Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 21. bis zum 28. Februar 2028

Der erwartete Aufruf vom inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan die Waffen niederzulegen und die Organisation aufzulösen, ist erfolgt. Offen bleibt nun, ob die PKK diesem Aufruf folgt. Doch wirkliche Aufbruchsstimmung ist nicht entstanden. Zu viele Fragen bleiben offen: die Absetzung oder Verhaftung von Bürgermeistern wurde in den letzten Wochen fortgesetzt. Die letzten prominenten Opfer waren der DEM-Bürgermeister von Van und der CHP-Bürgermeister von Istanbul-Beykoz, der am 27. Februar festgenommen wurde. Die Aufnahme von früheren Abgeordneten der Iyi und der Gelecek Partei in die AKP anlässlich des nationalen Parteitags führt zu der Vermutung, dass die AKP darauf setzt, in den kommenden zwei Jahren ausreichend Mandate zu sammeln, um Staatspräsident Erdoğan eine dritte (eigentlich vierte) Amtszeit zu ermöglichen. Bisher verfügt das Regierungsbündnis über 324 Abgeordnete, benötigt werden 360.

Der Friedensappell von Abdullah Öcalan

Am 27. Februar 2025 fand der dritte Besuch einer DEM-Delegation beim inhaftierten Führer der PKK Abdullah Öcalan statt. Sie brachte einen dreiseitigen Brief von ihm mit, der öffentlich verlesen wurde. In diesem Brief stellt Öcalan fest, dass sich die Rahmenbedingungen, die die PKK hervorgebracht haben, verändert haben. Darum rief er zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes und zur Auflösung der PKK auf.

Während Öcalan in seinem Brief als historische Rahmenbedingungen für die Gründung der PKK auf die Ideologie der Türkischen Republik und den Kalten Krieg verwies, so scheint die wichtigste Veränderung eher aktueller Natur zu sein. Mit der Niederlage Assads im syrischen Bürgerkrieg ist die Zukunft der von Kurden dominierten Selbstverwaltungen in Nordost-Syrien ungewiss. Im Norden Iraks musste sich die PKK aus den grenznahen Gebieten zur Türkei zurückziehen. Und in der Türkei hat die PKK bereits seit dem Städtekrieg ihre Handlungsfähigkeit weitgehend verloren. Sie ist demgegenüber zu einer Hypothek für die DEM geworden.

Als Zukunft für die kurdisch-türkischen Beziehungen verweist Öcalan auf Demokratie, in der Interessen ausgeglichen werden. Dass die türkische Demokratie dies immer weniger leistet, ist wohl die größte Herausforderung im Hinblick auf eine gesellschaftliche Befriedung.

Die AKP führte ihren Parteitag durch

Am 23. Februar fand in Ankara der achte reguläre Parteitag der AKP statt. Eigentlich waren hohe Erwartungen geweckt worden. Es sollten neue Visionen, neue Politik und Organisationsmodelle vorgestellt werden. Doch wie es aussieht beschränkt sich die Veränderung vor allem auf den Austausch von Köpfen. Mehr als die Hälfte der Provinzvorsitzenden wurde ausgewechselt und auch beim jüngsten Kongress wurde mehr als die Hälfte der Mitglieder des Parteirates gewechselt. Ansonsten gab es die Rede des Vorsitzenden und die Abstimmung über die fertigen Kandidatenlisten. Diskussionen gab es nicht. Gegenkandidaten auch nicht. Einen inhaltlich neuen Aspekt suchte man in der Parteitagsrede von Recep Tayyip Erdoğan vergebens.

Nun richten sich die Erwartungen auf die Zusammensetzung der Regierung. Seit Wochen wird darüber spekuliert, dass vier bis fünf Minister ausgetauscht werden könnten. Doch solange mit solchen Personalwechseln keine Politikänderungen verbunden sind, dürften sie eigentlich nur Berufspolitiker interessieren.

Kritik am Klimawandelgesetz

Lange war gemahnt worden, dass die Türkei ein Gesetz zur Bewältigung des Klimawandels benötige. Güven Sak, Direktor des Think Tanks TEPAV, beispielsweise hat in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Rechtsrahmen für den Emissionshandel geschaffen werden müsse, um der türkischen Wirtschaft die Vorbereitung auf einen internationalen Wandel in den Handelsstrukturen zu ermöglichen. Doch auch wenn in der türkischen Bevölkerung durchaus die Sorge vor den Folgen des Klimawandels verbreitet ist, wurde die Politik dazu nie zu einem vordergründigen Thema. Demensprechend zögerlich war auch die Beteiligung der Regierung an den UN-Klimakonferenzen.

Doch mit dem nun eingebrachten Gesetz werden einige Kritiken verbunden. Die türkische Regierung hat als Inflationsziel eingebracht, dass bis 2053 Klimaneutralität erreicht werden soll. Kritiker sagen nun, dass dieses Ziel auch in das Gesetz eingebracht werden müsste, um es im Falle eines Regierungswechsels verbindlich zu machen. Ein zweiter Einwand ist, dass bei einem Konflikt zwischen Entwicklungszielen und Umweltschutz stets der wirtschaftlichen Entwicklung Vorrang gegeben wird. Beim Gesetz wenden sie ein, dass die Ziele der Bekämpfung des Klimawandels abstrakt bleiben, nur im Hinblick auf den Emissionshandel sind verbindliche und institionalisierte Regeln vorgesehen. Es vermittelt den Eindruck, dass einfach ein neuer Markt geschaffen und reguliert werden soll, nicht aber eine Klimastrategie entwickelt wird.

