Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 14. bis zum 21. Februar 2025

Die polizeiliche Vorführung des Vorsitzenden des Vereins türkischer Geschäftsleute und Unternehmer sowie des Vorsitzenden des Beratungsrates des Vereins bei der Staatsanwaltschaft hat einiges Aufsehen erregt. Die Justiz demonstriert damit, dass Kritik an ihr und der Regierung nicht geduldet wird. Dazu kommen immer neue Massenverhaftungen. Dabei werden zunehmend auch Materialien illegaler Abhöraktionen herangezogen, die der Gülen Gemeinschaft zugeschrieben werden. Wenn dies zugelassen wird, ist es nur ein kleiner Schritt, um erneut mit solchen Überwachungsmaßnahmen zu beginnen.

Haltet den Mund und provoziert keine staatlichen Institutionen

Die Reaktion von Staatspräsident Erdoğan auf die Kritik des Vereins türkischer Geschäftsleute und Unternehmer (TÜSIAD) am undemokratischen Klima ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Er warf ihnen vor: „Die Ordnung, deren Zusammenbruch sie beklagen, ist die über Jahre reibungslos gelaufene Profit-Ordnung. Das System, in der sie Politiker auf ihren Platz verwiesen und sie mit Instabilität Geld verdienten, ist zusammengebrochen.“

Nun – schaut man in die öffentliche Statistik zur Einkommens- und Vermögensverteilung, ist die alte Ordnung nicht zusammengebrochen. Auch ist nicht bekannt, dass der Staatspräsident etwas gegen Profite oder Geldverdienen habe. Doch auf Kritik reagiert er empfindlich. Vielleicht war ihm jedoch auch die neue Presserklärung von TÜSIAD ein Dorn im Auge. Darin betont der Verein, dass er im Rahmen einer beteiligungsorientierten Demokratie mit Achtung demokratischer Institutionen und Regeln weiterhin Feststellungen und Vorschläge veröffentlichen werde.

„Wenn ihr ein Arbeitgeberverein sein wollt, werdet ihr lernen, euch wie einer zu verhalten“, war ein weiterer Satz in der Rede des Staatspräsidenten. Man kann dies angesichts der vielen Anklageschriften, die in dieser Woche erhoben wurden, durchaus als Drohung verstehen. Dies wurde dann auch durch das weitere Vorgehen unterstrichen: Der TÜSIAD-Vorsitzende und der Vorsitzende des Beratungsrates wurden festgenommen und der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Mit der Auflage, das Land nicht zu verlassen, wurden sie anschließend entlassen. Die regierungsnahe Tageszeitung Yeni Şafak titelte dazu: „Das Gericht hat ihnen ihre Strafe erteilt“. Von einer Strafe kann keine Rede sein. Das Ausreiseverbot ist eine Vorkehrung, um eine Flucht eines Beschuldigten zu verhindern. Ob die Entscheidung angemessen ist, ob eine Festnahme angemessen war, steht auf einem anderen Blatt. Inszeniert wurde eine Machtdemonstration.

Für die vermögenden Kreise ist diese Vorgehensweise verstörend. Wie viele Investorenversammlungen, die Finanzminister Şimşek in London oder Dubai durchgeführt hat, um für internationale Investitionen zu werben, damit zunichte gemacht wurden, ist schwer einzuschätzen. Einen Beitrag zur Verbesserung des Investitionsklimas dürfte die Aktion vermutlich nicht geleistet haben.

Weniger Echo fand dagegen die Verhaftung und Inhaftierung des Gewerkschafters Mehmet Türkmen. Ihm wird vorgeworfen, dass verfassungsmäßige Recht zu arbeiten behindert zu haben. Mit anderen Worten: Er hat einen Streik in einer Textilfabrik in Gaziantep unterstützt. Dafür wurde er zunächst am vergangenen Freitag festgenommen. Am Montag erfolgten eine erneute Festnahme und schließlich die Anordnung von Untersuchungshaft. Um den Arbeitskampf zu behindern, hat die Provinzverwaltung Gaziantep außerdem ein Demonstrations- und Kundgebungsverbot von zwei Wochen verhängt.

Unendliche Justizreform

Die Pakete werden durchnummeriert. Zurzeit sind wie beim neunten. Ein Ziel ist die Beschleunigung von Strafverfahren. Einer der Vorschläge ist, bei Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren für die Revision die Bezirksgerichte zu überspringen und diese direkt vor dem Kassationsgerichtshof zu verhandeln. Waren die Bezirksgerichte nicht eigens dafür eingerichtet worden, den Kassationsgerichtshof zu entlasten? Und sollte bei schwerwiegenden Straftaten nicht auch bei der gerichtlichen Aufarbeitung besonders gründliche Aufarbeitung vorausgesetzt werden?

Plausibler wirkt dagegen der Vorschlag, bei der Festlegung der Reihenfolge in Berufungsverfahren nicht mehr das Entscheidungsdatum im ersten Verfahren, sondern die Einreichung der Klage zum Ausgangspunkt zu nehmen. Es gibt Verfahren, die sehr lange in der ersten Instanz verhandelt werden. Im Interesse einer zeitnahen Beilegung von rechtlichen Auseinandersetzungen sollte dies einen Beitrag leisten.

