Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 10. bis zum 17. Oktober 2025

Die Erleichterung über den Waffenstillstand in Gaza ist so groß, dass über die vielen Unwägbarkeiten weniger gesprochen wird. Staatspräsident Erdoğan wiederum genoss seine Rolle beim Gipfel in Ägypten. Inzwischen sorgen die zunehmenden Ermittlungen gegen Geldwäsche unter großen türkischen Unternehmen für Irritationen, die auch internationale Beachtung finden.

Was für ein Waffenstillstand?

Die Erleichterung war groß, als Hamas dem Waffenstillstand in Gaza zustimmte. Bereits unmittelbar danach begannen palästinensische Flüchtlinge in die zerstörten Orte zurückzukehren. Endlich wurden auch humanitäre Hilfsgüter eingelassen. Die israelische Armee hat sich von einigen Positionen zurückgezogen. Der Austausch von Geiseln und Gefangenen hat begonnen.

Angesichts seines Stils ist es nicht verwunderlich, dass sich US-Präsident Trump als Friedensstifter feiern lässt. Dieser wiederum betont, wie wichtig die Hilfe von Staatspräsident Erdoğan gewesen sei, den er als harten, aber verlässlichen Partner beschreibt. Daneben steht die Erwartung im Raum, dass unter amerikanischer Führung eine internationale Truppe zur Überwachung des Waffenstillstands aufgestellt werden soll, an der sich voraussichtlich auch die Türkei beteiligt.

Die positive Zuwendung des streitbaren US-Präsidenten zu seinem türkischen Kollegen begann eigentlich erst bei der UN-Generalversammlung. Zuvor konnte sich dieser keiner besonderen Aufmerksamkeit erfreuen. Er wurde ebenso wie Katar und Ägypten gebraucht, um die Hamas zur Einstellung der Kämpfe zu bewegen. Dies ist zunächst gelungen.

Zum Friedensplan gehört auch, dass Gaza unter internationale Verwaltung gestellt wird, bis neue Verwaltungs- und Sicherheitsstrukturen aufgebaut sind, die die Palästinenser selbst übernehmen können. Damit verbunden ist in westlichen Ländern, insbesondere in den USA und Israel, die Erwartung, dass die Hamas künftig in Gaza keine Rolle mehr spielen werde.

Diese jedoch erklärte am 12. Oktober, dass sie keinesfalls ihre Waffen niederlegen werde. Auch von einer Anerkennung des Existenzrechts Israels dürfte bei der Hamas keine Rede sein. Auf der anderen Seite dürfte wohl auch keine internationale Aufbauhilfe für Gaza denkbar sein, solange die Hamas ein wesentlicher politischer Faktor in dem Gebiet ist.

Welche Rolle der Türkei in dieser Gleichung zukommt, wird sich bald herausstellen. Die türkische Regierung hat immer wieder erklärt, dass sie die Hamas nicht als terroristische Organisation, sondern als Freiheitskämpfer betrachtet. Doch die ersehnte internationale Beachtung hängt davon ab, inwieweit es ihr gelingt, die Hamas zu überzeugen, mindestens unsichtbar zu werden, wenn sie sich schon nicht auflöst.

Eine positive Agenda

Am 17. Oktober besuchte Bundesaußenminister Wadephul Ankara. Ende Oktober soll ein Besuch von Bundeskanzler Merz folgen. Bei der Abschlusspressekonferenz sagte Wadephul: „Wir wollen insgesamt eine positive Agenda“. Blickt man auf den Verlauf der Pressekonferenz scheint dies auch gelungen. Im Mittelpunkt standen der Waffenstillstand in Gaza und der Krieg in der Ukraine. Auf türkischer Seite gab es zudem einige Neugierde im Hinblick auf den geplanten Kauf von Eurofighter Kampfflugzeugen, der bisher wohl vor allem an Vorbehalten der Bundesregierung gehangen hatte. Wadephul erklärte, dass er die Unterzeichnung eines Vertrags noch in diesem Jahr für möglich halte.

Da der Besuch unmittelbar vor dem Kanzlerbesuch stattfand, kann davon ausgegangen werden, dass er auch vorbereitenden Charakter hatte. Konkretere politische Projekte dürften wohl dann vorgestellt werden.

