Jahrgang 2 Nr. 0 vom 29.11.2001
 

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Zypernpolemiken und die türkische EU-Politik

Die neue Bedeutung, die die Zypern-Frage in der türkischen Politik gewonnen hat, seitdem Ismael Cem im Zuge der parlamentarischen Haushaltsberatungen vor einer "negativen Entwicklung" warnte, hat sicher nicht dazu beigetragen, das Thema zu erhellen: Diskutiert werden kaum Probleme oder Lösungsmöglichkeiten des Konfliktes auf der Insel. Stattdessen ist es zu einer Frage des nationalen Prestiges geworden, der EU gegenüber Flagge zu zeigen. Oder umgekehrt: "Laßt uns wegen der halsstarrigen Politik Denktas's nicht die EU-Option verlieren", wie zuletzt vom Vorsitzenden des Großunternehmervereins TÜSIAD ausgesprochen. Sowohl für die türkische Zypern- als auch für die türkische EU-Politik wäre es dabei wohl hilfreich, verschiedene Fragen voneinander zu trennen:

  • Wenn die EU tatsächlich die Türkei nicht wie die anderen Beitrittskandidaten behandelt - und es gibt gute Argumente an einer Gleichbehandlung zu zweifeln - wie kann die Türkei der EU und ihren Mitgliedsländern deutlich machen, daß
    * eine Mitgliedschaft nicht allein türkisches Interesse ist, sondern ein Beitritt für die EU und ihre Mitgliedsländer einen Gewinn darstellte?
    * es tatsächlich objektive Schwierigkeiten gibt, die dieses oder jenes Ansinnen der EU nicht verwirklichbar erscheinen lassen.

Umgekehrt wäre die Türkei natürlich auch in einer weit besseren Position, wenn sie sich eingestände, daß eine Reihe politischer Positionen zwar innenpolitisch populär sein mögen, aber für die EU nicht hinnehmbar sind. Obenan in der Liste solcher Themen steht dabei die Frage der Todesstrafe, die zwar innenpolitisch einen hohen Symbolwert hat, jenseits des EU-Beitritts jedoch bereits jetzt jedoch enorme Probleme aufwirft, wie der Fall Kaplan (Deutschland) und der Sabanci-Attentäterin (Belgien) zeigen.

In der Zypernfrage hat der Nationale Sicherheitsrat nun jüngst (27.11.) beschlossen, daß es nicht hinzunehmen sei, sollten die Türken auf der Insel auf den Status einer Minderheit herabsinken. Solange die Türkei jedoch nicht in der Lage ist zu erklären, welche Probleme sich praktisch aus einem Zypernbeitritt zur EU ergeben und wie sich die Bürgerrechte der Zyprioten dadurch verändern, wird weder in der Türkei noch in Europa ein nennenswerter Effekt durch eine solche Erklärung zu erzielen sein. Es müßte doch dargestellt werden, worin der Unterschied in der türkische Forderung, beide Völker auf Zypern als gleichberechtigte "Partner" anzuerkennen und einem möglichen Minderheitenstatus der türkischen Zyprioten besteht.

 

Weitere Details im Beitrag über das europäisch-türkische Parlamentariertreffen.

Dossier Zypern

 

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