - über ein hohes Maß an Erfahrung im Umgang mit 'niedrigschwelligen Konflikten'. Umgekehrt sei nach Einschätzung Kilics die EU auf einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren nicht in der Lage, ohne Unterstützung der NATO eigenständige Aktivitäten durchzuführen. Die Türkei auszugrenzen bedeute außerdem auch - insbesondere im östlichen Mittelmeer-Raum - auf ihre historischen Erfahrungen zu verzichten. So hob Kilic hervor, daß es in Bosnien zuerst dem türkischen Truppenkontingent gelungen sei, alle kriegführenden Parteien an einen Tisch zu bekommen. Der Konflikt hat jedoch zudem auch eine emotionale Seite. Die Türkei bemüht sich seit Jahrzehnten um eine Aufnahme in die Euroäische Union. Dabei wurde mehrfach überdeutlich, wie zweispältig die Europäer dem Gedanken gegenüberstehen, die Türkei in den Kreis gleichwertiger Partner aufzunehmen. So kommt auf türkischer Seite immer wieder der Verdacht auf, es werde ein falsches Spiel gespielt. Es war interessant, den starken Beifall zu beobachten, als ein Diskussionsteilnehmer heftiger werdend, darauf hinwies, daß die Hauptlast des Golfkrieges nach wie vor die Türkei durch die Ausfälle der Öltransportgelder und den Zusammenbruch des Grenzhandels zum Irak zu zahlen habe. Tausende türkische Soldaten sind in den vergangenen Jahren auf verschiedenen Schlachtfeldern gestorben, ohne daß eine nennenswerte Unterstützung erfolgt sei. Man habe seit 50 Jahren mit vollem Einsatz für die Erfüllung der NATO-Aufträge gearbeitet und damit in einem Maße zur Sicherheit Europas beigetragen, daß dies die Europäer kaum ausgleichen könnten. Die Rolle, die Wogen zu glätten, fiel - wie bereits in Budapest - dem amerikanischen Vertreter zu. Er merkte an, daß die gemeinsamen Interessen aller Beteiligten überwögen und daß es nun also darum gehen müsse, im Detail Prozeduren auszuarbeiten, die gewährleisten, daß die Interessen aller Parteien abgesichert werden. Dieser Prozeß wird noch einige Zeit beanspruchen. |
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