Die Türkei-Russland-Beziehungen

Es erregte Aufsehen, dass der russische Außenminister am 24. Februar die Türkei besuchte, nur Tage nach einem Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen in Südafrika. Folgt man der Pressekonferenz, so hatte man sich viel zu sagen. Neben den Konflikten in der Ukraine und in Gaza ging es auch um die Entwicklungen in Syrien sowie den bilateralen Handel.

Die türkische Regierung hat seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges deutlich gemacht, dass sie für eine unverzügliche Einstellung der Kämpfe eintritt. Sie unterhält enge Beziehungen zu beiden Ländern und der Russland-Handel leidet unter den internationalen Sanktionen. Die ersten Sondierungen zwischen Russland und den USA fanden jedoch nicht in Ankara, sondern in Riad statt. Eine zweite Gesprächsrunde fand in Istanbul statt. In die Gespräche der EU-Staaten über ihr weiteres Vorgehen angesichts des US-Politikwechsels ist die Türkei nicht einbezogen.

Auch die Entwicklungen in Syrien verlaufen nicht unbedingt in die von der türkischen Regierung bevorzugte Richtung. Zwar hat das kurdisch-dominierte Autonomiegebiet in Nordost-Syrien grundsätzlich der Unterstellung unter die Zentralregierung und der Integration der Miliz Demokratischen Kräfte Syriens zugestimmt. Doch im Süden des Landes scheint Israel die Patronage für ein autonomes drusisches Gebiet übernehmen. Der Prozess der Stabilisierung Syriens wird dadurch komplizierter und störanfälliger.

Eine neue europäische Sicherheitsarchitektur

Das Vorgehen der USA im Ukraine-Krieg und die Überlegungen in Washington, US-Truppen aus Europa abzuziehen hatten zu einiger Beunruhigung in EU-Hauptstädten geführt. Eine weitere Erschütterung war der Auftritt des US-Vizepräsidenten Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Trotzig bemühen sich die europäischen Länder um einen Gegenentwurf. Die türkische Regierung verfolgt dies mit Interesse und auch mit Genugtuung.

Am Montag fand Staatspräsident Erdoğan recht drastische Worte. Er erklärte, dass Europa nur mit der Türkei die Chance habe, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Diplomatischer drückte es Außenminister Fidan nach einem Gespräch mit seinem albanischen Kollegen aus. Er erklärte, dass fals sich eine neue europäische Sicherheitsarchitektur bilde, die ohne die Türkei nicht möglich sei.

Tatsächlich sind einige Berührungsängste bereits in den letzten Monaten in den Hintergrund getreten. Die Bereitschaft für Waffenlieferungen an die Türkei wächst und auch die Zahl der Kooperationsabkommen auf dem Gebiet der Militärtechnologie. Auf der anderen Seite ist jedoch auch offensichtlich, dass Europa in einigen Schlüsselbereichen – sowohl im Hinblick auf die Bewaffnung als auch die Aufklärung – in einem Maße von den USA abhängig ist, dass sich dies weder in fünf noch in zehn Jahren überwinden ließe.

Wenn man sich die Stolpersteine bei einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit anschaut, ist eines der ersten Argumente die „Unzuverlässigkeit“ der Türkei. Bei näherem Betrachten jedoch beruht diese Charakterisierung auch auf der Vernachlässigung nationaler türkischer Interessen, die als nachrangig gegenüber den aller anderen betrachtet werden. Dies betrifft ebenso die türkische Politik im Ukraine-Krieg wie auch die zurückliegenden Diskussionen über Seerechte in der Ägäis oder um Zypern. Beim Ukraine-Krieg wurde der türkischen Regierung immer wieder vorgeworfen, sie unterlaufe europäische Sanktionen. Die türkische Regierung wiederum hat stets betont, sie werde alle von der UN verhängten Sanktionen anwenden. Zu den EU-Entscheidungen wird die Türkei nicht einmal konsultativ hinzugezogen. Warum sollte sie diese also anwenden? Und es wird zudem auch übersehen, dass einige Mitgliedsländer der EU sich selbst nicht an den Sanktionen beteiligen oder Ausnahmen für sich ausgehandelt haben.

Bleibt als wichtigstes Argument zur Vorsicht bei einer militärischen Zusammenarbeit das Demokratiedefizit in der Türkei.