Ein neues Justizpaket

Die „Justizreform“ wird von der Regierung mit Ausdauer betrieben. Die Gesetzespakete werden durchnummeriert, in Vorbereitung ist das elfte Paket. Dies könnte es in sich haben. Zunächst wurde berichtet, dass neue Straftatbestände zum Schutz der öffentlichen Moral und zur Kriminalisierung von Homosexualität geschaffen werden sollen. Bewegt sich beispielsweise die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen gegen die Musikgruppe Manifest auf sehr dünnem Eis, wenn sie die Bühnenperformanz als „Exhibitionismus“ und „öffentlichen Sexualverkehr“ bewertet. Ein neuer Straftatbestand soll hier die Moral wirksamer schützen.

Besonders kritisch dürfte wohl folgender Absatz zu LGBTI+ sein: „Wer sich gegen sein angeborenes und biologisches Geschlecht verhält bzw. eine Haltung dagegen einnimmt oder öffentlich dieses fördert, lobt oder ermutigt, wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis drei Jahre Haft bestraft“. Man kann die geplante Regelung wohl als doppelte Strafabsicht bewerten. Zum einen sollen Personen bestraft werden, die eine „Haltung gegen ihr biologisches Geschlecht“ einnehmen oder dagegen handeln. Dies wäre also ein pauschales Verbot nicht heterosexuellen Handelns. Doch mit „Haltung“ geht es nicht nur um „Handeln“, sondern auch um Einstellung, Denken etc. Und als zweiter Straftatbestand wird die Befürwortung, Toleranzaufrufe u.ä. unter Strafandrohung gestellt. Die Pride Parades sind in der Türkei bereits seit einer Weile verboten. Nun sollen sie also auch einen Straftatbestand erfüllen. Vereine darf es zur Thematik ebenso wenig geben wie Selbsthilfegruppen…

Ein weiterer Teil des geplanten Gesetzespaketes sollen erweiterte Vollmachten für die Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen gegen Geldwäsche sein. Sie sollen direkt die Sperrung von Bankkonten aber auch die Beschlagnahme von Kryptowährungen anordnen können. Zudem sollen auch Personen bestraft werden, die ihre Konten für Geldwäscheoperationen zur Verfügung stellen. Ob für die Strafwürdigkeit ein Vorsatz nachgewiesen werden muss, wird sich erst bei der Veröffentlichung des Gesetzes zeigen.

Bodenschätze können ein Fluch sein

Das Thema war im Zusammenhang mit dem Besuch von Staatspräsident Erdoğan in Washington auf die Tagesordnung gekommen. Dabei soll Präsident Trump Interesse an Lithium-Vorkommen in der Türkei geäußert haben. Zuvor war es wohl nur ein Insider-Thema, aber anscheinend gibt es Vorkommen in der Provinz Eskişehir. Anadolu Ajans hatte bereits 2020 berichtet, dass das Bergbauunternehmen Eti Maden mit der Produktion begonnen habe und eine Kapazität von zehn Tonnen im Jahr angestrebt werde.

Lithium ist in aller Munde. Es gilt zurzeit als Schlüsselelement für die Produktion von Batterien und wird sowohl in den USA als auch in Europa aufgrund hoher Abhängigkeit von chinesischen Importen mit Sorge betrachtet. Neben einer Steigerung der Rückgewinnung gilt darum die Erschließung neuer Produktionsstätten als strategisches Ziel.

Die Sache hat nur einen Haken: die Gewinnung von Lithium ist in zweifacher Weise umweltgefährdend: Zum einen wird sehr viel Wasser verbraucht und zum anderen werden giftige Chemikalien für den Raffinerieprozess benutzt. Die Folgen sind hoher Landschaftsverbrauch und vielfach auch eine Zerstörung der Lebensgrundlage der ansässigen Bevölkerung. In Europa wird vor allem auf Projekte in Portugal und Serbien hingewiesen. Doch das Projekt in Portugal trifft auf starken Widerstand, in Serbien ist es bereits gestoppt worden.

