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Sırrı Süreya Önder, einer der prominentesten DEM-Politiker und zusammen mit Pervin Buldan einer der Koordinatoren zur Vorbereitung der PKK-Auflösung, musste sich einer Herzoperation unterziehen und schwebt in Lebensgefahr. Der Lösungsprozess befindet sich in einer entscheidenden Phase, so dass unverzüglich ein Nachfolger gefunden werden muss. Derweil bewegen sich Politik und Wirtschaft auf Sackgassen zu. Die Ermittlungen gegen Ekrem İmamoğlu sowie wegen des CHP-Parteitags vom November 2023 werden fortgeführt, seine Untersuchungshaft wurde bestätigt. Konkrete Beweise sind in beiden Fällen bisher nicht veröffentlicht worden. Aufgrund der Auswirkungen der politischen Spannungen auf die Finanzmärkte sah sich die türkische Zentralbank zu einem Politikwechsel gezwungen. Doch sieht sie sich – ebenso wie Finanzminister Şimşek - zunehmender Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt.
Die MHP ist immer wieder für eine Überraschung gut. Neben der Initiative zur Auflösung der PKK hatte sie zum Beispiel auch angeregt, eine neue gesetzliche Lösung zu entwickeln, die die Einsetzung von Zwangsverwaltern in Kommunen ersetzt. Auch fand die Partei kritische Worte für die zahlreichen Inhaftierungen bei den jüngsten Protesten. Nun hat sich ihr Vorsitzender Devlet Bahçeli zu Wort gemeldet und gefordert, dass die Ermittlungen gegen den inhaftierten Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu zügig abgeschlossen und mit dem Strafverfahren begonnen werden soll.
Tatsächlich hat sich das Regierungsbündnis in eine schwierige Lage manövriert. Umfragen zufolge glaubt weniger als die Hälfte der Bevölkerung den Korruptionsvorwürfen. Das Vorgehen gegen die CHP hat die Partei gestärkt. Unter diesen Umständen schlägt Bahçeli eine „Augen zu und durch“-Strategie vor, um den Schaden zu begrenzen.
Derweil werden die Operationen gegen CHP-Kommunen fortgesetzt. Zu Wochenbeginn wurde eine Vize-Bürgermeisterin in Beykoz mit einem Korruptionsvorwurf verhaftet, am 17. April folgte ein Vize-Bürgermeister von Beşiktaş, der zusammen mit elf weiteren Personen ebenfalls mit dem Vorwurf der Korruption festgenommen wurde. Die Staatsanwaltschaft dehnt außerdem ihre Untersuchung um Bestechungsvorwürfe beim CHP-Parteitag 2023 aus. Demgegenüber hat der Hohe Wahlrat abschließend die Klage gegen die Wiederwahl von Özgür Özel beim außerordentlichen Parteitag am 6. April abgewiesen.
Der Name klingt bescheiden, doch es handelt sich um Eliteschulen. Nun wurden zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer an diesen Schulen ausgetauscht. Schüler, Eltern und Gewerkschaften reagierten mit dem Vorwurf, dass hier zu Lasten der Ausbildungsqualität bewährte Lehrkräfte geopfert würden. Das Bildungsministerium dagegen betont, es handele sich um eine Routineentscheidung, mit der Lehrkräfte nach einer bestimmten Zeitspanne ausgewechselt würden.
Der Kern des Konflikts liegt jedoch in der gewerkschaftlichen Kritik: Für keinen der Beteiligten ist nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Entscheidungen getroffen wurden. Weder die betroffenen Lehrer noch Eltern oder Schüler glauben an eine routinemäßige Rotation.
Am 16. April versuchte das CHP-Mitglied im Parlamentspräsidium Gülizar Biçer Karaca einen Coup zu landen. Während sie die Plenarsitzung leitete verlas sie das Urteil des Verfassungsgerichts zur Freilassung von Cem Atalay. Dessen Parlamentsmandat war nach der Verlesung des Urteils des Kassationsgerichtshofes im Parlamentsplenum aufgehoben worden. Trotz eines eindeutigen Verfassungsgebots, dass alle Gerichte sich an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu halten, widersetzte sich der Kassationsgerichtshof und folgte dem Urteil zur Freilassung nicht. Auch weigerte sich der AKP-Parlamentspräsident Kurtulmuş das Verfassungsgerichtshofsurteil im Plenum zu verlesen.
Welche Wirkung die Verlesung des Urteils im Parlamentsplenum rechtlich hätte, sei dahingestellt. Sie war ein Bruch der Geschäftsordnung des Parlaments. Und die AKP setzte alles daran, den Vorgang ungeschehen zu machen. Sie setzte durch, dass die Verlesung des Urteils aus dem Sitzungsprotokoll erfolgte und damit „ungeschehen“ gemacht wurde.
Was ist aus dem Vorgang zu schließen. Die AKP setzt weiter alles daran, Rechtsbrüche fortzusetzen. Dabei zeigen Meinungsumfragen, dass je länger sie an dieser Strategie festhält, ihre Wählerbasis umso mehr schmilzt.