Die Agenten von den Prinzeninseln

Gökçer Tahincioğlu erinnerte in einem Beitrag für die Nachrichtenplattform T24 an ein Ereignis vom Sommer 2017. Auf den Prinzeninseln hatte in einem Hotel ein Seminar von Menschenrechtsaktivisten stattgefunden. Es endete vorzeitig durch einen Polizeieinsatz, der sich auf den Vorwurf stützte, es habe sich um ein Treffen von Agenten gehandelt. Internationales Aufsehen erregte der Vorfall insbesondere dadurch, dass sich unter den Festgenommenen und dann Inhaftierten auch ein Deutscher und ein Schwede befanden. Mit der Bestätigung des Freispruchs des letzten Angeklagten ist die Angelegenheit nun geklärt. Doch acht der elf Angeklagten hatten immerhin 113 Tage in Untersuchungshaft gesessen.

Wie bei anderen politischen Verfahren auch wurden gezielte Indiskretionen über regierungsnahe Medien eingesetzt, einige AKP-Politiker berichteten über angebliche Beweise. Doch dann wurde der Vorwurf der Agententätigkeit fallengelassen und wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ angeklagt. Von jenen, die über regierungsnahe Medien Rufmord betrieben, wird niemand zur Verantwortung gezogen.

Schwimmende Pflanzeninseln

2021 sorgte Meeresschaum im Marmara Meer für große Aufregung. Dabei wurde die enorme Schadstoffbelastung durch den Meeresschaum eigentlich nur sichtbar. Denn hinter dem weißen Schleim auf der Wasseroberfläche verbirgt sich ein durch überhöhten Stickstoff- und Phosphoreintrag sowie gestiegene Wassertemperaturen gestiegenes Algenwachstum. Dieses Algenwachstum wiederum trägt zum Sauerstoffverbrauch bei und macht das Meer unbewohnbar. Unter Führung der Universität Bursa wird nun ein Pilotprojekt begonnen, mit dem schwimmende Pflanzeninseln an einer Flussmündung den Eintrag von Phosphor und Stickstoff verringern sollen. Zunächst wird das Augenmerk auf geeignete Pflanzen gelegt. Sollte das Projekt erfolgreich sein, wird es auch an anderen Flussmündungen eingesetzt.

Verwirrende Statistik

In dieser Woche wurden Statistiken veröffentlicht. Die Umfrage über die Lebenszufriedenheit fand einiges Echo in den regierungskritischen Medien. Über die Statistik zu den Arbeitskosten dagegen fand kaum eine Diskussion statt.

Die Statistik zur Lebenszufriedenheit enthält wenig Überraschendes. Die Lebenszufriedenheit ist gesunken. Nur 49,6 Prozent der Befragten gaben an „glücklich“ zu sein. 14,5 Prozent dagegen charakterisieren sich als „unglücklich“. Ersterer Anteil ist gesunken, letzterer gestiegen. Nach dem wichtigsten Problem der Türkei gefragt, gaben 29,2 Prozent „Teuerung“ an. Es folgte mit 15,7 Prozent „Bildung“ und mit 14,0 Prozent „Armut“. Angesichts der ausgefallenen zweiten Erhöhung des Mindestlohns im Sommer letzten Jahres und der geringen Erhöhung im Dezember erstaunt die Bewertung der Probleme nicht. Kaufkraftverlust macht unglücklich, könnte man schlussfolgern.

Die Statistik der Arbeitskosten dagegen zeichnet ein anderes Bild. Der Beschäftigungsindex, der Industrie, Bau sowie Handel/Dienstleistungen umfasst, ist im vierten Quartal 2024 um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen. Schaut man in die Arbeitsstatistik, so liegt der Anstieg sogar bei 0,4 Prozent. Betrachtet man die geleisteten Arbeitsstunden, so liegt der Anstieg bei 1,3 Prozent.

Doch die eigentliche Überraschung findet sich beim Arbeitsverdienst pro Stunde. Dieser stieg im vierten Quartal um 10,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Im Jahreszeitraum wird ein Anstieg um 73,1 Prozent ermittelt. Dieser liegt weit über der Jahresinflation von 44,38 Prozent. Sind die Beschäftigten im vergangenen Jahr also außerordentlich reicher geworden?

Diskrepanzen zwischen verschiedenen Statistiken eines Instituts können auf unterschiedliche Datenquellen zurückgehen. Die Beschäftigungsstatistik beispielsweise beruht auf einer Umfrage, die Statistik der Arbeitskosten auf Daten der Sozialversicherung und der Finanzämter. Wenn Verdienst die Rede ist, so wird vom Brutto-Verdienst ausgegangen. Die Schere zwischen Anstieg der Arbeitskosten und der Inflation im Jahreszeitraum beträgt 28,72 Prozentpunkte, bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass die Beschäftigten in dieser Höhe mehr Netto-Gehalt empfangen haben.

Und dann ist da noch der Aspekt, dass Unternehmen, um in diesem Maße höhere Arbeitskosten tragen zu können, in mindestens demselben Maße ihren Umsatz erhöhen oder die Produktivität erhöhen müssen. Kapazitätsauslastung und Output der Industrie beispielsweise zeigen dafür aber keine Anzeichen. Es bleibt ein Mysterium.