Bursa geht das Wasser aus

Die Wasserreservoirs Nilüfer und Doğancı die den Hauptanteil der Wasserversorgung der Metropole Bursa stellen, sind erschöpft. Der verbliebene Stausee von Çınarcık kann nur ein Viertel des täglichen Bedarfs decken. Darum wird jetzt in sechs Bezirken eine zwölfstündige Wassersperre verhängt. Wie lange diese anhalten wird, bleibt offen. Zwar haben mit Einzug des Herbstes die Regenfälle wieder begonnen, doch es dürfte einige Zeit beanspruchen, bis die Talsperren wieder Wasser fassen.

Verbrechensökonomie

Die Nachrichten über Operationen gegen Geldwäsche reißen nicht ab. Erstaunlich ist dabei insbesondere die Angabe des Volumens. Am 14. Oktober wird berichtet, dass gegen einen Geldwäschering in Istanbul-Laleli vorgegangen wurde. Dieser soll Geld im Wert von rund einer Milliarde Euro „gewaschen“ haben. Der Erlös liegt bei umgerechnet knapp 300 Mio. Euro. Nicht angegeben wird der Zeitraum, auf den sich diese Angaben beziehen. Doch angesichts eines fiktiven Umsatzes von 47 Mrd. TL ergäbe sich rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung Istanbuls in 2022.

Verglichen mit den Beträgen, die der Kolumnist der Tageszeitung Cumhuriyet Murat Ağırel einer Anklage zur Geldwäsche von Erlösen illegaler Wettspiele nennt, ist der zuvor genannte Betrag dagegen eine Kleinigkeit. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass über PayFix und Papara insgesamt 5 Mrd. Dollar „gewaschen“ wurden.

Die Nachrichtenplattform T24 wiederum berichtet darüber, wie POS und QR-Codes genutzt werden, um illegales Geld mit legalen Herkunftsquellen zu versorgen. Verbunden wird dies mit der Warnung, dass auch Kunden, die nichtsahnend mit ihrer Kreditkarte oder einem QR-Code zahlen der Mittäterschaft verdächtigt werden können. Dies kann unter anderem zu einer Konto-Sperre führen, die recht unangenehm sein kann. Geraten wird darum dazu, bei digitalen Zahlungen, insbesondere bei einem Betrag von mehr als 5.000 TL, darauf zu achten, dass auf dem Beleg Name und Adresse des tatsächlichen Unternehmens steht und im Versandhandel korrekte Rechnungen ausgestellt werden.

Und dann ist da noch die politische Dimension. Zahlreiche beschuldigte Geschäftsleute haben Beziehungen zu früher führenden AKP-Politikern. Darum war stets davon ausgegangen worden, dass diese geschützt würden. Im Falle einer Korruptionsermittlung bei der Zentralbank wurde der frühere Vizepräsident der Bank Emrah Şener zusammen mit sieben weiteren Personen in Untersuchungshaft genommen. Da eine Ernennung in diese Position direkt durch den Staatspräsidenten erfolgt, erscheint sie ohne persönliche/politische Beziehungen wenig plausibel. Außerdem berichtet der Journalist Barış Terkoğlu, dass im Rahmen der Ermittlungen gegen die Can Holding zunächst auch gegen Cuneyd Zapsu Haftbefehl erlassen worden sie. Dieser soll jedoch dann in die Vorladung als Zeuge umgewandelt worden sein. Zapsu zählt zu den Vertrauten von Staatspräsident Erdoğan und trat mehrfach als informeller internationaler Vermittler auf.

Die jüngsten Korruptionsermittlungen wurden inzwischen auch von der Financial Times aufgegriffen. Die Zeitung weist darauf hin, dass im Zeitraum eines Jahres mehr als 1.000 Unternehmen in Treuhänderschaft des Guthabenversicherungsfonds (TMSF) übernommen wurden, der auf diese Weise zur größten Holding des Landes aufstieg. Die Financial Times wirft dabei die Frage auf, ob auf diese Weise die Kontrolle der Regierung über die Wirtschaft erhöht werden soll.

Die New York Post wiederum berichtete über ein Netzwerk rings um den Alten Basar in Istanbul, in dem Gold im Wert von 250 Mio. Dollar aus Venezuela „gewaschen“ und für internationale Geschäfte auch mit Russland und dem Iran genutzt worden sei. Sollten solche Vorwürfe von US-Behörden aufgegriffen werden, könnte dies zu neuen Problemen führen.