Istanbul Post

Kurzmeldungen: Alle Kurzmeldungen

Die Woche vom 17. bis zum 24. Januar 2025

Der Brand im Skihotel Grand Kartal in der Provinz Bolu löste nicht nur Trauer aus, sondern auch eine breite Diskussion über politische Verantwortung und Katastrophenschutz. Demgegenüber traten sowohl der Widerstand der CHP gegen die Absetzung ihrer Bürgermeister als auch der zweite DEM-Besuch bei Abdullah Öcalan in den Hintergrund. Die Zentralbank senkte wie erwartet erneut die Zinsen. Ob dies verfrüht ist, bleibt abzuwarten.

Ein roter Faden

Am 21. Januar kam es zu einem Brand in einem großen Hotel im Wintersportgebiet Bolu. Während der Halbjahrsferien herrschte dort Hochbetrieb. Beim Brand starben 76 Menschen. Es ist das bisher schwerste Brandunglück in einem türkischen Hotel. Doch Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass eigentlich nicht von einem „Unglück“ gesprochen werden sollte. Es erging kein Feueralarm und niemand berichtet über eingeschaltete Sprenkler, die den Brand zumindest verlangsam hätten. Die Feuerwehr erreichte den Brandort erst rund eine Stunde nach der Benachrichtigung, weil es vor Ort keine Feuerwehr gibt. Die Brandbekämpfung dauerte dann zehn Stunden, vermutlich auch, weil die verwendeten Baumaterialien unter Brandschutzaspekten ungeeignet waren.

Der Kolumnist von ekonomim Şeref Oğuz beginnt seinen Kommentar mit einem Zitat aus Albert Camus „Pest“: „Wenn du ein Land kennenlernen willst, dann schaue dir an, wie die Menschen sterben“. Bezogen auf die Türkei fällt da manches auf. Vor zwei Jahren die Erdbebenkatastrophe von Kahramanmaraş ebenso wie der Brand auf einer Baustelle in Beşiktaş, bei dem 29 Arbeiter starben. Dabei gibt es gleichsam einen roten Faden. Unfälle lassen sich nicht vollkommen ausschließen. Doch dass sie zu einer Katastrophe führen, hat etwas mit fehlender Planung, unzureichender Sicherheitskultur und Bürokratie zu tun. Bürokratie tötet Menschen nicht durch die Vielzahl von Vorschriften, sondern dadurch, dass diese nur auf dem Papier eingehalten werden.

Nun beginnt wieder die Suche nach den Schuldigen. Zunächst wurden erst einmal elf Personen festgenommen. Doch betrachtet man die gerichtliche Aufarbeitung des Erdbebens vor zwei Jahren, so zeigt sich, dass die schwerwiegenden Planungsfehler und mangelhafte Bauaufsicht weitgehend ausgeklammert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die politisch Verantwortlichen geht.

Dazu beitragen wird das Verwirrspiel über die Prüfung der Brandsicherheit. Am 22. Januar veröffentlicht die staatliche Andadolu Agentur eine Nachricht, der zufolge die Stadt Bolu am 2. Januar das Gebäude für sicher erklärt habe. Der zugehörige Antrag sei am 24. Dezember 2024 gestellt worden. Nun gibt es jedoch einen veröffentlichten Inspektionsbericht der Feuerwehr von Bolu, die in ihrem Bericht zu dem Schluss kommt, dass nur ein Kriterium der Erfordernisse erfüllt sei, es dagegen neun Beanstandungen gäbe. Der Bericht trägt das Datum des 16.12.2024. Weiter wird berichtet, dass das Hotel daraufhin den Antrag auf Brandinspektion zurückgezogen habe. Dies habe die Feuerwehr zur Kenntnis genommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die beanstandeten Mängel zu den Todesopfern beigetragen haben. Hätte die Feuerwehr in diesem Fall nicht fordern müssen, die Betriebserlaubnis zu entziehen? Und nun scheint es ein weiteres Dokument zu geben, in dem für ein neu eröffnetes Restaurant im Gebäude eine Brandsicherheitsbescheinigung erteilt wurde. Ist es denkbar, dass in diesem Fall nur das Restaurant in die Prüfung einbezogen wurde? Man schaffte durch den richtigen Antrag eine lästige Formalität aus der Welt. Bis der Brand ausbrach. Dass die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu wiederum den Anschein erweckt, die CHP-geführte Kommune Bolu sei verantwortlich, kann natürlich nur ein Zufall sein.