Teureres Sparen

Das Gesundheitswesen galt über Jahre als einer der erfolgreichsten Politikbereiche der AKP. Doch inzwischen häufen sich die Klagen. Je nach Wohnort kann es Wochen dauern, bis man einen Termin für eine Untersuchung in einem öffentlichen Krankenhaus erhält. Hat man ihn dann erhalten, so dauert der Empfang beim Arzt meist kaum fünf Minuten. Dies liegt nicht an den Ärzten, sondern die Termine werden bereits in diesem Rhythmus vergeben. Dies führt dazu, dass gerade einmal Beschwerden abgefragt werden, die Vorgeschichte jedoch nicht abgeklärt werden kann und eine Grunduntersuchung nicht durchgeführt werden kann. Stattdessen erfolgt die Anordnung von Bluttests, Röntgen oder MR. Ärzte beklagen, dass nun die Patienten nicht nur auf die dafür nötigen Termine warten müssen, sondern mit Bergen von Befunden herumlaufen. Für ein Gespräch, das die Befunde erläutert und auf die Hintergründe von Erkrankungen eingeht, bleibt keine Zeit. Dies erhöht den Frust der Patienten, die sich schlecht behandelt sehen. Und natürlich erhöht es auch die Kosten, denn alle möglichen Tests werden wiederholt oder unnötigerweise durchgeführt. Es erhöht zudem auch den Frust von Ärzten, die es angesichts der Arbeitsbelastung aufgeben, sich einzelnen Patienten zuzuwenden.

Neue Konfliktfelder durch Elektrofahrzeuge

Die Wirtschaftsplattform ekonomim hat einige Konfliktfelder aufgegriffen, die sich mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Appartements und organisierten Wohnanlagen (site) ergeben. Da Ladestationen in der Planung der meisten Appartements nicht vorgesehen waren, muss zunächst geprüft werden, ob ihr Betrieb zu einer Überlastung des Leitungssystems führen kann. Dies gilt umso mehr, wenn als individuelle Lösung einfach ein Kabel aus einem höheren Stockwerk herabgelassen wird, um das Fahrzeug zu laden. Neben der Sicherheit könnte ein solches Kabel auch Nachbarn stören.

Für die Einrichtung von Ladestationen auf einem Gemeinschaftsparkplatz bedarf es der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft. Mieter haben dort jedoch kein Stimmrecht. Da es sich um eine Erneuerungsentscheidung handelt, bedarf es der Zustimmung von vier Fünfteln der Eigentümer. Insbesondere in größeren Gemeinschaften dürfte dies zu Schwierigkeiten führen. Beim Anschluss muss zudem darauf geachtet werden, dass dieser nicht über den Gemeinschaftszähler, sondern individuelle Zähler erfolgt. Verantwortlich im Schadensfall sind der Vorstand des Appartements/Wohnanlage sowie der Betreiber einer Ladestation.

Ein wenig Zynismus

Die Zentralbank hat eine Analyse über die Wirkung der restriktiven Geldpolitik veröffentlicht, die seit Sommer 2023 angewendet wird. Die Botschaft ist, dass sich höhere Verdienstgruppen stärker eingeschränkt haben als niedrigere. Dies klingt auf den ersten Blick nach sozialer Gerechtigkeit. Die Analyse stützt sich auf Produktgruppen des Einzelhandels. So ist der Umsatzanstieg bei Produkten, die höhere Einkommensgruppen ansprechen, seit Sommer 2023 niedriger als derjenige von Produkten, die vor allem von niedrigen Einkommensgruppen gekauft werden. Als Erklärung wird genannt, dass sich höhere Einkommensgruppen angesichts attraktiver Zinsen zum Sparen entschlossen hätten.

Bei Licht betrachtet fehlen jedoch zwei Aspekte bei dieser Analyse. Zum einen führen die hohen Zinsen dazu, dass die Einnahmen der besserverdienenden Kreise weiter ansteigen. Zum anderen könnte das niedrigere Anstiegstempo bei den niedrigen Einkommensgruppen wohl vor allem damit zusammenhängen, dass auf den Kauf von Produkten verzichtet werden musste, weil sie zu teuer geworden waren.

3,2 Prozent Wirtschaftswachstum in 2024

Am 28. Februar 2025 gab das Türkische Statistikinstitut die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für das vierte Quartal und das Jahr 2024 bekannt. Dabei wurde im vierten Quartal ein Wachstum von real (inflationsbereinigt) 3,0 Prozent und für das ganze Jahre eines von 3,2 Prozent errechnet. Aufs Jahr bezogen zeigte der Bausektor mit 9,3 Prozent den höchsten Zuwachs. Angesichts der Wiederaufbauprogramme in den elf vom Erdbeben 2023 betroffenen Gebieten wirkt der Zuwachs realistisch, zeigt aber auch, dass ein beträchtlicher Anteil des Wachstums von der öffentlichen Hand geleistet wurde. Der Beitrag der Industrie lag bei lediglich 0,5 Prozent.

Das Pro-Kopf-Einkommen stieg auf 15.463 Dollar, wobei hier jedoch die Aufwertung der Türkischen Lira berücksichtigt werden muss. Gleichwohl gibt das Statistikinstitut an, dass Löhne und Gehälter um 90 Prozent stiegen, während die Gewinne der Unternehmen nur um 46,5 Prozent stiegen. Der Anteil von Löhnen und Gehältern am Bruttoinlandsprodukt stieg von 32,5 Prozent im Vorjahr auf 37,9 Prozent.