Das Justizministerium bereitet eine Änderung der Strafvollzugsordnung vor. Ziel ist es 55.000 Häftlinge vorzeitig freizulassen und damit die Überbelegung der türkischen Gefängnisse zu verringern. Während daran gedacht ist, beispielsweise den Strafvollzug von Wiederholungstätern zu verkürzen oder auch kranken Häftlingen eine vorzeitige Entlassung zu ermöglichen, sollen politische Gefangene davon ausgenommen werden.
Wer also wiederholt wegen beispielsweise Betrug oder Diebstahl verurteilt wurde, soll eine kürzere Strafe erhalten. Doch wer – aus welchen Gründen auch immer – wegen Terrorismus verurteilt wurde, soll auch in Haft bleiben, wenn dies unter gesundheitlichen Aspekten problematisch ist. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass nicht nur Bombenleger als Terroristen verurteilt werden. Es werden Menschen auch als Unterstützer oder Sympathisanten verurteilt.
Nach der Brandkatastrophe von Kartalkaya wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. In dieser Woche wurde ein Vertreter des Vereins der Feuerwehren angehört. Dieser führte aus, dass in 234 Landkreisen und Siedlungen keine Feuerwehrstation existiert. An Orten, an denen Feuerwehren eingerichtet wurden, herrscht oft Mangel an Gerät und Personal. Zum Teil sind die Fahrzeuge veraltet. Ein sinnvolles System zur Bemessung des Feuerwehrbedarfs besteht dem Vortrag zufolge nicht. Es reiche nicht, mit Blick auf die Bevölkerungszahl eine Richtzahl anzusetzen. Der Bedarf müsse auf der Grundlage von Kriterien wie Industrie, Tourismus, Topographie, Bevölkerung und Wald ermittelt werden.
Bedenkt man, dass die Aufgabe einer Feuerwehr nicht nur in der Brandbekämpfung, sondern auch in der Prävention von Bränden besteht, ist die hohe Zahl von Orten gänzlich ohne Feuerwehr besorgniserregend. In Kartalkaya beispielsweise hatte sich gezeigt, wie schwierig es überhaupt war die Zuständigkeit für die Brandschutzprüfung zu klären.
Eigentlich war erwartet worden, dass mit Beginn der Zinssenkungen im Dezember 2024 diese mit jeder Sitzung des Geldrates der Zentralbank fortgesetzt würden. Doch mit der Verhaftung von Ekrem İmamoğlu am 19. März hat sich alles geändert. De Facto hat die Zentralbank bereits kurz nach dem Ereignis mit einer Sondersitzung die Zinsen auf 46 Prozent erhöht. Bei der April Entscheidung wurde dies nun auch offiziell vollzogen. Zugleich wurden auch die übrigen Zinsen angehoben.
Schätzungen zufolge hat die Zentralbank aufgrund des schwindenden Vertrauens in die Türkische Lira durch Stützkäufe 40-50 Mrd. Dollar an Reserven eingebüßt. Zudem rechnet sie damit, dass die Inflation im April leicht steigen könnte.
Die Entscheidung wurde von Wirtschaftskommentatoren überwiegend begrüßt. Die Zentralbankspitze habe Handlungsfähigkeit und eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Politik bewiesen. Gleichwohl wird die Entscheidung Folgen haben. Die Kreditzinsen sind stark gestiegen, was private Haushalte ebenso wie Unternehmen belastet. Auch die Zinslast auf den Staatshaushalt steigt drastisch. Und das Geld, das für Zinsen aufgewendet werden muss, kann nicht anderweitig eingesetzt werden.
Aber es gibt auch andere Stimmen. In den beiden regierungsnahen Zeitungen Sabah und Yeni Şafak gibt es harsche Kritik an der Zinsentscheidung. In ihrer Lesart sind die Finanzmarktturbulenzen nach İmamoğlus Verhaftung „Manipulationen“ auf die die Zentralbank reingefallen sei. Man mag angesichts des Reflexes, mit dem diese beiden Zeitungen jedes Problem als internationale Verschwörung zu präsentieren suchen, mit den Schultern zucken. Die Erinnerung, dass der Absetzung vorheriger Zentralbankpräsidien solche Kritik von diesen Zeitungen vorausgegangen ist, facht jedoch die Befürchtung an, dass ein neues geldpolitisches Experiment in Vorbereitung sein könnte.
Hinzu kommt, dass die Folgen der verbreiteten Nachfroste in Anatolien im April noch nicht absehbar sind. Stark betroffen sind Obstbäume, denn in wichtigen Anbauzentren ist die Baumblüte getroffen worden. Aber es dürfte auch den Gemüseanbau im Süden betreffen. Die Folge werden weiter steigende Preise für Lebensmittel sein. Und unabhängig von der offiziellen Inflation ist die Nahrungsmittelinflation wohl der Indikator, mit dem die Bevölkerung die Preisentwicklung verfolgt.