Und dann gibt es noch ein grundsätzliches Problem. Viele touristische Einrichtungen befinden sich nicht in Städten. Insbesondere beim Wintersport ergibt sich dann das Problem langer Anfahrtswege für die Feuerwehr. Während für die Feuerwehr die Kommunen zuständig sind, ist ihnen bei der Genehmigung touristischer Einrichtungen alle Einflussnahme genommen. Wenn das Tourismusministerium also Beherbergungseinrichtungen genehmigt, bedeutet dies nicht, dass die Feuerwehr ein Hotel kurzfristig erreichen kann.

Druck auf die Politik

Am 20. Januar wurde der Vorsitzende der CHP-Jugendorganisation Cem Aydın von der Polizei am frühen Morgen abgeholt und einen Tag in Gewahrsam genommen. Ihm wird vorgeworfen, einen öffentlich Bediensteten beleidigt und eine mit Terrorismusbekämpfung betraute Person zum Ziel gemacht zu haben. Ausgangspunkt war vermutlich ein Video-Retweet, bei dem es um den leitenden Staatsanwalt für Istanbul geht. Am 21. Januar wurde zudem gemeldet, dass zwei CHP-Stadtratsmitglieder aus der Provinz Manisa aus dem selben Grund mit Hausarrest belegt wurden.

Ümit Özdağ, Vorsitzender der rechtsextremen Zafer Partei, wurde am 20. Januar festgenommen. Ihm wird Präsidentenbeleidigung vorgeworfen. Außerdem ermittelt die Polizei anscheinend auch wegen Anstiftung im Hinblick auf Angriffe auf Syrer in Kayseri. Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit des Verfahrens. Innerhalb eines Tages wurden nicht nur die Ermittlungen aufgenommen, sondern auch die für eine Strafverfolgung erforderliche Genehmigung durch den Justizminister eingeholt. Özdağ wurde in Untersuchungshaft genommen. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Istanbul geführt werden. „Tatort“ der Präsidentenbeleidigung ist Antalya, der Wohnort Ankara und – wenn man Kayseri mit einbezieht, der zweite Tatort Kayseri. Ein Bezug zu Istanbul ist nicht erkennbar.

Der Wiederaufbau Syriens

Für die Wirtschaftsplattform ekonomim hat Hasan Kocasoy, ein früherer Wirtschaftsatachee der Türkei im Irak und heute Unternehmensberater, einen Beitrag zum Wiederaufbau in Syrien geschrieben. Kerngedanke ist, dass man sich hier der Lehren aus dem Wiederaufbau im Irak vergewissern sollte. Das erste Schlüsselthema ist dabei die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien. Diese betreffen insbesondere auch die eingefrorenen Konten der syrischen Zentralbank sowie die Beschränkungen im Zahlungsverkehr. Kocasoy empfiehlt der türkischen Regierung, ihre Unterstützung für die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien zu intensivieren. Auch ruft er dazu auf, Unterstützungskonferenzen für den Wiederaufbau zu initiieren, sich dabei jedoch allzu großzügiger Hilfszusagen zu enthalten. Diese werden vielfach aus den verschiedensten Gründen nicht eingehalten. Es wäre unsinnig, die Erwartungen im türkischen Bausektor unnötig zu erhöhen. Beim Wiederaufbau des Iraks waren Zahlen von 100 Mrd. Dollar in den Raum gestellt worden, tatsächlich beläuft sich das Volumen auf 1-2 Mrd. Dollar jährlich. Zudem gibt es ein 2007 unterzeichnetes Freihandelsabkommen zwischen Syrien und der Türkei, das 2011 ausgesetzt wurde. Die türkische Regierung solle sich unverzüglich dafür einsetzen, es wieder in Kraft zu setzen.

Chancen und Hindernisse bei der digitalisierten Landwirtschaft

Ali Ekber Yıldırım ist der Landwirtschaftsexperte der Wirtschaftsplattform ekonomim. In einem Beitrag verweist er auf einen Bericht der Welternährungsorganisation FAO und der Europäischen Bank für Wiederaufbau zu landwirtschaftlichen Technologien in der Türkei. Bei der Anwendung dieser Technologien gibt es zahlreiche Hindernisse. Eines ist die überwiegend geringe Größe der Betriebe. Ein weiteres Bildungsniveau und Alter der Landwirte. In der Türkei liegt das Durchschnittsalter der Bauern über 55 Jahren. Ihre Technologieerfahrung ist überwiegend begrenzt. Die geringen Gewinne der Betriebe erschweren zusätzlich die Investition in Technologien. Hinzu kommt, dass Technologieunternehmen wenig Präsenz im ländlichen Raum zeigen. Dies erhöht Zugangsschwellen, aber führt auch zu Problemen beim Kundendienst.

Die Studie belässt es jedoch nicht bei einer Problemfeststellung. Mit Hilfe von Landwirtschaftstechnologien lassen sich Ressourcen schonen, Aufwand verringern und neue Formen von Kooperation entwickeln. Vieles von dem muss nicht unbedingt von internationalen Technikunternehmen eingekauft werden, sondern könnte bei entsprechender Förderung auch in der Türkei entwickelt werden. Klare Vorgaben für Protokolle und Interfaces würden zudem die Kooperationsmöglichkeiten erhöhen.

34 neue Industriegebiete geplant

Industrieminister Kacır stellte bei einer Konferenz der organisierten Industriegebiete einige Projekte vor. Dazu gehörte, dass auf einer Linie von Samsun bis Mersin in 18 Provinzen 34 neue Industriegebiete eingerichtet werden sollen. Zugleich präsentierte er stolz einige Zahlen. So sind in Zusammenarbeit mit der Weltbank mehr als 700 Mio. Dollar für ein Projekt für eine Umstellung der Industrie auf klimaneutrale Produktion sowie regionale Industriegebiete bereitgestellt worden. Mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau wurde eine Investitionsplattform für grüne Industrie mit einem Volumen von 5 Mrd. Euro geschaffen worden. Für das Programm technologiefokussierter Industrialisierung wurden für 166 Projekte Investitionen von 97 Mrd. TL mobilisiert. Weiter gab er an, dass in den vergangenen fünf Jahren 66 neue Industriegebiete in Anatolien eingerichtet wurden.

Aber wie so vieles haben auch solche Erfolgsbilanzen ihre Schatten. Betrachtet man die Industrieproduktion in den vergangenen fünf Jahren so wirken die Zuwächse eher bescheiden. Aktuell wird ein Index verwendet, der 2021 als 100 anlegt. 2020 hat einen durchschnittlichen Indexwert von 85,9 Punkten, 2024 (Stand November) hat einen durchschnittlichen Indexwert von 104,9 Punkten und liegt damit 1,8 Punkte unter dem von 2023.

Neue Zinssenkung der Zentralbank

Am 23. Januar entschied die türkische Zentralbank den Leitzins von 47,5 auf 45 Prozent zu senken. Damit setzte sie die Zinssenkungen fort, die sie im Dezember 2024 ebenfalls mit 2,5 Prozentpunkten begonnen hat. Überraschend kam der Schritt nicht, es wird erwartet, dass die Zinssenkungen das Jahr hindurch fortgesetzt werden. Gleichwohl bleibt die wirtschaftliche Rationalität umstritten. Die Zentralbank hatte bis Dezember betont, dass eine Voraussetzung für Zinssenkungen sei, dass sich die Inflationserwartungen von Bevölkerung, Industrie und Finanzsektor der Inflationsprojektion der Zentralbank annäherten. Erkennbar ist eine solche Annäherung nicht und wird auch von der Zentralbank selbst als fortbestehendes Risiko dargestellt.